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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Kostantinopel bittet vergeblich um Hilfe (583 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 20.02.2012 um 13:51 Uhr (Zitieren)
Georgios Sphrantzes
(1401-1477/79)

CHRONICON MAIUS

[...] Wenn einer fragen sollte: Was hat denn der Kaiser [Konstantin XI. Palaiologos] in der Zeit der Belagerung gemacht, während der Sultan [Mehmed II. der Eroberer] sich zum Feldzug rüstete, und was haben die christlichen Fürsten der auswärtigen Länder getan, um uns zu helfen, so muß ich sagen: Nichts, wie man gesehen hat. Vielmehr hat sogar der Sultan zum Fürsten Georg von Serbien Botschaft gesandt, er möge den Frieden zwischen Ungarn und dem Sultan vermitteln. Dem türkischen Gesandten war ein christlicher Schreiber beigegeben worden – so hatten es einige vom Rate der Türken eingerichtet -, der sollte dem Fürsten raten, die Friedensverhandlungen hinauszuziehen; denn sobald der Frieden mit Ungarn zustande gekommen sei, werde der Sultan gegen Konstantinopel ins Feld ziehen. Aber er kehrte sich nicht daran und kümmerte sich nicht darum. Der Tor sah nicht ein, daß, wenn der Kopf abgehauen wird, auch die Glieder absterben.
Auch in Venedig saß man darüber zu Rate, ob man Hilfe leisten solle; da erhob sich Francesco Foscari, der damals Doge war, und sprach dagegen. Nicht aus mangelnder Einsicht in die Lage – denn es war das allgemeine Urteil der Leute, daß man einen klügeren Mann in ganz Italien nicht finden könne -, sondern aus Haß und Mißgunst. Gehässigkeit aber macht blind, selbst für den eigenen Vorteil . Es war aber die Ursache, daß seinerzeit durch Vermittlung des Aloisio Diedo ausgemacht worden war, mein seliger Kaiser, der damals nur Despot im Peloponnes war, solle die Tochter des Dogen zur Frau nehmen und reiche Mitgift erhalten. Mein kaiserlicher Herr war auf diesen Vorschlag nur eingegangen, um dadurch mit Venedig in einen engen Bund zu treten, und ich selbst und viele aus seinem Gefolge redeten ihm zu, und wir nötigten ihn beinahe, so daß es fast dazu gekommen wäre. Aber als er Kaiser wurde und nach Konstantinopel übersiedelte, stand ihm dieser Eheplan nicht mehr an; wie hätten auch die Herren und Damen von Konstantinopel sich dareinfinden können, die Tochter eines Venezianers zur Herrin und Fürstin zu haben, der zwar ein vornehmer Mann und Doge war – aber das ist doch nur ein auf Zeit verliehenes Amt -, und seine Söhne als Schwäger des Kaisers zu verehren. Der Doge kam zwar noch auf die Sache zurück, als mein Herr Kaiser geworden war, aber man wies ihn kurz ab. So wurde uns der Mann zum Feinde. Die Senatoren Aloisio Loredan und Antonio Diedo und viele andere sprachen umsonst und zeigten, daß es auch der Signorie zum größten Schaden gereichen müsse, wenn Konstantinopel fiele – gegen seinen Starrsinn erreichten sie nichts.
Auch die Römische Kirche verhandelte über die Hilfeleistung an uns. Der russische Kardinal [Isidor von Kiew] kam nach Konstantinopel, und ich mußte bei unserem ruhmreichen, seligen Kaiser Fürsprecher dafür sein, daß der Kardinal Patriarch von Konstantinopel werde. Wenn das geschähe, hieß es, würden sie dieses und jenes tun, um uns Hilfe zu leisten, er und der damalige Papst, wenn nur wieder (wie nach der Bestimmung der Konzils von Florenz) der Name des Papstes im Gottesdienst erwähnt würde. Man beriet viel und lange darüber, und der Kaiser entschied, von den zwei vorgeschlagenen Dingen könne das eine unmöglich geschehen (daß nämlich der Kardinal Patriarch werde), denn entweder müßten dann dem neuen Patriarchen alle gehorchen, oder es entstünde Zwist und Haß zwischen ihm und denen, die ihm ungehorsam wären. Und wenn in dieser Zeit zu der Gefahr von außen auch noch innere Zwietracht dazukäme, was wäre das für ein Unheil! Aber die Erwähnung des Papstes im Gottesdienst könne wohl geschehen, aus Hoffnung auf die versprochene Hilfe in unserer Not. Das solle aber nur in der Hagia Sophia geschehen – die anderen sollten damit in Ruhe gelassen und nicht zur Verantwortung gezogen werden [wenn sie den Papst nicht kommemorierten]. So waren am 12. Dezember (dem Tag des feierlichen Gottesdienstes in der Hagia Sophia, den [Patriarch] Isidor mit der Erwähnung des Papstes abhielt) sechs Monate vergangen, und man hatte so wenig daran gedacht, uns zu helfen, wie der Sultan von Kairo oder Ägypten. Aus Serbien hätte man auf vielen Wegen heimlich Geld schicken können, und auf andere Weise sogar auch Kriegsleute. Aber nichts geschah. Nicht einen Heller bekam man bei uns zu sehen. Aber zum Sultan haben sie viel Geld und viel Volks geschickt, während er die Stadt belagerte, so daß die Türken großtun konnten und auf sie zeigten: „Siehe, selbst die Serben sind gegen Euch.“ Wer von den christlichen Fürsten, sei es der Kaiser von Trapezunt, sei es der Fürst der Walachei oder der König der Iberer, hat uns auch nur ein Geldstück geschickt oder auch nur einen Mann zur Hilfe, offenbar oder insgeheim? Die Ungarn schickten zwar Gesandte zum Sultan, die sagen sollten: Wir haben Frieden unter der Bedingung mit Euch geschlossen, daß Ihr auch mit dem Kaiser [von Byzanz] Frieden haltet; wenn Ihr Euch nicht daran haltet, dann betrachten wir den Friedensschluß für ungültig. Die Gesandten kamen gerade in der Woche an, in der man sich zum Sturm auf die Stadt rüstete. Der Sultan und sein Rat zogen sie von Tag zu Tag mit freundlichen Worten hin. Das taten sie mit listiger Absicht, damit sie ihnen, wenn sie die Stadt eingenommen hätten, sagen könnten: „Ihr seht, wir haben sie eingenommen. Geht nach Hause und haltet es, wie Ihr wollt. Macht Krieg gegen uns oder haltet Frieden, nach Eurem Belieben“ – und so geschah es auch -; wenn sie aber die Stadt nicht einnehmen würden, wollten sie sagen: „Aus Rücksicht auf den Frieden, den wir mit Euch geschlossen haben, stehen wir ab vom weiteren Kampfe, und gemäß dem Abkommen ziehen wir fort.“ Und man sprach sogar davon, daß der Sultan gesagt haben solle: „Wenn ich jetzt nicht die Stadt einnehme, will ich Frieden schließen und ihn mein ganzes Leben lang halten.“
Was hat mein gottseliger Herr, der Kaiser, nicht alles getan, öffentlich und insgeheim, um seiner Stadt und seinem Reich Hilfe zu bringen, und vor allem zu seiner eigenen Rettung? Freilich, wenn er gewollt hätte, so hätte er fliehen können, aber er wollte nicht und hielt im Kampfe standhaft aus, wie der gute Hirte, der sein Leben für seine Schafe dahingibt, was er auch wirklich getan hat. Was er alles unternommen hat, daß wußte niemand, außer Johannes Kantakuzenos und mir. Als Janko aus Ungarn verlangte, daß ihm der Kaiser Selymbria oder Mesembria geben sollte, er würde der Lehensmann des Kaisers sein, und viele von seinen Leuten dorthin mitbringen, und wenn die Türken zum Kampfe auszögen, wollte er ihr Feind sein und der Stadt helfen – als es dann wirklich zum Kampf kam, da wurde ihm Mesembria verliehen, seiner Bitte gemäß, ich selbst habe das Chrysobullon geschrieben, und der Schwiegersohn des Theodosios von Cypern, der Sohn des Michael, hat die Urkunde persönlich dem Janko überbracht. Wer wußte etwas von den Forderungen des Königs von Neapel? Wenn man ihm Lemnos abtreten würde, sei er bereit, zur See mit den Türken zu kämpfen und im Notfall der Stadt zu Hilfe zu kommen. Seine Forderung wurde bewilligt. Wer wußte davon, wieviel Geld und wieviel Versprechungen der Kaiser nach Chios senden mußte, um zu erreichen, daß ihm aus Galata Hilfstruppen gesendet würden, und es ist nichts geschehen! Wer anders als der Kaiser hat so viele Gebete und Fasten abgehalten, in eigener Person und durch die Geistlichkeit, der er es zu tun anordnete und der dafür Geschenke gab, wie er auch an die Armen Almosen austeilte, die er ganz besonders ehrte. Und die vielen Gelübde, die er machte, um die Christen vor der Knechtschaft der Ungläubigen zu bewahren! Und doch hat Gott all dies nicht angesehen – ich weiß nicht, wessen Sünden die Schuld daran tragen -, und die Menschen wußten nichts davon, sondern ein jeder redete über ihn, wie es ihm gutdünkte. Ich aber will sagen, wie mir scheint, daß die Sache in Wahrheit gewesen ist: Es war eine Prüfung von Gott, die seit langem verhängt war, daß das Reich der Römer [Ρωμαίοι] das Äußerste an Unglück erleiden sollte. So wirkten, durch den geheimnisvollen Ratschluß der Vorsehung, alle möglichen Heimsuchungen, Leiden und Übel zusammen, und alles, was gut und hilfreich und nützlich gewesen wäre, wurde nach göttlichem Ratschluß gehemmt und gehindert.

[Quelle: Byzantinische Geschichtsschreiber; herausgegeben von Endre von Ivánka, Band I: Die letzten Tage von Konstantinopel. Graz/Wien/Köln 3. Aufl. 1965, S. 92-96]
Re: Kostantinopel bittet vergeblich um Hilfe
διψαλέος schrieb am 20.02.2012 um 13:55 Uhr (Zitieren)
Sehr zu empfehlen:
Stefan Zweig

http://de.wikipedia.org/wiki/Sternstunden_der_Menschheit#Die_Eroberung_von_Byzanz

keine wissenschaftlich-historische Arbeit, aber ein faszinierender Abriß!
Re: Kostantinopel bittet vergeblich um Hilfe
Γραικίσκος schrieb am 20.02.2012 um 14:01 Uhr (Zitieren)
Da schaue ich gleich mal nach, ob ich das habe - als Buch.
Re: Kostantinopel bittet vergeblich um Hilfe
διψαλέος schrieb am 20.02.2012 um 14:03 Uhr (Zitieren)
Γραικίσκος schrieb am 20.02.2012 um 14:01 Uhr:
Da schaue ich gleich mal nach, ob ich das habe - als Buch.


Ganz bestimmt, davon bin ich, auch ohne nur einmal einen Blick in Deine Biblothek geworfen haben zu können, überzeugt.
;-)
Re: Kostantinopel bittet vergeblich um Hilfe
διψαλέος schrieb am 20.02.2012 um 14:04 Uhr (Zitieren)
Moment,
Bilder Deiner Bibliothek hast Du ja mal hier eingestellt.
:-)
Re: Kostantinopel bittet vergeblich um Hilfe
Γραικίσκος schrieb am 20.02.2012 um 14:09 Uhr (Zitieren)
Jep, ich habe das Buch. Hier ist es sogar zu sehen:
http://www.bilder-hochladen.net/files/big/id56-25-d09b.jpg
Re: Kostantinopel bittet vergeblich um Hilfe
διψαλέος schrieb am 20.02.2012 um 14:13 Uhr (Zitieren)
tja, wo da?

Es ist ja ein relativ dünner Band...
...
Mein Exemplar hat meine Tochter konfisziert.
Re: Kostantinopel bittet vergeblich um Hilfe
Γραικίσκος schrieb am 20.02.2012 um 14:17 Uhr (Zitieren)
Der dunkelblaue Band über den Tagebüchern von Thomas Mann.
Re: Kostantinopel bittet vergeblich um Hilfe
Γραικίσκος schrieb am 20.02.2012 um 14:18 Uhr (Zitieren)
Gebundene Ausgabe, also etwas dicker.
 
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