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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Das Prinzip des Nicht-Gewussten (1025 Aufrufe)
Νησσάριον schrieb am 15.02.2012 um 21:02 Uhr (Zitieren)
Γραικίσκος schrieb am 07.12.2011 um 21:21 Uhr:
Ich schaue einfach, welche Reaktionen kommen. Das mache ich gerne: Steinchen ins Wasser werfen und den Wellen zuschauen.


Frei nach diesem Γραικίσκος-Wort werfe ich mal diesen Text in die Runde:

http://www.schattenreigen.de/schattenlog/?p=1889

Ich weiß nicht, was ich an Reaktionen erwarte. Vielleicht erwarte ich auch gar nichts. Es beschäftigt mich nur gerade. Vielleicht, weil ich vor der endgültigen Entscheidung stehe, mein Studium abzubrechen. Eigentlich habe ich ja schon entschieden. Aber irgendwie auch wieder nicht. Vielleicht wissen es alle anderen schon, nur ich noch nicht. Und meine Eltern. Vielleicht ist es gut so. Vielleicht würde es mir wirklich gut tun, mir weniger den Kopf darüber zu zerbrechen, welchen Sinn es hat, immer mehr Wissen anzuhäufen, das keinen praktischen Nutzen (für mich) hat. Vielleicht das alles irgendwie ein bisschen, vielleicht auch nicht. Wer weiß das schon?
Re: Das Prinzip des Nicht-Gewussten
Βοηθός Ἑλληνικός schrieb am 15.02.2012 um 23:28 Uhr (Zitieren)
Bei der Entscheidung dein Studium abzubrechen, wird dir hier keiner einen Ratschlag geben können, auch nicht dieser Text. Was gibt dir persönlich Latein und Griechisch? Denn lernen musst du als Studentin immer, die Erfahrung kommt erst nach Jahren. Das gilt für jedes Studienfach. Du musst ein Ziel haben. Auf und Ab' s wird' s im Studium immer geben.
Re: Das Prinzip des Nicht-Gewussten
Νησσάριον schrieb am 16.02.2012 um 00:32 Uhr (Zitieren)
Hallo :)

Ja, ich weiß. ich glaube, ich bin auch nicht direkt auf der Suche nach Rat. Ich denke wohl einfach laut.

Was gibt mir Latein und Griechisch? Die Freude, nach langem "Knobeln" endlich einen langen, komplizierten Satz verstanden zu haben und sagen zu können, dass ich das geschafft habe. Es macht einfach Spaß, Horaz zu lesen. Oder Catull. Ich mag es, mich mit Metrik zu beschäftigen. Oder mit mittellateinischer rhythmischer Dichtung. Es ist faszinierend, Etymologien zu entdecken, zu sehen, wie die indogermanischen Sprachen zusammenhängen. Aber ich fühle mich an der Uni einfach "fehl am Platz"...

Das soll keine Rechtfertigung für irgendetwas sein, sondern einfach nur Gedanken...

Das alles steht in einem noch viel größeren Zusammenhang. Ich sollte mir nicht anmaßen, über die Sinnhaftigkeit bestimmter Berufe zu urteilen. Was man für sinnvoll erachtet, ist ja bei jedem anders. Lehrer z.B. (sofern die Ansprüche an den eigenen Unterricht sich nicht vollständig an den engen Grenzen der Lehrpläne orientieren - ich hatte hatte einige wirklich gute LehrerInnen, deren Anliegen es war, uns dazu zu bringen, selbstständig zu denken und Dinge nicht einfach so hinzunehmen, sondern auch zu hinterfragen) oder Arzt (wenn man es nicht nur macht, um große Karriere zu machen, gut zu verdienen etc.) sind für mich "sinnvolle" Berufe, mit denen man den Menschen helfen kann und etwas Nützliches für die Gesellschaft tun kann. Nun habe ich ja gemerkt, dass der Lehrerberuf nichts für mich ist. Und zum Mediziner fehlen mir Begabung, naturwissenschaftliches Verständnis und Fleiß. Sicherlich gibt es noch mehr, aber das sind die ersten beiden, die mir einfallen. Und was kann schon ein Indogermanist/Latinist bewirken? Ich weiß, das klingt anmaßend. So ist es nicht gemeint. Aber wenn ich schon (erstmal) nichts machen kann, was direkt auf die eine oder andere Weise Menschen hilft, dann doch zumindest etwas, was mich ein Stück weit unabhängig macht. Ich bin kein großer Freund des Kapitalismus, aber leider gibt es ja keine praxistaugliche Alternative. Für Modelle, die nicht auf Konkurrenzdenken beruhen, sind wir Menschen einfach zu egoistisch, glaube ich. Das sehe ich schon an mir selbst, auch wenn es mich stört. Aber trotzdem will ich mich, soweit das möglich ist, aus diesem "System" ausklinken. Meine Gedanken gehen in Richtung Selbstversorger. Ich will mir nicht mühselig Geld verdienen, um es dann dafür auszugeben, dass die, die sowieso schon reich sind, sich auf Kosten anderer bereichern. (Ausbeutung von Arbeitern...) Natürlich kann man den Anspruch haben, dann eben nur noch "fair gehandelte" Waren zu kaufen - Kleidung, Lebensmittel usw. Aber das ist nahezu unmöglich.

Was man hingegen selbst produziert, dessen Herkunft kennt man auch. Ich gehe da wahrscheinlich insgesamt ein ganzes Stück zu naiv und idealistisch heran - das mag am Alter liegen -, aber ich weiß von Leuten, die genau das "geschafft" haben. Die z.B. nahezu kein Geld ausgeben (und auch keins verdienen) und trotzdem gut leben. Und das nicht durch kriminelle Aktivitäten. Da will ich irgendwann hin. Der Weg ist noch unklar, aber das Ziel steht fest. Und im Moment arbeite ich daran, meinen persönlichen Weg dahin zu finden.

Um wieder die Kurve zum Ausgangsgedanken zu bekommen... Was gibt mir Zufriedenheit und das Gefühl, das zu tun, was ich (in meiner Situation und für mich persönlich) für das Richtige halte? Damit steht und fällt alles. Statt akademischer Karriere (und darauf läuft ein Indogermanistikstudium tendenziell hinaus) lieber ein einfaches, aber dafür glückliches Leben.

Entschuldige das Geschwafel. Ich kann mich nicht kurz fassen. Und im die Uhrzeit kann ich auch nicht garantieren, dass das Geschriebene Sinn ergibt.
Re: Das Prinzip des Nicht-Gewussten
Σαπφώ schrieb am 16.02.2012 um 00:58 Uhr (Zitieren)
Falls du ein wenig moralische Unterstützung brauchst, schau mal bei uns vorbei: http://www.thestudentroom.co.uk/showthread.php?t=1574827

Wir schaffen es immer wieder, uns gegenseitig durch unsere Studienkrisen zu befördern. Es ist erstaunlich, wie ähnlich die Gedanken sind, die sich Lateinstudenten auf der ganzen Welt machen. Ich will gar nicht wissen, wie oft ich schon gedacht habe "Was MACHE ich hier eigentlich??? Wozu? Ist doch alles so sinnlos, was man nicht alles mit seiner Zeit anfangen könnte!"

Aber wenn ich mir dann vorstelle, ich würde niemals wieder eine Zeile Cicero lesen und mich über seine Argumentation kaputtlachen, oder über Catulls 84. Gedicht, oder nie wieder von antiken Gedichten im Original zu Tränen gerührt werden, dann weiß ich, dass ich nicht ohne kann.

Es ist alles verdammt anstrengend, und ich glaube, jeder kommt sich oft genug fehl am Platze vor. Die Frage ist, gibt es einen besseren Platz? Ich denke nicht, dass es so einen für mich gibt, vielleicht gibt es einen für dich.

Nur so ein paar Gedanken.
Re: Das Prinzip des Nicht-Gewussten
Νησσάριον schrieb am 16.02.2012 um 01:56 Uhr (Zitieren)
Hallo Sappho :)

o.O Jetzt hab ich gerade mal in dem von dir verlinkten Thread rumgelesen, und schon wollte ich dir hier auf Englisch antworten. Passiert dir das eigentlich auch gelegentlich, wass du die Sprachen durcheinanderwürfelst? Ich hab eine Freundin, die öfter mal mitten im Satz vom Deutschen ins Englische wechselt (andersrum aber nicht), ohne es zu bemerken. Und mir passiert das auch gelegentlich...

Anyway...

Aber wenn ich mir dann vorstelle, ich würde niemals wieder eine Zeile Cicero lesen und mich über seine Argumentation kaputtlachen, oder über Catulls 84. Gedicht, oder nie wieder von antiken Gedichten im Original zu Tränen gerührt werden, dann weiß ich, dass ich nicht ohne kann.


Das kenne ich durchaus. Aber wenn ich jetzt aufhöre zu studieren, heißt das ja nicht, dass ich mich nicht weiterhin zum Privatvergnügen der Lektüre antiker Originaltexte hingeben könne.

Die Frage ist, gibt es einen besseren Platz? Ich denke nicht, dass es so einen für mich gibt, vielleicht gibt es einen für dich.


Wenn es für dich keinen besseren Platz gibt, dann machst du ja alles richtig. Und das freut mich für dich. (Keine Höflichkeitsfloskel oder sowas, sondern ernst gemeint!) Aber ich glaube, dass es für mich durchaus einen besseren Platz gibt, bzw. ich bin gerade dabei, das für mich herauszufinden. Das Sommersemester über bin ich definitiv noch an der Uni, weil ich jetzt für ein halbes Jahr eine Stelle als studentische Hilfskraft habe. Aber danach... Freiheit. (Was auch immer das eigentlich sein mag.^^) Mich zieht's nach draußen... Ich muss gerade an den Osterspaziergang denken...

Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
Aus der Straßen quetschender Enge,
Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
Sind sie alle ans Licht gebracht.


Ich danke dir für deine Gedanken! :)
Re: Das Prinzip des Nicht-Gewussten
Γραικίσκος schrieb am 16.02.2012 um 15:51 Uhr (Zitieren)
Das Studium abzubrechen ist eine der beinahe unwiderruflichen Entscheidungen, die wohlbedacht sein wollen.
Zweifel am Sinn dessen, was man tut, sind für einen Menschen, der nicht geradezu dogmatisch versteinert ist, nahezu obligatorisch, meist aber auch vorübergehend. Ernst wird es damit, wenn man durch reifliche Überlegung einen [i]besseren[i] Weg für sich gefunden hat.
Fluchtgedanken haben selten diese Qualität.

Für die Prüfung der Idee eines einfachen, natürlichen Lebens empfehle ich
1. die Lektüre von
Henry D. Thoreau: Walden oder Hüttenleben im Walde,
2. einen zeitlich begrenzten Versuch, z.B. eine Ferienreise nach Alaska. (Eine Freundin hat das getan und hat Freunde dort, die das seit Jahren praktizieren: Es ist sehr, sehr hart.)
Re: Das Prinzip des Nicht-Gewussten
Graecum ad acta schrieb am 16.02.2012 um 16:05 Uhr (Zitieren)
Exil und Hüttenleben sind wahrscheinlich nicht die einzigen Alternativen zum Studium.
Wichtig ist auch, pragmatisch zu bleiben.
Z.B. spielt es eine große Rolle, wie viel noch bis zum Abschluss fehlt- ein Semester oder gar fünf?
Auch mit einem Lehramtsabschluss kann man andere Dinge machen, aber man hat es halt in der Tasche und nicht weggeworfen.
Wie schätzt du deine Fähigkeiten ein?
Kannst du den Abschluss schaffen oder nciht?
Re: Das Prinzip des Nicht-Gewussten
Graecum ad acta schrieb am 16.02.2012 um 16:06 Uhr (Zitieren)
es gibt ja auch Urlaubssemester, um sich auszutesten, oder?
Ein Praktikum in neuer Richtung?
Re: Das Prinzip des Nicht-Gewussten
Νησσάριον schrieb am 17.02.2012 um 08:34 Uhr (Zitieren)
Hallo Γραικίσκος,

vielen Dank für den Hinweis auf Thoreau, meine Wochenendelektüre steht damit fest!

Ich habe übrigens passenderweise erst neulich davon erfahren, dass es in Umfeld tatsächlich ernsthafte Bestrebungen gibt, ein (nahezu) autarkes Dorf zu gründen. Mit diesen Leuten werde ich mich auf jeden Fall in Verbindung setzen. Eine Ferienreise nach Alaska o.Ä. bringt halt immer einen großen finanziellen Aufwand mit sich, den ich mir im Moment nicht leisten kann. Spätestens am Ende eines Monats ist bei mir das Konto leer. Aber na ja... das ist eine andere Geschichte. Ja, es gäbe sicherlich Möglichkeiten, und ich werde mich auch umschauen, sobald ich meine HiWi-Stunden für diesen Monat abgearbeitet habe und den Kopf wieder frei habe.


Hallo Graecum ad acta, (schreibst du hier sonst unter einem anderen Namen?)

es fehlen mir laut Regelstudienzeit noch drei Semester bis zum Bachelor. Realistischer ist es jedoch, dass ich noch fünf Semester brauche, weil ich zwischendurch gewechselt habe. Und dann hätte ich 'nen Bachelor, mit dem man ohne Master auch nciht so recht was anfangen kann. Also nochmal zwei Jahre, und die würde ich, wenn ich diese ganze BAFöG-Gesetzgebung richtig verstanden habe, nicht mal bezahlt bekommen. Aber selbst wenn...

Nun ja, das Kapitel Lehramt habe ich schon abgeschlossen, und selbst das war für meine Mutter schon eine Katastrophe (sichere Berufsperspektive weggeworfen blabla)...

Was meine Fähigkeiten betrifft... Lateinkenntnisse sind in ausreichendem Umfang vorhanden, Griechischkenntnisse könnten es auch sein, wenn ich den Graecumskurs dieses Semester aus Motivationsmangel nicht hätte schleifen lassen. Aber das ist ja nur ein bruchteil von dem, was verlangt wird. Vor allem in der Indogermanistik habe ich gemerkt, dass ich einige Dinge zwar recht interessant finde, aber dass mir wissenschaftliches Arbeiten an sich überhaupt nicht liegt. Ich steh schon immer kurz vorm nächsten Wutanfall, wenn wieder irgendein Dozent (und das betrifft auch die Latinistik) ankommt und was von wissenschaftlichem Arbeiten in Hausarbeiten erzählt. Und das ist ein Anspruch, dem die wenigsten genügen, wenn ich mir die Notenlisten so anschaue.

Kann ich den Abschluss schaffen? Das ist eine gute Frage. Was das Fachliche betrifft, würde ich es sicher irgendwie schaffen, wenn ich mich reinhänge. So wie ich irgendwie mein Abitur geschafft habe. Aber das war schon hart an meiner Belastungsgrenze. Und das Studium ist ja doch nochmal was anderes als "nur" Abitur. Ich bekomme gelegentlich zu hören, ich solle doch endlich mal was durchziehen. Aber wenn ich sicher bin, dass DAS nicht das ist, womit ich perspektivisch einen Großteil meines Lebens zubringen will? Es gibt so viele Bereiche, die ich mir eher vorstellen kann, als das, was ich im Moment mache. Und meine Arbeit als studentische Hilfskraft bestätigt das nur.

Mit der Option Urlaubssemester habe ich mich auch schon beschäftigt. Aber das ist in dem achsotollen Studium, wie es jetzt organisiert ist, nicht vorgesehen, außer wenn es sich um studienrelevante Tätigkeiten handelt.

Mein erster Schritt ist ein unbezahltes Praktikum bei einem Biogemüsebauern hier in der Nähe, den ich kenne. Als Nächstes werde ich mir dann den Garten meiner Großeltern vornehmen. Da findet sich sicher was.
Re: Das Prinzip des Nicht-Gewussten
Βοηθός Ἑλληνικός schrieb am 17.02.2012 um 10:06 Uhr (Zitieren)
Hallo Νησσάριον,
Wenn dir das Studium wirklich nicht liegt, dann ist es besser m.E. frühzeitig aufzuhören als zu lange zu warten. Eine solche Entscheidung mit dieser Tragweite muß wohl überlegt sein, aber du hast ja jetzt Semesterferien, Zeit zu überlegen.Du mußt halt eine angemessene Alternative für dich finden.
Latein, Griechisch muß man auch nicht studieren, man kann es auch als interessantes Hobby betreiben, so wie ich das seit Jahren mache und auch zu hoher Qualität bringen, manchmal besser als die, die Latein studieren, da man keinen Druck hat. Ich war nach dem Abitur auch mit der Frage beschäftigt Latein zu studieren, gerade nach LK Latein, und da ich Latein immer sehr gerne gemacht habe und mich für Antike interessierte. Aber: Ich wollte kein Lehrer werden und ich wollte nicht auf der Uni mit mäßigen Einstellchancen versauern. Da ich immer gerne mit vielen Menschen zu tun haben wollte und auch schon nebenbei im Rettungsdienst tätig war, habe ich Medizin studiert und bin heute froh drum. Latein und Griechisch, die Antike habe ich mir als Hobby erhalten.
Dann viel Glück auf deinem weiteren Lebensweg!
Re: Das Prinzip des Nicht-Gewussten
Νησσάριον schrieb am 17.02.2012 um 10:44 Uhr (Zitieren)
Hallo Βοηθός Ἑλληνικός,

ich danke dir für die ermutigenden Worte! Ich werde jetzt die Semesterferien auf jeden Fall nutzen, um mir ganz darüber klar zu werden, wie ich nun die Vorstellungen in die Realität umsetze, die ich habe.

Ich würde auch richtig gern "was Soziales" machen... Aber ich habe zu viel Angst vor dem Umgang mit (mir fremden) Menschen... Trotzdem kann ich mir selbst einen sozialen Beruf eher noch vorstellen als eine akademische Karriere.
Re: Das Prinzip des Nicht-Gewussten
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 17.02.2012 um 12:47 Uhr (Zitieren)
Νησσάριον, χαῖρε !

Meinen ersten Beitrag hat der Daimon neulich nachts verschlungen, es war schon so spät, daß ich nicht noch einmal angesetzt habe. Inzwischen erkenne ich anhand der, v. a. Deiner, weiteren Beiträge , daß es wohl ein guter Daimon war ...

Deine Gedanken über Dich und Deine Situation sind alles andere als Geschwafel, noch entspringen sie einer momentanen Anwandlung, sie zeigen vielmehr große Aufrichtigkeit mit Dir selbst, brava! Und viel Mut gehört auch dazu, so eine große Entscheidung anzugehen - noch einmal, brava!

Mein Eindruck aus allem, was Du hier geschrieben hast, ist: Νησσάριον braucht/sucht einen (Lebens-/Wirkungs)Kreis, der sie als Menschen fordert, aber nicht, z. B. durch Übergröße des Kreises, Auswechselbarkeit der Personen o. ä, überfordert, eine Tätigkeit, bei der sie zupacken und unmittelbar die Wirkungen ihres Tuns erfahren kann, in einem Umfeld, das ihr die Eigenverantwortlichkeit nicht nimmt, sie aber auch nicht allein läßt.
Das 'autarke' Dorf, vor allem aber der letzte Absatz Deines Beitrag von 10:44 haben mich spontan an etwas denken lassen, was Dir vielleicht abseitig erscheinen mag, aber vielleicht eine Richtung sein könnte: eine Mitarbeit bei SOS-Kinderdorf, in welchem Bereich auch immer. Hier ist ein Link für eine erste Information http://www.sos-fachportal.de/mitarbeit/%3bjsessionid=4C4B1DA67454CD51CAD0CB9A5085BB49
Mißverstehe mich bitte nicht, ich möchte Dir in keiner Weise eine Idee aufschwatzen, aber verschweigen wollte ich sie auch nicht.

Ich wünsche Dir auf jeden Fall klaren Kopf und ruhiges, festes Herz beim Nachdenken und bei der Entscheidung über Deine Zukunft und das Ziel Deines Lebens!

P.S.: Nein, ich habe (bis auf gelegentliche Spenden) keinerlei Beziehung zu dem Unternehmen.
Re: Das Prinzip des Nicht-Gewussten
Νησσάριον schrieb am 17.02.2012 um 13:46 Uhr (Zitieren)
Hallo στρουθίον οἰκιακόν,

ich danke dir für den Hinweis auf die SOS-Kinderdörfer! Ich finde die Idee in keinster Weise abwegig! Ich arbeite unwahrscheinlich gern mit Kindern und Jugendlichen. Das war auch einer der Gründe, die zunächst für ein Lehramtsstudium sprachen... Aber das war's ja dann doch nicht. Aber ich habe bis heute engen Kontakt zu vielen jüngeren Schülern meiner ehem. Schule und arbeite regelmäßig mit zwei Sozialarbeiterinnen bei verschiedenen Projekten zusammen. Das ist auf jeden Fall eine Richtung, in die ich auch weiterdenken werde!

Nochmals vielen leiben Dank!
Re: Das Prinzip des Nicht-Gewussten
Graecum ad acta schrieb am 17.02.2012 um 13:54 Uhr (Zitieren)
bin über das Latein-Forum auf diese Seite gestoßen,
weißt du,
du hast dich ja schon entschieden, und sammelst nur noch Mut, den Schritt zu gehen.

Aber du scheinst ja nicht glücklich zu werden mit dem Studium.

und was deine Mutter betrifft ...
für sie ist es natürlich schwer,
aber sie muss dich
so nehmen, wie du bist,
mit all deinen
Lebensentscheidungen.
Lebensläufe sind heute nicht mehr geradlingig, und besonders durch die vielen Freiheiten, die unsere Generation hat, wissen wir oft nicht wohinmit uns.
und uns kann das auch keiner abnehmen.
Kopf hoch!
dimidium facti qui coepit habet! (Horaz)
Re: Das Prinzip des Nicht-Gewussten
Νησσάριον schrieb am 17.02.2012 um 13:59 Uhr (Zitieren)
Hallo nochmal,

du hast dich ja schon entschieden, und sammelst nur noch Mut, den Schritt zu gehen.


Ich glaube, das bringt es ganz gut auf den Punkt.

Danke für die Ermutigung!
Re: Das Prinzip des Nicht-Gewussten
Sappho schrieb am 18.02.2012 um 16:46 Uhr (Zitieren)
Auf die Gefahr hin, mich hier unbeliebt zu machen: Bin ich die einzige, der die Entwicklung dieses Gesprächs Unbehagen bereitet?
Νησσάριον, ehrlich gesagt würde ich mir das ganze doch noch etwas mehr überlegen als hier so allgemein geraten wird. Ich meine das nicht böse (ihr wisst ja, dass ich dieses Forum und damit auch die Leute, die es zu dem machen, was es ist, sehr schätze), aber ich bin mir nicht sicher, ob die Allgemeinheit hier so qualifiziert oder geeignet ist, dir Ratschläge zu erteilen. Selbstverständlich schließt das mich mit ein, und in mancher Hinsicht bin ich wohl weniger geeignet als andere, in anderer aber behaupte ich doch, etwas näher "dran" zu sein.

Zugegeben, ich lebe nun in einem Land, in dem ein Studium viel häufiger als in Deutschland allgemein berufsqualifizierend ausgefasst wird: Es ist durchaus legitim, für eine Karriere in Recht oder Öffentlichkeitsarbeit etc etc zunächst einmal Classics (oder irgendetwas anderes) zu studieren, um berufsrelevante Fähigkeiten, skills, zu erlernen: Analysefähigkeiten, Fähigkeite, sich in fremden Kulturen zurechtzufinden, einen langen Atem, Genauigkeit, Kreativität, einen guten Ausdruck... Das ist nun in Deutschland ein wenig anders, aber umgekehrt wird ein nicht abgeschlossenes Studium (oder zwei) nicht gerade gern gesehen. Es zeugt nun einmal von mangelndem Durchhaltevermögen, Entscheidungsunfähigkeit und Launenhaftigkeit.

Dem mag man nun entgegensetzen, dass du dich ja für ein Leben jenseits der Arbeitswelt entscheiden willst. Wie gut du dir das überlegt hast, kann ich natürlich nicht beurteilen, schließlich kennen wir uns nicht wirklich. Aber ich kenne dafür ziemlich viele andere Leute, denen es (nach meinem Ermessen) sehr oft ähnlich zumute ist, mich eingeschlossen (!). Latein und Griechisch sind (wie wohl die meisten Fächer...) eine Herausforderung, die einen gern aus der Puste bringen. Ich sitze ständig über meinen Elegien, frage mich WARUM und male mir aus, was ich gerade alles wunderbares tun könnte. Mit je mehr Menschen ich spreche, umso eher habe ich das Gefühl, dass es jedem so gehen muss, häufiger als man denkt.

Nun mag man sich denken, wenn es allen so geht, nun ja, dann haben sie halt Pech gehabt, wenn sie meinen, sie müssten sich unglücklich machen. Gerade da bin ich mir nun nicht so sicher. Obwohl ich zig Leute kenne, die sehr häufig zweifeln, kenne ich niemanden, der sein philologisches Studium bereut. Du sagst selbst, dass es dir Spaß macht, nach langem Tüfteln herausgefunden zu haben, was ein Satz bedeutet. So geht es einem doch nicht nur bei Sätzen, sondern bei einer jeden Prüfung, die man übersteht, und letzten Endes doch auch mit dem Studium in seiner Gesamtheit.

Noch einmal zurück zur Abkehr von der Arbeitswelt. Viele scheinen ja hier der Meinung zu sein, das sei eine glänzende Alternative. Aber die meisten Forumsschreiber sind ältere Herrschaften, deren Existenz hervorragend abgesichert ist. Sie hängen vielleicht auch noch etwas ihrer Jugendlichkeit hinterher, und der Möglichkeit, ihrem Leben noch einmal eine ganz neue Wendung zu geben, sich von allen Zwängen frei zu machen, unabhängig zu sein. Aber wie realistisch ist das? Es gibt Möglichkeiten, wie wir oben gesehen haben, ja. Aber wie steht es um die Chancen, da wieder rauszukommen? Gerage in Phasen von großer Unsicherheit kann ich nur von Entscheidungen mit großer Tragweite abraten, insbesondere vor der Konsultierung eigentlicher Experten. Was soll denn werden, wenn du nach ein paar Jahren keine Lust mehr auf Hippie hast? Dann stehst du da, und musst dir einen Job suchen, der so gar nicht das ist, was du dir im Entferntesten einmal vorgestellt hast. Willst du dir nicht die Möglichkeit offen halten, einmal eine Familie zu gründen? Auch die braucht eine gesicherte Existenz.

Natürlich kann man in Deutschland auch von Hartz IV leben, aber ich unterstelle mal, dass dir das nicht so ganz schmeckt. Aber mal ganz ehrlich, wenn du nun keine Familie gründest, wie willst du dann, ohne jemals an der "Gesellschaft" teilgenommen zu haben, im Alter leben? Dann wirst du wohl auf den Sozialstast angewiesen sein.
Was ich damit sagen will, ist: Utopien sind ja schön und gut, aber (deswegen heißen sie so) nicht ohne weiteres praktikabel.

Wenn du Alternativen hast, die Hand und Fuß haben, die dir sicher (!) zur Verfügung stehen, die dir auch eine Zukunftsperspektive bieten, und die Möglichkeit, auch wieder auszusteigen, um etwas Neues zu machen, dann kannst du das vielleicht ernsthaft in Erwägung ziehen. Aber wenn das nicht der Fall ist, dann will ich dir ehrlich davon abraten. Du scheinst gerne deinem Leben eine neue Richtung zu geben, und das ist in Ordnung. Aber dann hast du dir selbst gegenüber auch die Verpflichtung, dir solche Möglichkeiten, andere Wege einzuschlagen, offen zu halten.

Bitte triff keine Entscheidungen, die auch nur den Anschein erwecken, übereilt zu sein. Gib dir keine Chance, dir später selbst böse sein zu können. Ich möchte sagen, quäl dich nicht, jedoch ist die Grenze zwischen Quälerei und Disziplin oft nicht sehr markant. Jeder Mensch freut sich, wenn er zufrieden zurückblicken kann, wenner stolz sein kann auf das, was er sich bitter erkämpft hat. Es ist deine Entscheidung, und es ist dein Leben. Carpe diem und mixe den Wein, aber berausch dich nicht zu sehr mit verlockenden Gedanken.
Re: Das Prinzip des Nicht-Gewussten
Βοηθός Ἑλληνικός schrieb am 18.02.2012 um 17:08 Uhr (Zitieren)
Auf die Gefahr hin, mich hier unbeliebt zu machen: Bin ich die einzige, der die Entwicklung dieses Gesprächs Unbehagen bereitet?


Unbehagen? Kann ich nicht sagen. Νησσάριον ist doch ein eigenständiger Mensch, der selbst entscheiden kann. Ich sehe das als Sammeln von Argumenten an. Sie wird ja nicht nach dem Forum entscheiden.
Ich kenne einige Leute, die ein Studium begonnen haben und in den ersten Semestern abgebrochen haben und einen anderen gewählt haben und heute zufrieden sind. Man kann sich auch ja mal irren. Man muß halt ein Lebensziel für sich entwickeln, das Sinn macht.
Aber die meisten Forumsschreiber sind ältere Herrschaften...

Na, na,na ...so alt bin ich z.B. auch nicht. :-))

Re: Das Prinzip des Nicht-Gewussten
Βοηθός Ἑλληνικός schrieb am 18.02.2012 um 17:10 Uhr (Zitieren)
*....und einen anderen Lebensweg....
Re: Das Prinzip des Nicht-Gewussten
Sappho schrieb am 18.02.2012 um 18:07 Uhr (Zitieren)
Dennoch gehörst du zur Generation unserer Eltern.

Ich sage ja nicht, dass man einen Weg stur verfolgen soll. Aber ich sage, dass man ihn NUR verlassen soll, wenn man sich GANZ sicher über angemessene Alternativen ist.

Das mit den Argumenten sehe ich ganz genau so. Deswegen argumentiere ich hauptsächlich in eine Richtung.

Und zum Thema "nur nach dem Forum entscheiden": Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich in der Vergangenheit so einige Male Entscheidungen aufgrund von relativ spontanen Ratschlägen getroffen habe. Menschen können zwischen Tür und Angel mehr Einfluss haben als sie denken.
Re: Das Prinzip des Nicht-Gewussten
ανδρεας schrieb am 18.02.2012 um 19:04 Uhr (Zitieren)
Ich hatte hier mal einen Beitrag der süddeutschen erwähnt:

"Bronnie Ware viele Jahre als Krankenschwester in der Palliativmedizin und -pflege gearbeitet. … sie hat auch Gemeinsamkeiten ausgemacht in dem, was Menschen bereuen, wenn sie auf dem Sterbebett liegen und die letzte große Revue passieren lassen. Fünf unerfüllbare Wünsche an die Vergangenheit hat sie besonders häufig gehört:
1. Ich wünschte, ich hätte den Mut aufgebracht, ein Leben getreu mir selbst zu führen – anstatt eines, das andere von mir erwarteten...."

Ich kann nur sagen, dass jeder das Recht hat, ein Leben getreu sich selbst zu führen. Irgendwann muss man sich entscheiden, was man wirklich will.
Das kann man nur alleine für sich heraus finden.
Niemand sollte für seine Eltern studieren. Die eigenen Neigungen und Stärken kann man übrigens auch mit einem Berufsberater oder Personalcoach prüfen. Philosophisch klärt sich das nicht.
Re: Das Prinzip des Nicht-Gewussten
Νησσάριον schrieb am 19.02.2012 um 19:15 Uhr (Zitieren)
Hallo Sappho,

du machst dich, zumindest aus meiner Sicht, in keinster Weise unbeliebt! Ich kann dein Unbehagen verstehen. Ich weiß es zu schätzen, dass du hier deine Bedenken äußerst, ja ich möchte dir ausdrücklich dafür danken.

Ihr hier im Forum seid bei weitem nicht die einzigen, mit denen ich zu dem Thema momentan im Gespräch bin. Und ich habe auch schon viele Ratschläge bekommen, die auch so ziemlich das gesamte Spektrum der Möglichkeiten abdecken - von regelrechter Begeisterung für meine Pläne, statt Uni was ganz anderes zu machen (mein bester Freund, meine Griechischdozentin (ironisch?), weitere gute Freunde, die mir schon seit Jahren immer wieder mit gutem Rat zur Seite gestanden haben, ...) bis hin zu starker Ablehnung (meine Oma, ein guter Freund - selbst Dozent an der Uni - von dem ich schon sehr oft guten Rat bekommen habe, eine gute Freundin, die für mich mittlerweile wie eine Mutter geworden ist, ...).

Dennoch gehörst du zur Generation unserer Eltern.

In meinem Umfeld sind es übrigens gerade die Leute dieser Generation, die mir von meinen Plänen abraten, und eher die Leute in unserem Alter, die meinen, ich soll machen, was ich für richtig halte.

Ich habe mich schon insofern "gezwungen", nichts zu überstürzen, dass ich mich nicht sofort exmatrikuliert habe, obwohl mir doch sehr danach zumute war. Sondern mich im Gegenteil nach langem Überlegen dazu entschieden habe, eine Stelle als studentische Hilfskraft anzunehmen und mich damit einigen meiner größten Ängste zu stellen: Der Angst, den Anforderungen nicht vollständig entsprechen zu können. Der Angst, Fehler zu machen. Der Angst, die ich davor habe, mit Menschen (von Angesicht zu Angesicht) zu kommunizieren.

Noch habe ich den Arbeitsvertrag (rückwirkend ab 1. Februar) nicht unterschrieben, das steht für die nächsten Tage auf dem Plan. Ich könnte mich immer noch davor drücken. Heute z.B. hab ich wieder ganz arge Panik davor bekommen, als ich an den Berg von Aufgaben gedacht habe, die ich da abarbeiten muss. Ich werde meinen ganzen Mut zusammennehmen und den Vertrag diese Woche unterschreiben, und damit bin ich dann bis Ende des Sommersemesters sowieso noch an die Uni gebunden. Und bis dahin kann sich ja noch Einiges ergeben.

Danke auch an Βοηθός Ἑλληνικός und ανδρεας für die weiteren Gedanken.
 
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