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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Das Apollinische und das Dionysische (605 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 13.07.2009 um 22:27 Uhr (Zitieren)
Musik und tragischer Mythus sind in gleicher Weise Ausdruck der dionysischen Befähigung eines Volkes und von einander untrennbar. Beide entstammen einem Kunstbereiche, das jenseits des Apollinischen liegt; beide verklären eine Region, in deren Lustaccorden die Dissonanz eben so wie das schreckliche Weltbild reizvoll verklingt; beide spielen mit dem Stachel der Unlust, ihren überaus mächtigen Zauberkünsten vertrauend; beide rechtfertigen durch dieses Spiel die Existenz selbst der „schlechtesten Welt“. Hier zeigt sich das Dionysische, an dem Apollinischen gemessen, als die ewige und ursprüngliche Kunst-gewalt, die überhaupt die ganze Welt der Erscheinung in’s Dasein ruft: in deren Mitte ein neuer Verklärungsschein nöthig wird, um die belebte Welt der Individuation im Leben festzu-halten. Könnten wir uns eine Menschwerdung der Dissonanz denken – und was ist sonst der Mensch? – so würde diese Dissonanz, um leben zu können, eine herrliche Illusion brauchen, die ihr einen Schönheitsschleier über ihr eignes Wesen decke. Dies ist die wahre Kunstabsicht des Apollo: in dessen Namen wir alle jene zahllosen Illusionen des schönen Scheins zusammenfassen, die in jedem Augenblick das Dasein überhaupt lebenswerth machen und zum Erleben des nächsten Augenblicks drängen.
Dabei darf von jenem Fundamente aller Existenz, von dem dionysischen Untergrunde der Welt, genau nur soviel dem menschlichen Individuum in’s Bewußtsein treten, als von jener apollinischen Verklärungskraft wieder überwunden werden kann, so dass diese beiden Kunsttriebe ihre Kräfte in strenger wechselseitiger Proportion, nach dem Gesetze ewiger Gerechtigkeit, zu entfalten genöthigt sind. Wo sich die dionysischen Mächte so ungestüm erheben, wie wir dies erleben, da muss auch bereits Apollo, in eine Wolke gehüllt, zu uns herniedergestiegen sein; dessen üppigste Schönheitswirkungen wohl eine nächste Generation schauen wird.
Dass diese Wirkung aber nöthig sei, dies würde Jeder am sichersten, durch Intuition, nachempfinden, wenn er einmal, sei es auch im Traume, in eine althellenische Existenz sich zurückversetzt fühlte: im Wandeln unter hohen ionischen Säulengängen, aufwärtsblickend zu einem Horizont, der durch reine und edle Linien abgeschnitten ist, neben sich Wiederspiegelungen seiner verklärten Gestalt in leuchtendem Marmor, rings um sich feierlich schreitende oder zart bewegte Menschen, mit harmonisch tönenden Lauten und rhythmischer Gebärdensprache – würde er nicht, bei diesem fortwährenden Einströmen der Schönheit, zu Apollo die Hand erhebend ausrufen müssen: „Seliges Volk der Hellenen! Wie gross muss unter euch Dionysus sein, wenn der delische Gott solche Zauber für nöthig hält, um euren dithyrambischen Wahnsinn zu heilen!“ – Einem so Gestimmten dürfte aber ein greiser Athener, mit dem erhabenen Auge des Aeschylus zu ihm aufblickend, entgegnen: „Sage aber auch dies, du wunderlicher Fremdling: wie viel musste dies Volk leiden, um so schön werden zu können! Jetzt aber folge mir zur Tragödie und opfere mit mir im Tempel beider Gottheiten!“


[Quelle: Friedrich Nietzsche, Sämtliche Werke. Herausgegeben von Giorgio Colli und Mazzino Montinari. Kritische Studienausgabe, München 1980; Band 1, S. 154-156]

Ich weiß wirklich nicht, was ich von dieser Art Mystifizierung halten soll.
Re: Das Apollinische und das Dionysische
Bibulus schrieb am 14.07.2009 um 00:03 Uhr (Zitieren)
Ich muß sagen, Friedrich Nietzsche war nie der Freund meiner Gedankengänge
Re: Das Apollinische und das Dionysische
Γραικίσκος schrieb am 14.07.2009 um 13:02 Uhr (Zitieren)
Wenn ich Nietzsche hier richtig verstehe: Es gibt eine ekstatisch-exzessive Kunst aus den Trieben heraus (das Dionysische) und eine Kunst, welche diese Triebe durch Maß und Struktur, durch Vernunft insgesamt, zähmt und in gesittete Bahnen leitet (das Apollinische). Und beides vereint die Tragödie, z.B. das Maßlose & Expressive des Leidens durch das Maß der rhythmischen und sonstigen Strukturen, vermutlich auch durch das Maß der Gerechtigkeit (Schuld - Strafe).
Ob es das trifft?
Die Dramen des Euripides vermutlich nicht so.
 
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