Der Neue Pauly enthält einen Artikel zum Lemma "Pornographie". Hier die Abschnitte Rom und Griechenland:
III. Griechenland
[English version]
A. Definition
Griech. Erotik und P. unterscheiden sich von der modernen hauptsächlich durch größere Spannbreite und Öffentlichkeit (z. B. im Götterkult, s.u. B.); außerdem unterlag sie geringerer sozialer und rel. [6; 12] sowie keinerlei gesetzlichen Kontrolle. Als Hintergrund der griech. P. sind von Bed.: die zentrale Rolle der Landwirtschaft und, damit verbunden, der Fruchtbarkeit (bes. auch der phallischen Symbolik; Phallos); die Tendenz, Erotik und Freude am menschlichen Körper als natürlich wie auch als göttlich sanktioniert anzusehen; die Beschränkung von “legitimer” sexueller Ausbeutung auf Personengruppen, die als minderwertig galten (Sklaven, Nichtbürger); fehlendes Interesse daran, Kinder von Sexualität fernzuhalten; und die Institutionalisierung von (Homo- wie Hetero-)Sexualität in einer Männerkultur von griech. Bürgern, bes. im Kontext von Symposion, Gymnasion, Palaistra und Militär [4]. Im ganzen war griech. P. eher die Repräsentation tatsächlicher Genüsse an diesen Orten als ein Phantasieersatz für Verbotenes.
Henderson, Jeffrey (Boston)
[English version]
B. Erscheinungsformen, Gattungen
Voyeurismus erscheint bereits bei Homer (Hom. Od. 8,306-342: Aphrodite und Ares) [10]. In der griech. Kunst war männliche Nacktheit seit frühester Zeit überall gegenwärtig, weibliche hingegen kam erst im späten 5. Jh. v. Chr. auf: zunächst auf att. Vasen (badende Frauen, auch Bräute), in der Plastik erst ab Praxiteles' Knidischer Aphrodite. Auf att. Vasen (viele davon exportiert in den Westen, v. a. nach Etrurien) wurde Homo- und Heterosexualität ab etwa 575 v. Chr. sehr freizügig dargestellt, weniger im Zeitraum von ca. 470 bis 440 v. Chr. (was vielleicht mit der Entwicklung der Demokratie, dēmokratía, zusammenhängt). Ab dem 4. Jh. war Erotik in Malerei und Skulptur zunehmend geläufig, ebenso bei Gebrauchsgegenständen (darunter Amuletten und Öllampen). Sowohl in der bildenden Kunst [2; 3; 9] als auch in der Lit. waren heterosexuelle Themen weit häufiger als homosexuelle.
In der griech. Lit. tauchen erotische Themen - sexuell explizit bis moralisch belehrend - erstmals in der archa. Periode in den lyrischen Gattungen auf (nicht in der Chorlyrik [7]), z. B. bei Archilochos, Hipponax, Semonides, Theognis, Mimnermos, Sappho, Ibykos, Anakreon. Im 5. Jh. v. Chr. zeigten Alte Komödie und Satyrspiel (oft phantastische oder groteske) Nachahmung (Mimesis) sexuellen Verhaltens [8]. Sie brachten u. a. die bis dahin exklusive Welt von Bordell und Symposion auf die Bühne (z. B. Eupolis 172, 261: schmutzige Witze des Parasiten; Aristoph. Eccl. 943: erotische Lieder der Hetäre Charixene). Die (realen oder fiktiven) Hetären der Komödie (schon seit Pherekrates, um 430) wurden ab dem 4. Jh. zu typischen lit. Figuren.
In der archa. und frühen klass. Periode waren erotische Kunst, Dichtung und Drama noch eng mit den Götterkulten der griech. Polis verbunden (bes. von Aphrodite, Demeter und Dionysos; vgl. [1]); ab dem 4. Jh. herrschte im öffentlichen Kontext größere Zurückhaltung und man stellte Erotika hauptsächlich für den privaten Gebrauch her. In der hell. und röm. Periode wurden einige lit. erotische Gattungen neu belebt (z. B. das Epigramm), andere erst erfunden, z. B. Sexhandbücher [14; 17] (das berühmteste von Philainis aus Samos: ‘Verführungstechniken, Περὶ πειρασμῶν), die wohl eher zur Unterhaltung als zur ernstgemeinten Unterweisung dienten (und darin Vorfahren von Ovids ‘Liebeskunst waren [14. 90-111]; vgl. Ovidius), und Slgg. von Liedern (vgl. Glauke bei Theokr. 4,32; Hedylos' Epigramm in Appendix Anth. Pal. 2,134,7 Cougny) und geistreichen Aussprüchen von Hetären (z. B. Lukianos' Hetairikoí; zu ‘Hetärendialogen vgl. u. a. Athen. 13,567a; 583d; 586a; 591d). Schließlich weist auch der ant. Roman, ausgehend u. a. von der Neuen Komödie, ausgedehnte erotische Handlungsstränge auf.
Henderson, Jeffrey (Boston)
[English version]
C. Charakteristika
Bei der Darstellung von Sexualität ist eine gewisse Selbstbeschränkung festzustellen: “P.” wird häufig mit sexuellem Fehlverhalten (asélgeia), Roheit und Schamlosigkeit (aischrología) assoziiert, pornogr. Sprache in Dichtung und Kult (bes. von Demeter und Dionysos) mit Streit und obszöner Aggression konnotiert. Die Schilderung von sexuell anstößigem männlichem Verhalten (Vergewaltigung, Masturbation, passiver oraler oder analer Penetration) ist auf Sklaven, Barbaren oder auf Phantasiefiguren wie Satyrn verschoben [12]. Explizite P. kommt in der ernsthaften Dichtung und Prosa nicht vor (Ausnahme: Roman), stattdessen werden Euphemismen bevorzugt [7]; Obszönes findet sich nur in Iambos, Epigramm und Alter Komödie (Aristophanes [3]). Dennoch unterlag P. nie offiziellen Sanktionen (wenn auch antihedonistische Philosophen solche für notwendig hielten: z. B. Plat. rep. 395e; Aristot. pol. 1336b 4; vgl. Athen. 13,566 f.). Griech. Kulte hatten häufig stark erotisierte Inhalte (z. B. phallēphória, aischrología, hierós gámos, zotige Gedichte) und nur selten Vorschriften von ritueller Reinheit [12. 74-103] (Kathartik).
Der pornográphos (zuerst bei Athen. 13,567b 3-8 für Maler von P. verwendet) stellte genaugenommen nur das Umfeld von Prostituierten dar (hauptsächlich weiblichen, doch vgl. den kinaidológos, den männlichen Vortragenden von pornogr. Liedern, z. B. Sotades: Athen. 14,620d) - im Gegensatz zu ehrbaren Frauen; allerdings war Ehebruch ein geläufiges lit. Thema (Archil. 169a, die Lieder des Gnesippos, vgl. Eupolis fr. 148, Telekleides fr. 36, die Moichoí des Ameipsias; Euripides' Phaídra und Stheneboía, vgl. Aristoph. Ran. 1043-1055) und der Status von Frauengestalten in der bildenden Kunst [9. 159-167] oft zweideutig (vgl. auch die Figuren Oporia und Theoria in Aristophanes ‘Frieden, Aristoph. Pax 819-908). Für pornogr. deutbare Frauendarstellungen sind Realismus und Verdinglichung bezeichnend (vgl. die Kopulation mit Statuen: Pygmalion bei Athen. 13,1605f 4-10), daneben Fetischisierung von Kleidung, die Interesse am Verdeckten weckt, und Depilation im Schambereich [9. 133-159]. Heterosexueller Geschlechtsverkehr (auch analer) wird in vielfältigen Stellungen gezeigt, wobei die a tergo-Position vorherrscht. Frauen werden, wie Knaben, als Quelle, nicht als Subjekt sexueller Erregung dargestellt. Manchmal finden sich gewalttätige und sadistische Elemente [9. 103-132], allerdings spielt Sadomasochismus in der griech. P. eine geringe Rolle.
Homosexuelle Erotika benutzten dieselbe Sprache wie heterosexuelle; die relativen Vorzüge von Frauen und Knaben als sexuellen Partnern waren ein Topos der Symposionliteratur. Die griech. Homosexualität war der Norm nach päderastisch; sexuelle Beziehungen zw. erwachsenen Männern waren sozial mißbilligt und nicht Gegenstand sexueller bzw. pornogr. Repräsentation [5]. In der bildenden Kunst wird homosexueller Koitus nur selten dargestellt (Ausnahme: Interkruralverkehr von Männern), doch scheint er in Sapphos Dichtung Thema gewesen zu sein [5. 173-179]. Wir besitzen keine eindeutige Abbildung eines männlichen Prostituierten.
Zum in griech. Lit. und Kunst thematisierten “pornogr.” Sexualverhalten zählen u. a. Gruppensex, Fellatio (meist von Frauen ausgeführt, in bildlichen Darstellungen nie von einem Mann), Penetration mit dem Dildo (nur von Frauen, durch einen Mann oder eine Frau, auch bei der Masturbation), Urinieren (beider Geschlechter, nicht lit. belegt).
Henderson, Jeffrey (Boston)
^ Back to top
Bibliography
1 C. Berard, Phantasmatique érotique dans l'orgiasme dionysiaque, in: Kernos 5, 1992, 13-26
2 J. Boardman, E. Larocca, Eros in Greece, 1978
3 O. Brendel, The Scope and Temperament of Erotic Art in the Greco-Roman World, in: T. Bowie, C. V. Christenson (Hrsg.), Studies in Erotic Art, 1970, 3-108
4 J. N. Davidson, Courtesans and Fishcakes. The Consuming Passions of Classical Athens, 1997
5 K. J. Dover, Greek Homosexuality, 1978 (dt. 1983), 21989
6 H. Fluck, Skurrile Riten in griech. Kulten, 1931
7 J. Henderson, The Cologne Epode and the Conventions of Early Greek Erotic Poetry, in: Arethusa 9, 1976, 159-179
8 Ders., The Maculate Muse. Obscene Language in Attic Comedy, 21991
9 M. F. Kilmer, Greek Erotica on Attic Red-Figure Vases, 1993
10 W. Krenkel, Skopophilie in der Ant., in: Wiss. Zschr. Rostock 26, 1977, 619-631
11 A. Lissarague, De la sexualité des Satyres, in: Métis 2, 1987, 63-79
12 R. Parker, Miasma. Pollution and Purification in Early Greek Rel., 1983
13 C. Reinsberg, Ehe, Hetärentum und Knabenliebe im ant. Griechenland, 1989
14 A. Richlin (Hrsg.), Pornography and Representation in Greece and Rome, 21992
15 A. Stähli, Die Verweigerung der Lüste: erotische Gruppen in der ant. Plastik, 1999
16 A. Stewart, Art, Desire and the Body in Ancient Greece, 1997
17 K. Tsantsanoglou, Memoirs of a Lady from Samos, in: ZPE 12, 1973, 183-95.
^ Back to top
IV. Rom
[English version]
A. Definition
Der Terminus “röm. P.” bedarf einer Spezifizierung: Zum einen hat der griech. Begriff pornográphos (Athen. 13,567b), “einer, der Huren malt (bzw. über sie schreibt)”, in der lat. Sprache - und wohl auch im röm. Denken - keine kategoriale Entsprechung. Zum anderen ist das Intertextualitätsverhältnis zwischen den maßgeblichen griech. und lat. Texten (Roman, Epigramm) zu komplex, als daß genuin Römisches extrahiert werden könnte. Wir können also lediglich untersuchen, auf welche Weise “pornographische” (= pornogr.), d. h. erotisch stimulierende oder obszöne Inhalte in lat. Texten gestaltet werden und ob in ihnen Abgrenzungen, Einschränkungen oder Ausschlüsse vorgenommen werden. Auch wenn wir von keinen gesetzlichen Reglementierungen wissen, so waren die röm. Autoren doch bestrebt, ihren gesellschaftlichen Status als mares (“Männer”) durch die rhet. Strategie der excusatio (“Rechtfertigung”) vor übler Nachrede zu schützen: Catulls Forderung nach einer Unterscheidung zw. Autor und pornogr. Textproduktion (Catull. 16,5 f.) wird in apologetischer Absicht oft zitiert (Plin. epist. 4,14,5; Apul. apol. 11,2 f.) und witzig variiert: Ov. trist. 2,354, Mart. 1,4,8 (zit. von Auson. cento nuptialis 218,7 P., Apul. apol. 11,3). Eine vermeintlich scharfe Grenze (anders Mart. 11,16!) zw. erotischer und pornogr. Dichtung zieht Mart. 12,43 [8]: Sabellus wird dafür kritisiert, daß er kühne Stellungen (Veneris novae figurae) für puellae (“Mädchen”), fututores (heterosexuelle “Ficker”), exoleti (homosexuelle “Lustknaben”) und Gruppen (catena, symplegmata; s. symplegma) in Versen darstellt. Lit. Talent sei bei einem derartigen Stoff überflüssig, ja unangebracht.
Obermayer, Hans-Peter (München)
[English version]
B. Wirkung
P. soll unmittelbar stimulieren: Das gilt v. a. für die Sex-Hdb. der griech. Autorinnen (?) Philainis (vgl. [2], s.o. III.) und Elephantis, deren Bekanntheit im röm. Publikum aufgrund der häufigen Erwähnungen vorausgesetzt werden kann. Die molles libelli (“schlüpfrigen Büchlein”) der Elephantis (Mart. 12,43,4) waren angeblich mit obscenae tabellae (obszönen Bildern) illustriert (Priap. 4,1 f.) und lagen in den Schlafzimmern der Tiberius-Villa als Anschauungsmaterial auf (Suet. Tib. 43). Analog die Empfehlung in Mart. 12,95, P. (pathicissimi libelli, “bes. zotige Büchlein”) nur im Beisein einer Partnerin (puella) zu lesen. Ovids detailgenaue Ratschläge an die Frauen hinsichtlich der sexuellen Stellungen (figurae Veneris, Ov. ars 3,769-808) werden von Mart. 11,104 parodiert: Ultimativ wird die Ehefrau (uxor) aufgefordert, alle sexuellen Wünsche des Sprechers (mores nostri) zu erfüllen, einschließlich Analverkehr (pedicatio); umgekehrt 12,96,9-12, wo der Frau die Bereitschaft zu dieser Praktik scharf untersagt wird [8. 62 f.]. Doch auch außerhalb der Erotodidaxis ist die Erregung des Lesers erwünscht: In Petronius' [5] Roman (88,1) bleibt Eumolpus' pseudo-autobiographische Erzählung vom Epheben von Pergamon bei Encolpius nicht folgenlos (erectus his sermonibus). Abweichend von 12,43 betont der Sprecher bei Martialis [1] oftmals, daß erotische Stimulierung ein genretypisches Merkmal des Epigramms sei: Scherzgedichte (carmina iocosa) gehorchten der Regel, ‘daß sie nur dann Spaß machen, wenn sie aufgeilen’ (prurire, Mart. 1,35,10 f.; [7. 321 f.]); versus Saturnalicii hätten keine Moral (mores; 11,15,12 f.). Selbstbewußt warnt der Sprecher vor den physiologischen Konsequenzen einer Lektüre seiner Verse (Mart. 11,16,5; 11,16,8). Folgerichtig empfehlen Mediziner bei der Behandlung von Impotenz die Lektüre von P. (fabulae amatoriae; Theodorus Priscianus, Logicus 34, p. 133, 10 ff. Rose).
Obermayer, Hans-Peter (München)
[English version]
C. Literarische Gattungen
P., im Sinne von erotisch gewagten oder geschmacklosen Darstellungen, findet sich v. a. in den röm. Gattungen Satire, Roman und Epigramm. Die Obszönitäten bei Lucilius [I 6] sind bemerkenswert und stehen dem ordinären Sprachgebrauch mancher Inschr. (CIL 10,1,4483) in nichts nach (z. B. inbubinare: “mit Menstruationsblut besudeln”; inbulbitare: “mit Kot beschmieren”, Lucil. 1205 K.); erst Iuvenalis wagt Vergleichbares in sat. 2 (homosexuelle “Perversion”, Iulias Abtreibung) oder in sat. 9 (die Beschmutzung des “Arschfickers” (pedico) Naevolus während des Sexualakts).
Höhepunkte bei Petronius [5] sind die Orgie bei Quartilla (19-26), Encolpius' Impotenz (126-132), seine Heilung bei Oenothea (134-138) und die Philomela-Episode (140); bei Apuleius [III] Lucius' Koitus mit Photis (met. 2,9-17), die Ehebruchgeschichten (met. 9) [10] und der sodomitische Geschlechtsakt zw. Lucius-Esel und einer matrona (“Dame”; met. 10,19-22). Dennoch bleibt der röm. Roman in seiner Wortwahl relativ gemäßigt, er greift bei der Schilderung von Sexualhandlungen oft zu Metaphern und Euphemismen [1].
Die Epigrammatiker hingegen verzichten auf jede Zurückhaltung: Catullus [1] setzt bereits Maßstäbe; obszöne Ausdrücke [6] wie mentula (“Schwanz”), futuere (“vögeln”), pedicare (“arschficken”) oder irrumare (“in den Mund ficken”) begegnen häufig. Sexualstrafen sind das Lieblingsthema der Carmina Priapea: im Triporneia-Modell [3. 87] droht der Sprecher Priapus weiblichen Dieben mit fututio, jungen Burschen mit pedicatio, älteren (behaarten) Männern mit irrumatio (mit vaginaler, analer, oraler Penetration; Priap. 12; 22; 74). Das Œuvre Martials (Martialis [1]) enthält alle nur denkbaren Sexualakte, Verirrungen und obszöne Peinlichkeiten. Im ‘Saturnalienbuch 11 und in B. 12 finden sich die meisten pornogr. Epigramme, mit einem überraschend hohen Anteil homosexueller Themen [8]; auffallend sind die intertextuellen Bezüge zu Stratons Paidikḗ Músa (Anth. Gr., Bd. 12). Glanzstücke intertextueller Gelehrsamkeit liefert Ausonius mit seinen Epigrammen und dem Cento nuptialis: Gruppensex (epigr. 59 P. 43) [10], Bisexualität (epigr. 93) und alle Varianten von Oralsex (epigr. 78 f.; 86 f.) sind seine Themen.
Obermayer, Hans-Peter (München)
[English version]
D. Kunst
In der röm. Kunst begegnen nahezu ausschließlich heterosexuelle Sujets (Erotik II.); eine Ausnahme verdient Erwähnung: der sog. “Warren-Cup”, ein Silberbecher aus dem 1. Jh. n. Chr. [4], der zwei pedicatio-Szenen zeigt: Der pedico (“Arschficker”) liegt jeweils unter dem pathicus (dem passiven männl. Partner), ein Paar wird von einem Voyeur beobachtet. Für die Darstellungsweise pornogr. Thematik in der späten Republik und der frühen Kaiserzeit, aber auch für die Häufigkeit und die Orte ihrer Verwendung (z. B. Schlafräume, Bäder) kann die Bilderwelt Pompeiis als repräsentativ betrachtet werden [12; 13].
Obermayer, Hans-Peter (München)
[English version]
E. Rezeption
Die Genres Epigramm und Milesische Geschichten (vgl. Novelle; z. B. Petrons ‘Witwe von Ephesus) werden im Humanismus bevorzugt aufgegriffen: Boccaccios Decamerone orientiert sich am ant. Roman, v. a. an Apuleius' Ehebruchgeschichten, und Antonius Beccadelli (i.e. A. Panormita) erweist in seiner erotischen Epigramm-Slg. Hermaphroditus (ca. 1422) deutlich seinem Vorbild Martial Referenz. Für die erste dt. Übers. des Hermaphroditus (1824) besorgte der Coburger Hofbibliothekar Forberg [5] einen lat. Anhang (Apophoreta), ein unschätzbares, vollständiges Kompendium röm. P., geordnet nach Sexualpraktiken. Forberg zitiert auch den Dialog De arcanis Amoris et Veneris, den Nicholas Chorier nach dem Vorbild von Lukianos' [1] ‘Hetärengesprächen unter dem Pseudonym Aloisia Sigea lat. publizierte. Mit Forbergs Apophoreta setzt eine ernsthafte wiss. Auseinandersetzung mit röm. P. ein. Pierrugues (1826; dt. Raubdruck 1833) [9] und Vorberg (1932) [11] erarbeiteten Speziallexika, die die erotischen Spezialbedeutungen oft harmlos klingender Begriffe und raffinierter Wortspiele aufschlüsseln, Krenkel hat mit einer Reihe von Einzeluntersuchungen (verzeichnet in [7]) das Stellenmaterial für alle sexuellen Themen gesammelt; [1] ist für jeden an röm. P. Interessierten unverzichtbar.
Erotik; Hetairai; Homosexualität; Nacktheit; Päderastie; Phallos; Prostitution; Sexualität; Vasenmalerei; Erotica; Gender Studies
Obermayer, Hans-Peter (München)
^ Back to top
Bibliography
1 J. N. Adams, The Latin Sexual Vocabulary, 1982
2 B. Baldwin, Philaenis, The Doyenne of Ancient Sexology, in: Corolla Londoniensis 6, 1990, 1-7
3 V. Buchheit, Stud. zum Corpus Priapeorum, 1962
4 J. R. Clarke, Looking at Lovemaking. Constructions of Sexuality in Roman Art 100 BC-AD 250, 1998
5 F. C. Forberg, Antonii Panormitae Hermaphroditus, 1824 (21908 = Ndr. 1986)
6 W. Goldberger, Kraftausdrücke im Vulgärlat., in: Glotta 18, 1930, 8-65; 20, 1932, 101-150
7 J. Hallett, Nec castrare velis meos libellos, in: C. Klodt (Hrsg.), Satura lanx. FS W. A. Krenkel, 1996, 321-344
8 H. P. Obermayer, Martial und der Diskurs über männliche 'Homosexualität' in der Lit. der frühen Kaiserzeit, 1998
9 P. Pierrugues, Glossarium eroticum linguae Latinae, 1826 (Ndr. der 2. Aufl. 1908)
10 V. Schmidt, Ein Trio im Bett: "Tema con variazioni" bei Catull, Martial, Babrius und Apuleius, in: Groningen Colloquia on the Novel 2, 1989, 63-73
11 G. Vorberg, Glossarium Eroticum, 1932 (Ndr. 1965).
12 A. Varone, Erotica Pompeiana. Iscrizioni d'amore sui muri di Pompei, 1994 (mit Farbtafeln)
13 E. Cantarella, L. Jacobelli, I volti dell'amore, 1998 (dt. 1999).
Citation:
Renger, Johannes (Berlin); von Lieven, Alexandra (Berlin); Henderson, Jeffrey (Boston); Obermayer, Hans-Peter (München). "Pornographie." Der Neue Pauly. Herausgegeben von: Hubert Cancik und ; Helmuth Schneider (Antike), ; Manfred Landfester (Rezeptions- und Wissenschaftsgeschichte) . Brill, 2012. Brill Online. University of St Andrews. 27 February 2012 <
http://brillonline.nl/subscriber/entry?entry=dnp_e1005210>