THE COMPANY OF THE FUTURE WILL HAVE NO WORKERS (662 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 18.05.2012 um 12:31 Uhr (Zitieren)
In der heutigen FAZ findet sich ein langer Artikel ("Bald wird alles anders sein / Doch wir können die Folgen steuern: Manifest für eine Sozialisierung der Automatisierungsdividende") von Frank Rieger, einem der Sprecher des Chaos Computer Clubs.
Rieger befaßt sich mit dem Problem der zunehmenden Zerstörung von Arbeitsplätzen (und dadurch Steuereinnahmen) durch die Digitalisierung.
Das Problem sehe ich glasklar. Was haltet Ihr von diesem Lösungsansatz?
Re: THE COMPANY OF THE FUTURE WILL HAVE NO WORKERS
Φιλομαθής schrieb am 18.05.2012 um 14:49 Uhr (Zitieren)
Das Problem der Automatisierung und ihrer Überflüssigmachung menschlicher Arbeitskraft haben wir nun seit gut 200 Jahren. Die Übernahme geistiger Tätigkeiten durch Maschinen stellt keinen grundlegenden Unterschied dar zur Übernahme rein körperlicher Tätigkeiten.
Arbeitslosigkeit muss aber nicht die Folge von Automatisierung sein, solange mit der zunehmenden Automatisierung auch eine Steigerung des Lebensstandards verbunden ist. Das frei werdende Arbeitspotential muss nur gebunden werden in gestiegenen Ansprüchen, die der Einzelne an sein Leben stellt.
Die Stagnationsfalle, in die frühkapitalistische Gesellschaftsformen mehrfach geraten sind (ich meine mich zu entsinnen, in Foucaults „Wahnsinn und Gesellschaft“ hierüber gelesen zu haben), ist heute auch von Unternehmerseite weitgehend erkannt worden, und man wirkt ihr entgegen, indem man sein Kapital eben nicht anhäuft, sondern dazu verwendet, neue Bedürfnisse (so unsinnig diese zunächst wirken mögen) zu wecken. Staatliche Steuerung sollte in diesen Prozess sehr behutsam eingreifen.
Re: THE COMPANY OF THE FUTURE WILL HAVE NO WORKERS
Γραικίσκος schrieb am 18.05.2012 um 15:05 Uhr (Zitieren)
Nur ganz rasch, weil ich nicht mehr viel Zeit habe:
1. Natürlich besteht dieses Problem seit Beginn der Industrialisierung; es verschärft sich jetzt 'nur'.
2. Daß die Unternehmer dieses Problem erkannt haben, will ich gerne glauben - schlägt es sich doch in ihren Absatzzahlen und damit in ihren Gewinnen nieder. Aber dieses Problem kann doch nicht über die Weckung zustäzlicher Bedürfnisse allein, sondern muß auch auf dem Wege der Kaufkraftsteigerung angegangen werden. Mit einem der grassierenden McJobs kann man nicht viele Bedürfnisse befriedigen. Wenn wir menschliche Arbeitskraft durch Maschinen - welcher Art auch immer - ersetzen, was wird dann aus der Kaufkraft? Hierfür will Rieger doch eine Lösung vorschlagen: der Staat besteuert Automatisierungsgewinne und setzt diese zusätzlichen Einnahmen in der einen oder anderen Art zur Erzeugung von Kaufkraft ein.
So habe ich es jedenfalls verstanden.
Re: THE COMPANY OF THE FUTURE WILL HAVE NO WORKERS
διψαλέος schrieb am 18.05.2012 um 18:19 Uhr (Zitieren)
Re: THE COMPANY OF THE FUTURE WILL HAVE NO WORKERS
ανδρέας schrieb am 18.05.2012 um 18:26 Uhr (Zitieren)
In demokratischen Ländern wird auf Dauer niemand gegen die Bedürfnisse der Menschen handeln können.
Die Industrielle Revolution des 19. Jhdts schuf zunächst neue Arbeitsplätze und führte auch zu einer Bevölkerungssteigerung. Heute reduziert sich die Bevölkerung. Neue Arbeitsplätze entstehen in den Dienstleistungbranchen z.B. Altenpflege, zumindest in Europa. Insgesamt wäre ein demographisches "Minuswachstum" (welch ein Wort) über einen längeren Zeitraum sicher gut. Arbeit verändert sich und die Menschen passen sich an. So war es immer. Heute geht es den Menschen in Europa so gut wie nie zuvor. Soziale Standards sind vergleichsweise sehr hoch. Noch vor 150 Jahren arbeiteten 70 - 80 % der Bevölkerung in der Landwirtschaft. Das hat sich radikal geändert und niemand ist verhungert. Das Problem verschärft sich nicht! Es wird nur so empfunden. Eine Frage der Wahrnehmung. Unsere Großeltern sind noch mit Holzschuhen mehrere km im Winter durch den Schnee zur Schule gegangen - zumindest auf dem Lande. Heute bringt Mutti sie mit dem Auto. Der Mensch ist durch die Technik produktiver geworden und hat so viel Zeit wie nie. Das kann man auch nutzen: Entfaltung, Freizeit, Bildung etc.
Henry Ford sagte mal: "Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist."
Tempora mutantur, nos et mutamur in iliis.
Re: THE COMPANY OF THE FUTURE WILL HAVE NO WORKERS
Γραικίσκος schrieb am 18.05.2012 um 19:22 Uhr (Zitieren)
Ach. Deswegen der Weberaufstand in Schlesien?
Deswegen Berichte wie diese?:
[Quelle: Geschichte in Quellen, Band V: Das bürgerliche Zeitalter 1815-1914. Herausgegeben von Günter Schönbrunn. München 1980, S. 111-113]
Re: THE COMPANY OF THE FUTURE WILL HAVE NO WORKERS
Γραικίσκος schrieb am 18.05.2012 um 19:39 Uhr (Zitieren)
Wer Maschinen anschafft statt Menschen einzustellen, der tut das, um Lohnkosten zu sparen.
Jede andere Auffassung ergibt in meinen Augen keinen Sinn.
***
Was man immer wieder hört, ist, daß es Europa noch nie so gut gegangen sei wie heute. Vermutlich gilt das seit der Zeit des Imperialismus. Aber warum beschänkt man die Perspektive auf Europa? Ist das noch der tatsächlichen internationalen Verflechtung von Produktion und Handel angemessen?
C&A sowie H&M bieten derzeit Bikinis für 4,00 bzw. 4,99 Euro an. Woher kommen die? Wer näht die? Zu welchen Löhnen?
Die kommen gewiß nicht aus Europa.
Re: THE COMPANY OF THE FUTURE WILL HAVE NO WORKERS
ανδρέας schrieb am 18.05.2012 um 20:14 Uhr (Zitieren)
Die Arbeitsplätze verlagern sich z.B. von der Landwirtschaft zur Industrie, von der Produktion zur Dienstleistung etc. . Das habe ich gesagt. Jede Veränderung bringt Gewinner und Verlierer hervor. Maschinen werden sich nicht abschaffen lassen und wer nicht wettbewerbsfähig produziert verliert Arbeitsplätze im Laufschritt. Das Ruhrgebiet hat auch Jahrzehnte für die Anpassung gebraucht. Aber man hat nicht verboten, die Kohleförderung zu reduzieren. Heute arbeiten die Söhne und Enkel von Bergleuten als Manager, Lehrer (auch Philosophen) oder Computerfachleute. Nur, weil es nicht ohne Schwiergkeiten funktioniert , kann man nicht einfach jammern und sich beklagen. Jemand muss übrigens auch Maschinen erdenken, konstruieren und bauen.
Solarenergie u.a. moderne "alternative" Energien werden auch mit Maschinen erzeugt! Nie gab es mehr Unterhaltungsindustrie, medizinische Möglichkeiten und Bücher/Literatur. Solange der Mensch denkt hat er sich Werkzeuge ausgedacht - also Maschinen. Da kann man auch dagegen protestieren, dass die Sonne immer nur im Osten aufgeht - wie ungerecht, der Westen wäre auch mal dran. Veränderungsprozesse muss man menschengerecht bewältigen. Das ist sicher das Problem. Weil das nicht immer sofort funktioniert.
Gegen die Meschen, die ja Wähler sind, wird da auf Dauer nichts laufen, wenn sie sich engagieren.
Die Welt ändert sich.
Re: THE COMPANY OF THE FUTURE WILL HAVE NO WORKERS
διψαλέος schrieb am 18.05.2012 um 20:42 Uhr (Zitieren)
Es hilft alles nichts.
Das Grundübel, das hat Karl Marx schon richtig erkannt, ist der Kapitalismus an sich und die
in ihm die sich bedingende Akkumulation des Kapitals.
Das war zu allen Zeiten so, und daran sind die entsprechenden Gesellschaften zerbrochen.
Immer, wie die Geschichte lehrt.
Re: THE COMPANY OF THE FUTURE WILL HAVE NO WORKERS
ανδρέας schrieb am 18.05.2012 um 20:56 Uhr (Zitieren)
Man kann sich übrigens an der Kapitalakkumulation beteiligen und an Projekten mitverdienen. Das klappt natürlich meist nicht, wenn man es tatsächlich versäumt, in Deutschland wenigstens einen Schulabschluss oder gar eine Ausbildung zu absolvieren . Man muss auch nicht reich werden. Es reicht, wenn man sich der normalen Arbeitnehmerschaft anschließt. Selbst dann, wenn man dies für überflüssig hält kann man hier nicht verhungern, darf zum Arzt und bekommt eine Wohnung. In anderen Ländern ist das sicher anders.
Zum Beispiel in Griechenland. Da arbeiten 300 Leute im Wasserwerk, obwohl 100 reichen würden. Die Überzähligen erscheinen dann dankenswerter Weise auch nicht zur Arbeit, um die anderen nicht zu behindern. Lohn und Rente bekommen sie trotzdem.
Da bekommt die "Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral" (Böll) gleich eine ganz neue Qualität.
Ich weiß, das ist überspitzt. Aber ohne Kapitalakkumulation hätten wir kaum den technischen Fortschritt der heutigen Zeit.
Re: THE COMPANY OF THE FUTURE WILL HAVE NO WORKERS
διψαλέος schrieb am 19.05.2012 um 00:08 Uhr (Zitieren)
@ανδρέας,
ich werde mich nicht weiter zu dem Thema äussern.
Das hier ist ein Forum für die Freunde der Antike.
Politische Foren gibt es genug.
Nur soviel:
Ich bin, das gebe ich zu, weit "links" in meiner politischen Denkweise.