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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
In welcher Sprache über die Antike sprechen? (470 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 19.02.2012 um 13:27 Uhr (Zitieren)
Von Ernst Bloch ("Das Prinzip Hoffnung", Bd. 1, S. 74 ff.) beziehe ich die These, in die Bedeutung von Wörtern gehe stets der gesellschaftliche Kontext ein, innerhalb dessen sie gebraucht werden.
Dadurch gewinnt beispielsweise das Wort 'Fasten' [mein Beispiel] innerhalb einer schlankheits- und diätbesessenen Gesellschaft eine andere Bedeutung als in einer Kultur, für welche Fasten eine religiöse Bedeutung besitzt.

So weit, so klar. Begriffe sind unterschiedlich konnotiert.

Aber was folgt daraus, da dies doch für alle Begriffe gilt, die wir überhaupt zur Verfügung haben? Bedeutet dies nicht, daß wir Menschen anderer Kulturen gar nicht angemessen verstehen können, es sei denn, wir machen uns ihre Lebensform zu eigen, indem wir etwa jahrelang in Arabien leben? Dies aber ist uns ja für die Zeit der Antike unmöglich.
(Wittgenstein vertritt diesen Gedanken: Eine Sprache sprechen heißt, eine Lebensform praktizieren.)
Re: In welcher Sprache über die Antike sprechen?
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 19.02.2012 um 13:44 Uhr (Zitieren)
Bedeutet dies nicht, daß wir Menschen anderer Kulturen gar nicht angemessen verstehen können, es sei denn, wir machen uns ihre Lebensform zu eigen, indem wir etwa jahrelang in Arabien leben?


Genau dies bedeutet es. Und auch ein langes intensives Studium im Zustand des immersed-Seins garantiert noch kein hundertprozentigs Verständnis, weder in quantitativer noch in qualitativer Hinsicht.
Man kann eben nur sein Menschenmögliches tun.

Im Hinblick auf die Antike bedeutet das, den Kontext so gut wie möglich zu dokumentieren, um ihn dann auf die dahinter oder zugrundeliegenden Überzeugungen "abzutasten".
Und wenn wir dann, wie im Falle Diodors, in der glücklichen Lage sind, einen Komplex von vielen Seiten, auch mit herrschenden Anschauungen übermittelt vorzufinden, können wir versuchen, in diese Welt einzudringen. Ein Urteil wie 'Tierliebe' aber verstellt diesen Zugang von vornherein.
Re: In welcher Sprache über die Antike sprechen?
Γραικίσκος schrieb am 19.02.2012 um 13:45 Uhr (Zitieren)
Man muß, so scheint mir, bescheiden sein und sich bewußt machen, daß alles, was wir über die Antike sagen können, "im Grund der Herren eigner Geist" ist, "in dem die Zeiten sich bespiegeln".
Mit diesem Hinter-Sinn im Kopf werde ich freilich nicht davon absehen zu sagen, daß mich etwas an der Antike fasziniert oder abstößt.
Re: In welcher Sprache über die Antike sprechen?
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 19.02.2012 um 13:57 Uhr (Zitieren)
zu sagen, daß mich etwas an der Antike fasziniert oder abstößt.


Das sei Dir unbenommen, aber vielleicht hält Dich ja das Wissen davon, wie weit Gesichtskreise auseinanderliegen können, davon ab, apodiktische Äußerungen zu treffen oder gar Werturteile zu fällen.

Denn wenn uns tatsächlich die allgegenwärtige Gefahr,
daß alles, was wir über die Antike sagen können, '... der Herren eigner Geist" ist, "in dem die Zeiten sich bespiegeln".'

bewußt ist, dann werden wir gerade danach streben, alle Information der betreffenden Zeit innerhalb ihres Systems zu verstehen, mag uns das auch mal besser, mal schlechter gelingen.
Re: In welcher Sprache über die Antike sprechen?
Γραικίσκος schrieb am 19.02.2012 um 14:05 Uhr (Zitieren)
Ich verstehe schon, was Du mir sagen willst. Ich denke auch darüber nach ... und erhebe gewiß keine Einwände gegen Hinweise auf den Kontext.

Doch welches Werturteil (über mich auch) steckt in der Aufforderung, sich der Werturteile zu enthalten? Mir scheint, Du stellst das Verstehen als höchsten Wert auf und siehst, daß Werturteile die Möglichkeit (die ohnehin arg beschränkte Möglichkeit) des Verstehens behindern.
Es ist dies das Werturteil, das hinter der Wissenschaft steckt, nicht wahr? Du gehst an Fragen wissenschaftlich heran. Das ist freilich nicht die einzig mögliche Herangehensweise und - korrigiere mich, falls ich mich irre - eine in der Antike und in vielen anderen Kulturen nicht sehr verbreitete.
Ich zögere, mich ihr 'mit Haut und Haar' zu verschreiben.
Re: In welcher Sprache über die Antike sprechen?
διψαλέος schrieb am 19.02.2012 um 14:15 Uhr (Zitieren)
Re: In welcher Sprache über die Antike sprechen?
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 19.02.2012 um 14:16 Uhr (Zitieren)
Nur noch ganz kurz (ich muß 'op d'r Zoch):

Ich wende mich gegen Werturteile, die einer Zeit/Kultur mit ihr fremden Kategorien oder Maßstäben begegnen.

Nächstens mehr ...
Re: In welcher Sprache über die Antike sprechen?
Σαπφώ schrieb am 19.02.2012 um 14:27 Uhr (Zitieren)
Dem möchte ich hinzufügen, dass ich durchaus einen Sinn darin sehe, auf Deutsch/Englisch/etc. über die Antike zu sprechen, weil wir nur so antike Vorstellungen einigermaßen in unsere Denkwege einbetten können.

Wenn nun einer perfekt Latein und Griechisch spricht, und nachvollziehen kann, wie die Alten ticken, schön für ihn. Wenn alle Altertumswissenschaftler das auf einmal könnten, schön für uns (ja, ganz ambiziös rechne ich mich dazu). Aber Wissenschaft lebt von Kommunikation, und das heißt auch, Dinge in die Denkweise anderer einzubetten, dazu gehört, in der Lage zu sein, Mathematik oder Chemie oder Musik oder plastische Kunst oder Griechisch auf Deutsch zu umschreiben und wiederzugeben. Wissenschaft sollte doch Output haben, was schwierig wäre, wenn sie in einer Sprache vonstatten ginge, die außerhalb niemand versteht: Selbst für den Kreis derer innerhalb sollte doch gelten, nicht allein Fremdes nachzuvollziehen, sondern auch zu Schlussfolgerungen zu kommen, die zur Fortentwicklung der Gesellschaft beitragen. Das heißt, dass man an einem bestimmten Punkt den Kreis verlassen muss, und spätestens dann wird man auf Deutsch/Englisch/etc. kommunizieren müssen. Zudem lebt Fortentwicklung nicht allein von Eindenken in eine fremde Gesellschaft, sondern vom Reflektieren der eigenen Gesellschaft. Leute schicken ihre Kinder heute oft ins Ausland, nicht nur damit sie eine fremde Sprache erlernen oder perfektionieren, sondern auch, damit sie ihr Leben in der Heimat besser einschätzen können.
Re: In welcher Sprache über die Antike sprechen?
Σαπφώ schrieb am 19.02.2012 um 14:42 Uhr (Zitieren)
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 19.02.2012 um 14:16 Uhr:

Ich wende mich gegen Werturteile, die einer Zeit/Kultur mit ihr fremden Kategorien oder Maßstäben begegnen.


Natürlich bringt es nichts, zu sagen "Die Griechen waren schlechte Menschen, weil sie Sklaven hatten", geschenkt. Aber eine direkte Demokratie, an der nur diejenigen teilnehmen dürfen, die im Notfall auch den Staat verteidigen können, weil sie sich Waffen leisten können, das wäre doch mal eine Überlegung wert. Und warum bekommen Jugendliche keinen anständigen Unterricht in Rhetorik und Philosophie? Wieso gehen wir nicht einfach wie Athen hin und stürzen undemokratische Regime, wenn Demokratie doch offensichtlich am besten ist? Wozu noch die Queen? Sollten Frauen wirklich arbeiten? Und wo soll das eigentlich hinführen, wenn immer mehr Deutsche Ausländer heiraten und nur noch Mischlinge geboren werden? (Die Latinisten kennen die Antwort, in Sachen Integration waren die Römer verdammt gut)
Es geht doch mehr um Denkanstöße als Verurteilung!
Re: In welcher Sprache über die Antike sprechen?
Σαπφώ schrieb am 19.02.2012 um 14:42 Uhr (Zitieren)
PS: Vell Spass op em Zoch!
Re: In welcher Sprache über die Antike sprechen?
Γραικίσκος schrieb am 19.02.2012 um 14:45 Uhr (Zitieren)
Ich wende mich gegen Werturteile, die einer Zeit/Kultur mit ihr fremden Kategorien oder Maßstäben begegnen.

Ist dies nicht eine der Antike fremde Idee? Oder gibt es bei einem ihrer Autoren die Zielvorstellung, jeder Kultur nur im Rahmen ihrer eigenen Kategorien und Maßstäbe zu begegnen? Bei Herodot?

Nun, nächstens mehr. Der Karneval, eine mir - wiewohl Rheinländer - fremde Idee fordert sein Recht.
 
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