α β γ δ ε ζ η θ ι κ λ μ ν ξ ο π ρ ς σ τ υ φ χ ψ ω Α Β Γ Δ Ε Ζ Η Θ Ι Κ Λ Μ Ν Ξ Ο Π Ρ C Σ Τ Υ Φ Χ Ψ Ω Ἷ Schließen Bewegen ?
Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Lex est res surda et inexorabilis. (445 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 25.02.2012 um 13:47 Uhr (Zitieren)
[...] Wenn man nun, um es recht gut zu machen, zum Christentum noch irgend eine Auktorität (wäre es auch die göttliche) hinzutut, die Absicht derselben mag auch noch so wohlmeinend und der Zweck auch wirklich noch so gut sein: so ist doch die Liebenswürdigkeit desselben verschwunden: denn es ist ein Widerspruch, jemanden zu gebieten, daß er etwas nicht allein tue, sondern es auch gern tun solle.
Das Christentum hat zur Absicht: Liebe, zu dem Geschäft der Beobachtung seiner Pflicht überhaupt, zu befördern, und bringt sie auch hervor; weil der Stifter desselben nicht in der Qualität eines Befehlshabers, der seinen Gehorsam-fordernden Willen, sondern in der eines Menschenfreundes redet, der seinen Mitmenschen ihren eignen wohlverstandnen Willen, d.i. wornach sie von selbst freiwillig handeln würden, wenn sie sich selbst gehörig prüften, ans Herz legt.
Es ist also die liberale Denkungsart – gleichweit entfernt vom Sklavensinn, und von Bandenlosigkeit – wovon das Christentum für seine Lehre Effekt erwartet, durch die es die Herzen der Menschen für sich zu gewinnen vermag, deren Verstand schon durch die Vorstellung des Gesetzes ihrer Pflicht erleuchtet ist. Das Gefühl der Freiheit in der Wahl des Endzwecks ist das, was ihnen die Gesetzgebung liebenswürdig macht. - Obgleich also der Lehrer desselben auch Strafen ankündigt, so ist das doch nicht so zu verstehen, wenigstens ist es der eigentümlichen Beschaffenheit des Christentums nicht angemessen, es so zu erklären, als sollten diese die Triebfedern werden, seinen Geboten Folge zu leisten: denn sofern würde es aufhören liebenswürdig zu sein. Sondern, man darf dies nur als liebreiche, aus dem Wohlwollen des Gesetzgebers entspringende, Warnung, sich vor dem Schaden zu hüten, welcher unvermeidlich aus der Übertretung des Gesetzes entspringen müßte (denn: lex est res surda et inexorabilis. Livius), auslegen; weil nicht das Christentum, als freiwillig angenommene Lebensmaxime, sondern das Gesetz hier droht: welches, als unwandelbar in der Natur der Dinge liegende Ordnung, selbst nicht der Willkür des Schöpfers, die Folge derselben so oder anders zu entscheiden, überlassen ist.
Wenn das Christentum Belohnungen verheißt (z.B. „Seid fröhlich und getrost, es wird euch im Himmel alles wohl vergolten werden“): so muß das nach der liberalen Denkungsart nicht so ausgelegt werden, als wäre es ein Angebot, um dadurch den Menschen zu guten Lebenswandel gleichsam zu dingen: denn da würde das Christentum wiederum für sich selbst nicht liebenswürdig sein. Nur ein Ansinnen solcher Handlungen, die aus uneigennützigen Beweggründen entspringen, kann gegen den, welcher das Ansinnen tut, dem Menschen Achtung einflößen; ohne Achtung aber gibt es keine wahre Liebe. Also muß man jener Verheißung nicht den Sinn beilegen, als sollten die Belohnungen für die Triebfedern der Handlungen genommen werden. Die Liebe, wodurch eine liberale Denkungsart an einen Wohltäter gefesselt wird, richtet sich nicht nach dem Guten, was der Bedürftige empfängt, sondern bloß nach der Gütigkeit des Willens dessen, der geneigt ist, es zu erteilen: sollte er auch etwa nicht dazu vermögend sein, oder durch andre Beweggründe, welche die Rücksicht auf das allgemeine Weltbeste mit sich bringt, an der Ausführung gehindert werden.
[...]

[Immanuel Kant: Das Ende aller Dinge, A 519-521]

Dies ist eine sehr liebenswürdige Deutung des Christentums.
 
Antwort
Titel:
Name:
E-Mail:
Eintrag:
Spamschutz - klicken Sie auf folgendes Bild: Regenbogen

Aktivieren Sie JavaScript, falls Sie kein Bild auswählen können.