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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Zum Verständnis der attischen Tragödie (264 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 18.12.2011 um 13:00 Uhr (Zitieren)
Bei Aischylos ist die göttliche Weltordnung gut und für den Menschen vernünftig einsehbar. Der Mensch ist zudem eingefügt in die Gesellschaft und die Reihe der Vorfahren. Tragik entsteht durch verbrecherische, hybride Auflehnung gegen die gerechte Weltordnung. Diese ὕβρις gilt es zu vermeiden durch Einsicht in die beschränkte, abgemessene Stellung des Menschen im Kosmos (γνῶθι σαὐτόν). Wird diese Einsicht gewonnen, dann wird auch das Schicksal des Menschen versöhnt („Der befreite Prometheus“). Wo ein Konflikt durch einen Gegensatz in der göttlich gestifteten Rechtsordnung auftritt („Die Orestie“: Vaterrecht vs. Mutterrecht), versöhnt ihn ein Gott; jedoch kündigt sich hier bereits die Situation an, von der Sophokles ausgeht.
Auch bei Sophokles ist der göttliche Wille gut; aber er ist für den Menschen nicht mehr völlig einsehbar und vollziehbar. Die Tragik erhält so den Charakter einer unverschuldet verschuldeten Handlung aus Unwissenheit und Schwäche. Selbst der Versuch, am göttlichen Willen zu manipulieren, wird unternommen. Der Mensch wird stärker als Einzelner gesehen, der mit einem Schicksal kämpft. Tendenz: Aus der Weltordnung wird ein Wille der Götter, die Einsicht des Menschen fragwürdig, Göttliches und Menschliches treten auseinander.
Bei Euripides schließlich wird der göttliche Wille willkürlich und sinnlos. Die Herrschaft der Götter ist keine sinnvolle Naturordnung mehr, sondern derart beliebig, daß die göttliche Identität in Frage gestellt werden muß. Tragik entsteht durch weitgehend schuldlose Verstrickung. Die Götter haben den Charakter der Gerechtigkeit eingebüßt, statt dessen tritt der anarchische Dionysos wieder auf. Daß in den „Bakchen“ Dionysos das Elend und die Strafe des Pentheus auch auf Agaue ausdehnt, zeigt, daß die Macht des Unvernünftigen, Irrationalen selbst durch die Begriffe Recht und Unrecht nicht einzuschränken ist. Euripides weist mithin (1) auf die Macht des Unvernünftigen gegenüber dem totalen Anspruch der Vernunft und (2) auf die Willkür dieser Macht bis hin zum Leiden des Gerechten hin. Beides sind typisch euripideische Züge der Tragödie.

Drei große Entwürfe zu einem Weltverständnis, jeder in seiner Weise berechtigt. Können sie miteinander versöhnt werden?
 
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