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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Es gibt keine Hellenisierung des Christentums (944 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 14.04.2012 um 13:19 Uhr (Zitieren)
Unter diesem Titel wird in der heutigen FAZ eine theologische Kontroverse zwischen Josef Ratzinger (alias ...) und seinem Kritiker Georg Essen ("Hellenisierung des Christentums?" in der Zeitschrift Theologie und Philosophie) nachgezeichnet. Während Ratzinger meint, durch die Definition des Gottessohnes als dem Vater homoousios auf dem Konzil von Nikäa habe sich das Christentum hellenisiert, meint Esser, umgekehrt habe sich die griechische Philosophie unter dem Einfluß jüdischer und christlicher Überlieferung gewandelt.
Re: Es gibt keine Hellenisierung des Christentums
ανδρέας schrieb am 14.04.2012 um 13:42 Uhr (Zitieren)

Griechisch war doch die Gebrauchssprache der damaligen Zeit. Daraus kann man doch nicht die Richtung ableiten, denke ich. Ich habe den Artikel nicht gelesen, denke aber, dass mit der Verchristlichung nicht nur die griechischen Götter, sondern leider auch das Wissen der Antike verschüttet wurde. Sonst hätte man nicht bloß Galileo verboten, über das geozentrische Weltbild nachzudenken, sondern auch mathematische Kenntnisse und das Wissen erhalten und auch weiterentwickelt , das erst in der Renaissance wieder aufgegriffen wurde.
Re: Es gibt keine Hellenisierung des Christentums
Γραικίσκος schrieb am 14.04.2012 um 14:12 Uhr (Zitieren)
Das Argument mit dem homoousios kommt mir etwas dünn vor; aber ich kenne Ratzingers Schrift, auf die sich Esser bezieht, nicht.
Ich entsinne mich daran, daß hier im Forum einmal von der These die Rede war, die christliche Theologie der Spätantike habe einen Bruch mit der Antike bedeutet.
Re: Es gibt keine Hellenisierung des Christentums
Γραικίσκος schrieb am 14.04.2012 um 14:15 Uhr (Zitieren)
Anscheinend hat das Problem eine große Bedeutung für Ratzingers Anliegen, Religion (Theologie) und Vernunftz (Philosophie) in Einklang zu halten. Meines Wissens ist es sogar ein katholisches Dogma, daß die Existenz Gottes durch Vernunft aus der Naturordnung erkannt werden könne.
Re: Es gibt keine Hellenisierung des Christentums
ανδρέας schrieb am 14.04.2012 um 14:46 Uhr (Zitieren)

Da bezieht er sich wohl auf Thomas von Aquin.
Re: Es gibt keine Hellenisierung des Christentums
Γραικίσκος schrieb am 14.04.2012 um 14:54 Uhr (Zitieren)
Die "quinque viae" des Thomas, ja; der gilt ja auch als Kirchenlehrer.
Re: Es gibt keine Hellenisierung des Christentums
ανδρέας schrieb am 14.04.2012 um 14:58 Uhr (Zitieren)
Ja, es gibt 5 Arten von Gottesbeweisen:

1. kosmologisch

Gott ist die notwendige letzte Ursache der Welt;
weil alles eine Ursache hat, muss es eine letzte Ursache geben, die durch nichts bedingt ist.
(vgl. Aristoteles )

2. teleologisch
Grundthese ist, dass alle Geschehnisse auf ein bestimmtes Ziel (Telos) gerichtet sind.)
Die Ordnung der Welt weist auf einen zwecksetzenden Geist.

3. historisch
es gibt kein Volk ohne Religion

4. ontologisch
Von der Idee eines vollkommenen Wesens wird auf dessen Existenz geschlossen;
Ein vollkommenes Wesen wäre nicht mehr vollkommen, wenn ihm etwas fehlen würde,
nämlich seine Existenz.
(vgl. Anselm v. Canterbury, Descartes)

5. moralisch
folgert von der Unabdingbarkeit der sittlichen Forderung (kategorischer Imperativ) auf
einen Urheber des moralischen Bewusstseins
(Kant )
Re: Es gibt keine Hellenisierung des Christentums
Γραικίσκος schrieb am 14.04.2012 um 15:03 Uhr (Zitieren)
Vergessen wir nicht den hier schonmal erwähnten keraunologischen Gottesbeweis.
Das sind aber nicht die "quinque viae" des Thomasaus seiner Summa theologiae, sondern:
Auf fünf Wegen kann man zum Erweis kommen, daß es Gott gibt. Am ersten und deutlichsten ist der von der Bewegung her genommene Weg. Es ist nämlich gewiß und steht durch die Sinneswahrnehmung (sensu) fest, daß manches in der Welt sich bewegt. Alles aber, was in Bewegung ist, wird von einem anderen bewegt. Nichts ist nämlich in Bewegung, es sei denn, wenn es in einer Möglichkeit zu dem steht, wozu es hinbewegt wird: bewegen tut sich aber eins zufolge dem, daß es in Wirklichkeit ist (secundum quod est actu). Bewegen ist nämlich nichts anderes, als etwas aus der Möglichkeit in die Wirklichkeit herausholen; aus der Möglichkeit etwas in die Wirklichkeit heimzubringen, vermag aber nur wirklich Seiendes, gerade wie das wirkende (in actu) Warme, so Feuer, Holz, das der Möglichkeit nach (in potentia) warm ist, wirklich (actu) warm sein macht, und damit bewegt es an ihm und macht ein anderes daraus. Nun aber kann eins und dasselbe nicht in ein und derselben Hinsicht zugleich in der Wirklichkeit und in der Möglichkeit sein, sondern nur in verschiedener Hinsicht. Was nämlich in der Tat (actu) warm ist, kann nicht zugleich möglicherweise (in potentia) warm sein, sondern hat gleichzeitig nur die Möglichkeit, kalt zu sein. Es ist also unmöglich, daß etwas in ein und derselben Hinsicht bewegend und bewegt ist oder sich selbst bewegt. Also alles, was bewegt wird, braucht ein anderes, um bewegt zu werden. Falls also das, wovon es bewegt wird, sich bewegt, so braucht dies selbst ein anderes, um bewegt zu werden, und das wieder eins. Dabei kann man aber nicht ins Unendliche gehen, weil es dann kein Erstbewegendes gäbe und infolge davon nicht irgend eins, das ein anderes bewegte, weil die bewegenden Zweitheiten (die zweiten, folgenden Bewegenden) nur dadurch bewegen, daß sie von einem ersten Bewegenden bewegt sind, gerade wie der Stock nur dadurch bewegt, daß er mit der Hand bewegt wird. Man muß also notwendigerweise zu einem Erstbewegenden hinkommen, das von keinem bewegt wird, und darunter verstehen alle Gott.

Der zweite Weg kommt aus dem Wesen der Wirkursache. Wir begegnen nämlich in dem sinnlich Wahrnehmbaren vor uns einer Reihenstellung von Wirkursachen, ohne freilich, das ist auch nicht möglich, etwas zu finden, das die Wirkursache seiner selbst ist; es würde ja damit früher sein, als es selber ist, was unmöglich ist. Nun ist es aber unmöglich, bei den eine Wirkung hervorbringenden Ursachen ins Unendliche zu gehen. Grund: bei allen in einer Reihe stehenden Ursachen mit Wirkungen ist die erste die Ursache der mittleren und die mittlere die Ursache der letzten, seien ihrer in der Mitte mehr oder nur eine; nimmt man aber die Ursache weg, so entfällt auch die Wirkung; also, falls es kein Erstes bei den Wirkursachen gibt, ist auch nicht ein Letztes und nicht ein Mittleres da. Geht man aber ins Unendliche mit den Wirkursachen, so gibt es nicht eine erste wirkende Ursache, und so sind weder eine letzte Wirkung da, noch Wirkursachen in der Mitte; es ist klar, daß das falsch ist. Es ist also notwendig, irgend eine Wirkursache als erste hinzustellen; diese nennen alle Gott.

Den dritten Weg nimmt man aus dem Möglichen und dem Notwendigen her; er ist folgender. Wir treffen unter den Dingen etliches, dem es möglich ist, zu sein und nicht zu sein: wenn uns etliches in Fortpflanzung und Auflösung begegnet und folglich die Möglichkeit hat, zu sein und nicht zu sein. Es ist aber bei allem Derartigen unmöglich, immer zu sein, weil, was die Möglichkeit des Nichtseins hat, auch einmal nicht ist. Wenn also alles in der Möglichkeit steht, nicht zu sein, so war irgend wann einmal nichts an Dingen da. Wenn das aber wahr ist, so gäbe es auch heute nichts, weil, was nicht ist, nur durch eins, was da ist, dazusein beginnt; wenn also nichts im Sein war, so war es unmöglich, daß etwas dazusein begonnen hätte; auf die Weise gäbe es zur Zeit nichts: was offenkundig falsch ist. Es sind also nicht alle Dinge im Stand der Möglichkeit, sondern für irgend eins unter den Dingen ist es erforderlich, daß es notwendig da ist. Jedes Notwendige aber hat die Ursache seiner Notwendigkeit entweder anderswoher, oder es hat sie nicht anderswoher. Es ist aber nicht möglich, bis ins Unendliche bei dem Notwendigen weiterzugehen, das eine Ursache seiner Notwendigkeit hat, gerade wie es nach dem Bewiesenen auch bei den Wirkursachen nicht möglich war. Also muß man etwas hinstellen, das durch sich notwendig ist, ohne die Ursache der Notwendigkeit anderswoher zu haben, das vielmehr für die anderen die Ursache der Notwendigkeit ist: das heißen alle Gott.

Der vierte Weg wird den Stufungen entnommen, die man in den Dingen entdeckt. Man findet nämlich in den Dingen etliches mehr oder weniger gut und wahr und edel, und so geht es auch mit anderem derart. Aber Mehr und Weniger werden von Verschiedenem gesagt, je nachdem es auf verschiedene Weise sich einem nähert, das es am meisten ist: wie mehr warm ist, was näher an das herankommt, was am meisten warm ist. Es gibt also etwas, welches das Wahrste und das Beste und das Edelste und folglich das am meisten Seiende ist; denn das, was am meisten wahr ist, ist am meisten seiend [...]. Was aber in einer Gattung im höchsten Grade das Solche heißt, ist die Ursache von allem, was dieser Gattung angehört; gerade wie das Feuer, das am meisten warm ist, die Ursache alles Warmen ist. [...] Es gibt also etwas, das allen Seienden die Ursache des Seins und der Gutheit und jeglicher Vollkommenheit ist: und das nennen wir Gott.

Der fünfte Weg wird von der Regierung der Dinge hergenommen. Wir sehen nämlich, daß einiges, was der Erkenntnis entbehrt, nämlich die natürlichen Körper, um eines Zweckes willen tätig ist; was daraus hervorgeht, daß sie immer oder doch häufig in derselben Weise tätig sind, um das zu erreichen, was das Beste ist; daraus ist klar, daß sie nicht aus Zufall, sondern aus einer Absicht an das Ziel gelangen. Was aber keine Erkenntnis hat, strebt nicht zu einem Ziel, es sei denn, daß es von einem in Richtung gebracht ist, das Erkenntnis und Vernunft hat, gerade wie der Pfeil vom Schützen. Also gibt es ein Vernünftiges, von dem alle Naturdinge zu einem Ziel hingeordnet werden: und das heißen wir Gott.

Re: Es gibt keine Hellenisierung des Christentums
Γραικίσκος schrieb am 14.04.2012 um 15:09 Uhr (Zitieren)
Ach so ... wo ich's herhabe: Thomas von Aquino, Summe der Theologie. Zusammengestellt und herausgegeben von Joseph Bernhart. 3 Bände. Bd. 1, Stuttgart 3. Aufl. 1985, S. 22-26
Re: Es gibt keine Hellenisierung des Christentums
ανδρέας schrieb am 14.04.2012 um 15:15 Uhr (Zitieren)
Schopenhauers keraunologischer Gottesbeweis: auf Furcht gegründet.

Auch: Primus in orbe Deos fecit timor … Petronius.

Es steht schon in der Bibel:

Initium sapientiae timor Domini (Psam 111,10)

Re: Es gibt keine Hellenisierung des Christentums
Γραικίσκος schrieb am 14.04.2012 um 15:22 Uhr (Zitieren)
Woher hast Du dieses Petronius-Zitat?
Re: Es gibt keine Hellenisierung des Christentums
ανδρέας schrieb am 14.04.2012 um 15:31 Uhr (Zitieren)

Statius, Theb. 3,661 angeblich nach Petronius
Re: Es gibt keine Hellenisierung des Christentums
Βοηθός Ἑλληνικός schrieb am 14.04.2012 um 15:35 Uhr (Zitieren)
Petronius Fragment 27.
Siehe Tusculum - Ausgabe (2004) S.374
Re: Es gibt keine Hellenisierung des Christentums
ανδρέας schrieb am 14.04.2012 um 15:39 Uhr (Zitieren)
Danke Βοηθός,

lange nichts gehört.
Re: Es gibt keine Hellenisierung des Christentums
Γραικίσκος schrieb am 14.04.2012 um 15:45 Uhr (Zitieren)
Ich hab's gefunden. Das ist ja ein interessanter Text!
Re: Es gibt keine Hellenisierung des Christentums
Βοηθός Ἑλληνικός schrieb am 14.04.2012 um 15:54 Uhr (Zitieren)
Ja,Petronius ist für mich einer der interessantesten Beobachter der Zeit...oft tief durchdacht. Das wird oft nicht wahrgenommen.
 
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