α β γ δ ε ζ η θ ι κ λ μ ν ξ ο π ρ ς σ τ υ φ χ ψ ω Α Β Γ Δ Ε Ζ Η Θ Ι Κ Λ Μ Ν Ξ Ο Π Ρ C Σ Τ Υ Φ Χ Ψ Ω Ἷ Schließen Bewegen ?
Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Was ich den Alten verdanke #3 (343 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 27.02.2012 um 16:00 Uhr (Zitieren)
Meine Erholung, meine Vorliebe, meine Kur von allem Platonismus war zu jeder Zeit Thukydides. Thukydides und, vielleicht, der principe Macchiavell's sind mir selber am meisten verwandt durch den unbedingten Willen, sich Nichts vorzumachen und die Vernunft in der Realität zu sehn, - nicht in der "Vernunft", noch weniger in der "Moral" ... Von der jämmerlichen Schönfärberei der Griechen in's Ideal, die der "klassisch gebildete" Jüngling als Lohn für seine Gymnasial-Dressur in's Leben davonträgt, kurirt Nichts so gründlich als Thukydides. Man muss ihn Zeile für Zeile umwenden und seine Hintergedanken so deutlich ablesen wie seine Worte: es giebt wenige so hintergedankenreiche Denker. In ihm kommt die Sophisten-Cultur, will sagen die Realisten-Cultur, zu ihrem vollendeten Ausdruck: diese unschätzbare Bewegung inmitten des eben allerwärts losbrechenden Moral- und Ideal-Schwindels der sokratischen Schulen. Die griechische Philosophie als die décadence des griechischen Instinkts; Thukydides als die grosse Summe, die letzte Offenbarung jener starken, strengen, harten Thatsächlichkeit, die dem älteren Hellenen im Instinke lag*). Der Muth vor der Realität unterscheidet zuletzt solche Naturen wie Thukydides und Plato: Plato ist ein Feigling vor der Realität, - folglich flüchtet er in's Ideal; Thukydides hat sich in der Gewalt, folglich behält er auch die Dinge in der Gewalt ...

(Friedrich Nietzsche: Götzen-Dämmerung; KSA Bd. 8, S. 156)

*) Wie man sieht: Sokrates ist für ihn der Sündenfall der griechischen Kultur - gegen die Älteren hat er nichts.
Re: Was ich den Alten verdanke #3
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 28.02.2012 um 14:33 Uhr (Zitieren)
Naja ...
Man verehrt immer das, was man nicht hat, und verabscheut, was man in sich selbst (als hassenswert) vorfindet. Und wie es mit der Liebe zur und dem Mut vor der Realität bei Herrn Nietzsche bestellt war, darüber schweige ich lieber (Neugierigen empfehle ich die Lektüre von Anacleto Verrechias "Zarathustras Ende")
Re: Was ich den Alten verdanke #3
διψαλέος schrieb am 28.02.2012 um 15:24 Uhr (Zitieren)
Zur Entschuldigung Nietzsche sei gesagt,
daß er sein Werk nicht selbst "letzte Hand" veröffentlichen konnte.

Wie weit seine Familieangehörigen in seinen Werken "rumgefudelt" haben, kann man nicht mehr nachvollziehen.
Re: Was ich den Alten verdanke #3
Φιλομαθής schrieb am 28.02.2012 um 15:45 Uhr (Zitieren)
Ohne Frage kann man Nietzsche leicht gegen Nietzsche selbst verwenden. Aber gerade die Skepsis, die den psychologischen Motiven nachspürt, die hinter aller scheinbaren Rationalität (ob idealistisch oder faktenorientiert) stecken, lässt sich bei Nietzsche vorzüglich erlernen. Vielleicht sollte man Nietzsche auch eher unter die Psychologen als unter die Philosophen einordnen.
Re: Was ich den Alten verdanke #3
ανδρέας schrieb am 28.02.2012 um 18:10 Uhr (Zitieren)
Nietzsche war ja auch mal kurz Artillerist - die schießen gelegentlich über das Ziel hinaus. Mir scheint, dass der Mann sehr erfolgreich war, Aufmerksamkeit zu erregen. Vielleicht hat man ihn als Kind damit zu wenig gefüttert.
Re: Was ich den Alten verdanke #3
Γραικίσκος schrieb am 28.02.2012 um 19:14 Uhr (Zitieren)
Nietzsche war Sanitäter bei einer Artillerie-Einheit.

Er war gewiß krank - aber er hat aus seiner Krankheit das Beste machen wollen.
Einen "ängstlichen Adler" hat ihn ein Biograph genannt.
Lesenswert:
Irvin D. Yalom: Und Nietzsche weinte. [mir vorliegend in einer Sonderausgabe der Stadt Wien ohne Jahresangabe]
Das Buch handelt von einer fiktiven Psychotherapie Nietzsches durch Josef Breuer, den Lehrer Sigmund Freuds, die zu einer Art Megalomachie zwischen den beiden gerät.
Re: Was ich den Alten verdanke #3
ανδρέας schrieb am 28.02.2012 um 20:16 Uhr (Zitieren)
Ein bisschen ängstlich war er wohl schon.Er war kurz vor dem Krieg expatriiert worden. Sonst hätte er als normaler Artillerist Dienst tun müssen.
"Siebenter Zug, 10 Mann .... 82. Dr. Nietzsche, ordentl. Professor der Philologie zu Basel" – So lautet die Eintragung im "Bericht des Erlanger Vereins für Felddiakonie über seine Thätigkeit im Kriege 1870 bis 1871", verfasst von August Ebrard. Friedrich Nietzsche hatte sich als Kriegsfreiwilliger gemeldet. Zur Teilnahme war er nicht gezwungen, weil er sich vor dem Antritt seiner Professur in Basel im April 1869 expatriieren ließ, und zwar, wie er in einem Brief an den Baseler Ratsherrn Vischer schrieb, weil gegen die fatale Möglichkeit eines Krieges kein Kraut gewachsen sei und er unwiderruflich als Reitender Artillerist der Preußischen Armee eingezogen worden wäre. Nun, mit dem Ausbruch des Krieges gegen Frankreich, änderte er seine Meinung. Trotz dringenden Abratens Cosima Wagners entschloss sich Nietzsche dazu, sich dem Deutschen Heer als Kriegsfreiwilliger zur Verfügung zu stellen. ...
Nietzsche erhielt am 11. August den erbetenen Dispens von der Erziehungsbehörde, bekam jedoch – aus Gründen der schweizerischen Neutralität – ausdrücklich nur einen sanitätsdienstlichen Einsatz bewilligt. Nietzsche reiste sofort ab und traf zwei Tage später in Erlangen ein, um sich für seinen Sanitätseinsatz ausbilden zu lassen.

http://www.f-nietzsche.de/wilkes.htm
 
Antwort
Titel:
Name:
E-Mail:
Eintrag:
Spamschutz - klicken Sie auf folgendes Bild: Löwe

Aktivieren Sie JavaScript, falls Sie kein Bild auswählen können.