Internetfreie Zeit gut überstanden?

Ich glaube Attis wird bei Pausanias erwähnt......müsste aber erst nachschauen.

Es ist mir nicht leicht gefallen, eine Woche ohne Internet, aber es geht. Hab' halt mehr gelesen.

Dem Attis bleiben wir mal auf der Spur. Die Geschichte, die da in der Zeitung referiert wurde, war kaum glaublich. Die Kybele alias Magna Mater war das Ergebnis der ersten Kastration, d.h. vorher war sie ein Mann. Der/die erste überlieferte Transsexuelle? Vorher hatte sie aber einen Sohn gezeugt, eben Attis, in den sie sich später verliebt und den sie aus Eifersucht seinerseits kastriert hat.

Welcome back!

Hat Catull nicht was über Attis geschreiben. Mir war so, als hätten auf jeden Fall die Römer den Kybele-Kult als sehr orientalisch beurteilt. Die Priester, die Galli, haben sich doch auch kastriert, oder?

Ja, Pausanius erzählt die Attisgeschichte in Paus. VII,17, 10-12:
Hier die griechische Version:
[10] ἐνταῦθα ἄλλοι τε τῶν Λυδῶν καὶ αὐτὸς Ἄττης ἀπέθανεν ὑπὸ τοῦ ὑός: καί τι ἑπόμενον τούτοις Γαλατῶν δρῶσιν οἱ Πεσσινοῦντα ἔχοντες, ὑῶν οὐχ ἁπτόμενοι. νομίζουσί γε μὴν οὐχ οὕτω τὰ ἐς τὸν Ἄττην, ἀλλὰ ἐπιχώριός ἐστιν ἄλλος σφίσιν ἐς αὐτὸν λόγος, Δία ὑπνωμένον ἀφεῖναι σπέρμα ἐς γῆν, τὴν δὲ ἀνὰ χρόνον ἀνεῖναι δαίμονα διπλᾶ ἔχοντα αἰδοῖα, τὰ μὲν ἀνδρός, τὰ δὲ αὐτῶν γυναικός: ὄνομα δὲ Ἄγδιστιν αὐτῷ τίθενται. θεοὶ δὲ Ἄγδιστιν δείσαντες τὰ αἰδοῖά οἱ τὰ ἀνδρὸς ἀποκόπτουσιν. [11] ὡς δὲ ἀπ' αὐτῶν ἀναφῦσα ἀμυγδαλῆ εἶχεν ὡραῖον τὸν καρπόν, θυγατέρα τοῦ Σαγγαρίου ποταμοῦ λαβεῖν φασι τοῦ καρποῦ: ἐσθεμένης δὲ ἐς τὸν κόλπον καρπὸς μὲν ἐκεῖνος ἦν αὐτίκα ἀφανής, αὐτὴ δὲ ἐκύει: τεκούσης δὲ τράγος περιεῖπε τὸν παῖδα ἐκκείμενον. ὡς δὲ αὐξανομένῳ κάλλους οἱ μετῆν πλέον ἢ κατὰ εἶδος ἀνθρώπου, ἐνταῦθα τοῦ παιδὸς ἔρως ἔσχεν Ἄγδιστιν. αὐξηθέντα δὲ Ἄττην ἀποστέλλουσιν ἐς Πεσσινοῦντα οἱ προσήκοντες συνοικήσοντα τοῦ βασιλέως θυγατρί: [12] ὑμέναιος δὲ ᾔδετο καὶ Ἄγδιστις ἐφίσταται καὶ τὰ αἰδοῖα ἀπέκοψε μανεὶς ὁ Ἄττης, ἀπέκοψε δὲ καὶ ὁ τὴν θυγατέρα αὐτῷ διδούς: Ἄγδιστιν δὲ μετάνοια ἔσχεν οἷα Ἄττην ἔδρασε, καί οἱ παρὰ Διὸς εὕρετο μήτε σήπεσθαί τι Ἄττῃ τοῦ σώματος μήτε τήκεσθαι. τάδε μὲν ἐς Ἄττην τὰ γνωριμώτατα:.....

Holla, ist mein Griechisch eingerostet! Aber danke für den Text. Verstehe ich das richtig, dass auch die "Galater" ... δρῶσιν, das hat wohl mit δρᾶμα zu tun?

Wieso eigentlich gerät Attis in Manie?

Interessant ist auch, dass hier weder von Kybele noch von so etwas wie Magna mater die Rede ist. Woher stammen diese Namen denn dann?

Interessant ist auch, dass hier weder von Kybele noch von so etwas wie Magna mater die Rede ist. Woher stammen diese Namen denn dann?

Die habe ich eingebracht; das stand so in dem FAZ-Artikel, wie ich ihn oben zusammengefaßt habe. Aber ich komme erst am Wochenende dazu, mich mit der Geschichte zu befassen.
Mögliche weitere Quellen - außer Pausanias - gibt es ja viele, z.B. Apollodoros.

Ich finde das übrigens - zurückhaltend formuliert - sehr seltsam, daß die Große Mutter ein kastrierter Mann sein soll.

Meine Recherche hat bisher zur Attis-Überlieferung ergeben:

- Pausanias, wie zitiert
- Augustinus, De civitate Dei VII 25 (und über die Große Mutter: 26)
- der "Eumolpide" Timotheos [Autor zur Zeit Ptolemaios' I.], überliefert bei Arnobius, Adv. nat. V, 5-7 [wie Augustinus ein christlicher Autor]
- Porphyrios, überliefert bei Eusebius, Praep. ev. III 11 f. [ebenfalls christlich]

Bei Timotheos und Porphyrios soll die Geschichte in ihrer ganzen Blutigkeit stehen - aber da stößt meine Bibliothek an ihre Grenzen. Augustinus schimpft auch nicht schlecht, informiert jedoch wenig.

Apollodoros: Fehlanzeige.

Das ist nicht sehr befriedigend. Nun muß ich noch in diversen neuzeitlichen Sammlungen griechischer Mythen nachschauen.

Auch fast nichts.

Wikipedia schreibt:

Attis was originally a local semi-deity of Phrygia, associated with the great Phrygian trading city of Pessinos, which lay under the lee of Mount Agdistis. The mountain was personified as a daemon, whom foreigners associated with the Great Mother Cybele.

The story of his origins from Agdistis, as told to the traveller Pausanias, have some distinctly non-Greek elements: Pausanias was told that the daemon Agdistis initially bore both male and female attributes. But the Olympian gods, fearing Agdistis, cut off the male organ and cast it away. There grew up from it an almond-tree, and when its fruit was ripe, Nana who was a daughter of the river Sangarios picked an almond and laid it in her bosom. The almond disappeared, and she became pregnant. Nana abandoned the baby (Attis). The infant was tended by a he-goat. As Attis grew, his long-haired beauty was godlike, and Agdistis as Cybele, then fell in love with him. But the foster parents of Attis sent him to Pessinos, where he was to wed the king's daughter. According to some versions the King of Pessinos was Midas. Just as the marriage-song was being sung, Agdistis/Cybele appeared in her transcendent power, and Attis went mad and cut off his genitals. Attis' father-in-law-to-be, the king who was giving his daughter in marriage, followed suit, prefiguring the self-castrating corybantes who devoted themselves to Cybele. But Agdistis repented and saw to it that the body of Attis should neither rot at all nor decay.

Joseph Campbell (Die Masken Gottes, Bd. 3: Mythologie des Westens) berichtet, daß die Römer im Jahre 204, während einer Krise im Krieg gegen Hannibal, von der Sibylle aufgefordert worden seien, den Kult der Magna Mater bzw. Kybele, "die Mutter und Braut des immer wieder sterbenden und immer wieder auferstehenden Heilands Attis", in Rom einzuführen.
Campbell identifiziert dieses Paar mit Inanna & Dumuzi bzw. Ischtar & Tammuz.

Achtung! Da ist Tammuz wieder!

Ja, da ist er wieder, der Tammuz. Aber von dem weiß ich auch so gut wie nichts.
Da alle Noten nunmehr unter Dach & Fach sind, kann ich gut mal ein Studierwochenende einlegen.

Endlich habe ich einen seriösen Treffer gelandet:

Mircea Eliade: Geschichte der religiösen Ideen. Band 2: Von Gautama Buddha bis zu den Anfängen des Christentums. Freiburg/Basel/Wien 1979; S. 245-249: Attis und Kybele.

Dort wird noch Herodot I 34 f. als Belegstelle genannt. Aber Pausanias ist schon die wichtigste antike Informationsquelle.

Übrigens: Mircea Eliade - ein empfehlens-, d.h. lesenswerter Religionswissenschaftler und -historiker.

Habe ich in einem Literaturverzeichnis gefunden - aber nicht selber gelesen:

S. HÄNSEL, „Transsexualität“ in der Antike? Über den Geschlechtswechsel bei Ovid und Diodorus von Sizilien, in: Sexualität, Medizin und Moralvorstellungen in der Antike. Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien. Bulletin 31, 2006, 20-34.

Das ist ein interessanter, aber schwer zu erreichender Text. Allerdings dürfte darin über Attis & Kybele nichts stehen, denn die tauchen weder bei Ovid noch bei Diodorus Siculus auf.
Jedenfalls scheint der Kybele-Attis-Mythos ein weiterer Beleg für das Konzept des Geschlechterwechsels in der Antike zu sein.

Gar nicht wahr! Diodor berichtet in III, 58 f. den Mythos von Attis und Kybele.
Den hatten wir ja bisher noch gar nicht auf der Rechnung.

Jetzt weiß ich auch, wie man diese Gottheit im Griechischen schreibt: Κυβέλη - μήτηρ Ὀρείας.