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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Freiheit vs. Verpflegung (357 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 06.06.2012 um 14:20 Uhr (Zitieren)
Ein Wolf, der nichts als Knochen war und Haut –
Dank guter Wacht der Schäferhunde –
Traf eine Dogge einst, die, stark und wohlgebaut,
Glänzenden Fells und feist, just jagte in der Runde.
„Ha!“ – dachte Meister Isegrim –
Die so zum Frühstück, wär nicht schlimm!“
Doch stand bevor ein Kampf, ein heißer,
Und unser Hofhund hatte Beißer,
Gemacht zur harten Gegenwehr.
Drum kommt der Wolf ganz freundlich her
Und spricht ihn an, so ganz von ungefähr,
Bewundernd seines Leibes Fülle.
Die, lieber Herr, ist’s Euer Wille“ –
Erwiderte der Hund – „blüht Euch so gut wie mir!
Verlaßt dies wilde Waldrevier;
Seht Eure Vettern, ohne Zweifel
Nur dürft’ge Schlucker, arme Teufel,
Sie lungern hier umher, verhungert, nackt und bloß!
Hier füttert keiner Euch, Ihr lebt nur – mit Verlaub –
Vom schlechtesten Geschäft, dem Raub.
Drum folgt mir, und Euch winkt – glaubt nur – ein besser Los.“ –
„Was“ – sprach der Wolf – „hab ich dafür zu leisten?“ –
„Fast nichts!“ – so sagt der Hund. – „Man überläßt die Jagd
Den Menschen, denen sie behagt,
Schmeichelt der Dienerschaft, doch seinem Herrn am meisten.
Dafür erhält die nicht verspeisten
Tischreste man zum Lohn, oft Bissen leckrer Art,
Hühner- und Taubenknöchlein zart,
Manch andrer Wohltat zu geschweigen!“ –
Schon träumt der Wolf gerührt vom Glück der Zukunft, und
Ein Tränlein will dem Aug entsteigen;
Da plötzlich sieht er, daß am Halse kahl der Hund.
„Was ist das?“ – fragt er. – „Nichts!“ – „Wie? Nichts?“ – „Hat nichts zu sagen!“ –
„Und doch?“ – „Es drückte wohl das Halsband hier mich wund,
Woran die Kette hängt, die wir mitunter tragen.“ –
„Die Kette?“ – fragt der Wolf. – „Also bist du nicht frei?“ –
„Nicht immer; doch was ist daran gelegen?“ –
„So viel, daß ich dein Glück, all deine Schwelgerei
Verachte! Bötst du meinetwegen
Um den Preis mir ´nen Schatz, sieh, ich verschmäht ihn doch!“
Sprach’s, lief zum Wald zurück flugs und – läuft heute noch.

[Quelle: Jean de La Fontaine, Sämtliche Fabeln. Herausgegeben von Hermann Lindner. München 1978, S. 21-23]
Re: Freiheit vs. Verpflegung
Φιλομαθής schrieb am 06.06.2012 um 14:44 Uhr (Zitieren)
Seltsam ist mir immer jener Freiheitsbegriff erschienen, den vor allem die republikanische Rechte in Amerika vertritt, wonach jede Bestrebung des Staates, für eine gleichmäßigere Verteilung des Wohlstandes zu sorgen als eine Beschneidung persönlicher Freiheit begriffen wird. Im Begriff der Freiheit scheint auch ein gewisses Maß an Zivilisationsfeindlichkeit mitzuschwingen.
Re: Freiheit vs. Verpflegung
ανδρέας schrieb am 06.06.2012 um 18:45 Uhr (Zitieren)

Wölfe leben normalerweise in Rudeln. Da bestimmt die Hierarchie den Grad der Freiheit. Alphatiere fressen zuerst. Der letzte in der Reihe darf die Knochen ablutschen.
Im Grunde geht es um das "Risikoprinzip vs. Solidaritätsprinzip". Ein hoher Freiheitsgrad bedeutet auch, dass das Risiko hoch ist. Solidarität reduziert zwar das Risiko, mindert aber auch die Freiheit. Man sehe mal auf seine Steuern und Sozialabgaben. In Deutschland wollen alle möglichst viel Freiheit - aber wenn es kneift, schauen alle auf den Staat. Merkwürdig: als sich in der Finanzkrise viele Sparer um ihre aufgeschwatzten Geldanlagen sorgten, war der erste Ruf der nach staatlicher Unterstützung. Dabei gilt Vertragsfreiheit (nur die Toren signieren ohne zu studieren !). Ich habe mich da gefragt, ob die bedauernswert leichtgläubigen Menschen, die sich grandiose Gewinne von ihren Finanzanlagen versprachen ohne die geringste Ahnung davon zu haben, auch die Gewinne mit der Solidargemeinschaft geteilt hätten, wenn es geklappt hätte! Vermutlich hätten sie über die Steuern gejammert und einen Teil dem Finanzamt verschwiegen.
Gewinne werden individualisiert, Verluste gern sozialisiert - das gilt für alle Menschen.
Die Solidarität ist zwar ein hohes Gut, birgt aber auch Mitnahmeeffekte in sich, die in unserem Land selbstverständlich geworden sind.
Insofern ist mir der Wolf sympathisch. Er verteidigt seine Freiheit mit allen Konsequenzen inklusive Risiko. Das wird in Deutschland immer seltener, meine ich bemerkt zu haben.
 
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