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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Was ich den Alten verdanke #1 (374 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 27.02.2012 um 13:47 Uhr (Zitieren)
Zum Schluß ein Wort über jene Welt, zu der ich Zugänge gesucht, zu der ich vielleicht einen neuen Zugang gefunden habe - die alte Welt. Mein Geschmack, der der Gegensatz eines duldsamen Geschmacks sein mag, ist auch hier fern davon, in Bausch und Bogen ja zu sagen: er sagt überhaupt nicht gern ja, lieber noch nein, am allerliebsten gar nichts ... Das gilt von ganzen Kulturen, das gilt von Büchern - es gilt auch von Orten und Landschaften. Im Grunde ist es eine ganz kleine Anzahl antiker Bücher, die in meinem Leben mitzählen; die berühmtesten sind nicht darunter. Mein Sinn für Stil, für das Epigramm als Stil erwachte fast augenblicklich bei der Berührung mit Sallust. Ich habe das Erstaunen meines verehrten Lehrers Corssen nicht vergessen, als er seinem schlechtesten Lateiner die allerbeste Zensur geben mußte, - ich war mit Einem Schlage fertig. Gedrängt, streng, mit so viel Substanz als möglich auf dem Grunde, eine kalte Bosheit gegen das "schöne Wort", auch das "schöne Gefühl" - daran erriet ich mich. Man wird, bis in meinen Zarathustra hinein, eine sehr ernsthafte Ambition nach römischem Stil, nach dem "aere perennius" im Stil bei mir wiedererkennen. - Nicht anders erging es mir bei der ersten Berührung mit Horaz. Bis heute habe ich an keinem Dichter dasselbe artistische Entzücken gehabt, das mir von Anfang an eine Horazische Ode gab. In gewissen Sprachen ist Das, was hier erreicht ist, nicht einmal zu wollen. Dies Mosaik von Worten, wo jedes Wort als Klang, als Ort, als Begriff, nach rechts und links und über das Ganze hin seine Kraft ausströmt, dies minimum in Umfang und Zahl der Zeichen, dies damit erzielte maximum in der Energie der Zeichen - das alles ist römisch und, wenn man mir glauben will, vornehm par excellence. Der ganze Rest von Poesie wird dagegen etwas zu Populäres, - eine bloße Gefühls-Geschwätzigkeit ...

(Friedrich Nietzsche: Götzen-Dämmerung - Was ich den Alten verdanke 1)

Die Griechen folgen.
Man ahnt, daß er Platon nicht schätzt.
Re: Was ich den Alten verdanke #1
Φιλομαθής schrieb am 27.02.2012 um 15:09 Uhr (Zitieren)
Bei diesem Anlass will ich einmal Nietzsches Kritik an dem, was wir als humanistische Bildung bezeichnen, hinzusetzen:

Der moderne Mensch schleppt zuletzt eine ungeheuere Menge von unverdaulichen Wissenssteinen mit sich herum, die dann bei Gelegenheit auch ordentlich im Leibe rumpeln, wie es im Märchen heißt. Durch dieses Rumpeln verrät sich die eigenste Eigenschaft dieses modernen Menschen: der merkwürdige Gegensatz eines Inneren, dem kein Äußeres, eines Äußeren, dem kein Inneres entspricht, ein Gegensatz, den die alten Völker nicht kennen. Das Wissen, das im Übermaße ohne Hunger, ja wider das Bedürfnis aufgenommen wird, wirkt jetzt nicht mehr als umgestaltendes, nach außen treibendes Motiv und bleibt in einer gewissen chaotischen Innenwelt verborgen, die jener moderne Mensch mit seltsamem Stolze als die ihm eigentümliche »Innerlichkeit« bezeichnet. Man sagt dann wohl, daß man den Inhalt habe und daß es nur an der Form fehle; aber bei allem Lebendigen ist dies ein ganz ungehöriger Gegensatz. Unsere moderne Bildung ist eben deshalb nichts Lebendiges, weil sie ohne jenen Gegensatz sich gar nicht begreifen läßt, das heißt: sie ist gar keine wirkliche Bildung, sondern nur eine Art Wissen um die Bildung, es bleibt in ihr bei dem Bildungs-Gedanken, bei dem Bildungs-Gefühl, es wird kein Bildungs-Entschluß daraus. [...]Jenes bekannte Völkchen einer nicht zu fernen Vergangenheit, ich meine eben die Griechen, hatte sich in der Periode seiner größten Kraft einen unhistorischen Sinn zäh bewahrt; müßte ein zeitgemäßer Mensch in jene Welt durch Verzauberung zurückkehren, er würde vermutlich die Griechen sehr »ungebildet« befinden, womit dann freilich das so peinlich verhüllte Geheimnis der modernen Bildung zu öffentlichem Gelächter aufgedeckt wäre: denn aus uns haben wir Modernen gar nichts; nur dadurch, daß wir uns mit fremden Zeiten, Sitten, Künsten, Philosophien, Religionen, Erkenntnissen anfallen und überfüllen, werden wir zu etwas Beachtungswertem, nämlich zu wandelnden Enzyklopädien, als welche uns vielleicht ein in unsere Zeit verschlagener Alt-Hellene ansprechen würde.


[Unzeitgemäße Betrachtungen II, 4. KSA 1, S. 272-74.]
Re: Was ich den Alten verdanke #1
Γραικίσκος schrieb am 27.02.2012 um 15:21 Uhr (Zitieren)
Zitiert nach der KSA! Daran will ich mich dann in Zukunft ebenfalls halten.

Darf ich fragen, ob Du Dich häufiger mit Philosophie befaßt?
Re: Was ich den Alten verdanke #1
Φιλομαθής schrieb am 27.02.2012 um 22:12 Uhr (Zitieren)
Nein, ich habe nur die Seitenzahl in der KSA angegeben (weil die Ausgabe ja recht verbreitet ist), der Text selbst ist der aus der Digit. Bibl. übernommene Schlechta-Text. Das war sicherlich eine schlampige Zitierweise, aber wir sind ja hier unter uns.
Doch wie soll ich deine Frage beantworten, ohne mich zu überheben? Vielleicht so: Die Neigung ist vorhanden, allein der Geist ist schwach. Soll heißen: Kritik der reinen Vernunft, Phänomenologie des Geistes, Sein und Zeit, Negative Dialektik etc. stehen zwar bei mir im Regal, aber sooft ich in dergleichen Eiswüsten einzudringen versuchte, musste ich doch meinen Mangel an Ausdauer und Ausrüstung einsehen. Daher halte ich mich vorwiegend an umgänglichere Geister wie Platon, Montaigne, Nietzsche oder Valéry.
 
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