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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Der Indienzug des Dionysos (821 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 04.04.2012 um 13:39 Uhr (Zitieren)
Als Bacchus mit seinem seltsamen Kriegsheer in Indien einfiel – denn ihr erlaubt mir, hoffe ich, euch diesmal ein bacchisches Märchen zu erzählen -, machten sich die Einwohner anfangs eine so verächtliche Vorstellung von ihm, daß sie über ihn und sein Unternehmen ihr Gespötte trieben, oder vielmehr Mitleiden mit dem Verwegenen hatten, den sie, wie er im Ernst gegen sie anrücken wollte, mit seiner ganzen Bande schon unter den Füßen ihrer Elefanten zertreten sahen. In der Tat konnten sie, nach den Nachrichten, die sie durch ihre Kundschafter von ihm eingezogen haben mochten, keine sehr große Meinung von einem Eroberer fassen, der mit einer so lächerlichen Armee gegen sie angezogen kam. Der Kern seiner Truppen, hieß es, bestehe aus etlichen Regimentern halbnackter rasender Weiber, und diese Weiber hätten, statt aller Rüstung und Waffen, Efeukränze um die Stirne, Schurze von Hirschkalbshäuten um die Hüften, kleine mit Epheu umwundene Wurfspieße ohne Eisen in der Hand und leichte runde Schilde am Arm, die, wenn man sie nur anrühre, einen dumpfen Schall von sich geben – denn sie hielten, wie ihr seht, die Thyrsosstäbe der Mänaden für Wurfspieße und ihre Trommeln für eine Art von Schilden. Noch wären auch, sagten sie, einige junge splitternackte Bauernkerle dabei, welche Schwänze am Rücken und kleine Hörner, wie sie bei jungen Böcken hervorsprossen, vor der Stirne hatten und die possierlichsten Sprünge und Gebärden machten. Der Führer dieser sauberen Bande habe so wenig Bart, daß nicht die geringste Spur von Milchhaar um seine Wangen zu sehen sei; aber dafür habe er ein paar Hörnchen an der Stirn, einen Kranz von Trauben um die Schläfe, und die Haare in eine netzförmige Weiberhaube eingebunden, trage einen weiten Purpurmantel und goldene Schuhe und fahre auf einem mit Leoparden bespannten Wagen daher. Unter ihm kommandierten noch zwei Befehlshaber: der eine sei ein kurzes dickes altes Männchen mit vorhängendem Bauch, einer platten Affennase und langen emporstehenden Ohren, trage einen safranfarbigen Weibermantel, stütze sich, wenn er gehe, auf einen Nartherstab, reite aber, weil er sich nicht lange auf den Beinen halten könne, gewöhnlich auf einem Esel; der andere sei vollends gar ein abenteuerlicher Bursche, an der unteren Hälfte einem Ziegenbock ähnlich, mit zottelhaarigen Schenkeln, einem langen Bocksbart, ebendergleichen Hörnern und einem sehr hitzigen böckischen Temperament; in der einen Hand trage er eine Rohrpfeife, in der anderen einen krummen Stecken; und so hüpfe und springe er, in großen Sätzen, unter dem ganzen Heere herum und schrecke die Weiber, die bei seinem Anblick mit fliegenden Haaren hin und wider liefen und Evoe! Evoe! riefen, welches vermutlich der Name ihres Oberbefehlshabers sei. Übrigens hätten diese tollen Weibsstücke schon große Verwüstungen unter den Herden angerichtet; sie rissen junge Lämmer und Kälber ohne Umstände lebendig in Stücke und fräßen vermutlich das Fleisch ungekocht.
Was konnten die Inder und ihr König zu solchen Nachrichten anders tun als lachen? Natürlicherweise hielten sie es nicht der Mühe wert, einem solchen Gesindel ein ordentliches Heer entgegenzustellen; sollten sie wirklich näher heranrücken, so würden, dachten sie, ihre Weiber bald mit ihnen fertig werden: denn daß sie in eigener Person gegen tolle Weibsbilder und einen General in einer Weiberhaube und gegen das kleine betrunkene alte Männchen und das Mittelding von Mensch und Ziegenbock mit seinen nackten Tänzern zu Felde ziehen sollten, daran war gar nicht zu denken: sie würden sich selbst den Sieg über so lächerliche Gegner zur Schande gerechnet haben. Wie man ihnen aber berichtete, was der Gott bereits für Verwüstungen im Lande angerichtet, wie er schon ganze Städte samt ihren Einwohnern in Asche gelegt habe, einen Wald nach dem andern anzünde und daß in kurzem, wenn man ihn so fortmachen lasse, ganz Indien in voller Flamme stehen werde, da (denn das Feuer ist ja eine Waffe des Dionysos vom Vater und dessen Blitzstrahl her) sahen sie, daß die Sache ernsthafter war, als sie sie sich vorgestellt hatten. Alles griff nun eilends zu den Waffen, die Elefanten wurden angeschirrt und mit Türmen auf dem Rücken gegen den Feind geführt, den sie zwar noch jetzt verachteten, aber doch, voll Erbitterung über das von ihm angerichtete Unheil, nicht genug eilen konnten, den bartlosen Feldherrn mit seinem ganzen wütenden Heere zu zerschmettern.
Beide Armeen standen nun einander gegenüber. Die Inder stellten sich in geschlossenen Gliedern hinter ihre Elefanten, die vor die Front geführt wurden. Bacchus ist ebenfalls beschäftigt, seine Truppen in Schlachtordnung zu stellen: er selbst setzt sich ins Zentrum, Silen führt den rechten Flügel an, Pan den linken; die Satyrn nehmen die Stelle der Hauptleute ein; Evoe ist das Feldgeschrei. Nun werden die Trommeln gerührt, die Klapperbleche ertönen, einer von den Satyrn bläst aus vollen Backen statt der Trompete in sein Horn, und sogar der Esel Silens iaht so martialisch als er kann, um das Seinige zum Schrecken der Feinde beizutragen; indes die Mänaden, mit Schlangen umgürtet, die unterm Efeu versteckten Eisenspitzen ihrer Thyrsosstäbe entblößen und mit fürchterlichem Geheul unter die Feinde springen. Die armen Inder hatten den Mut nicht, ihren Anfall auszuhalten; sie und ihre Elefanten gerieten sogleich in Unordnung, wandten um und suchten ihr Heil in einer schimpflichen Flucht; kurz, sie wurden überwältigt und von eben den Gegnern, derer sie vorher gespottet hatten, gefangen davongeführt und so durch eigene Erfahrung belehrt, daß man unbekannte Streiter nicht auf bloßes Hörensagen verachten müsse.

[Quelle: Lukian, Sämtliche Werke in fünf Bänden. Herausgegeben von Hanns Floerke. Berlin 2. Aufl. 1922; Bd. 3, S. 204-207]
Re: Der Indienzug des Dionysos
Γραικίσκος schrieb am 04.04.2012 um 13:41 Uhr (Zitieren)
 
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