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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Dionysos als Satan (491 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 06.06.2012 um 14:27 Uhr (Zitieren)
Anatole France berichtet in seinem Roman "Der Aufruhr der Engel" über den gescheiterten Aufstand der Engel unter der Führung Luzifers gegen Jahwe. Im folgenden Ausschnitt geht es um die Beziehungen der gestürzten Engel zu den Menschen, berichtet von Nectaire, einem dieser Engel.
[...]
Sie errichteten Pyramiden, Obelisken, Türme, riesenhafte Bildsäulen mit starrem, wildem Lächeln, und Symbole der Schöpfung. Da sie gelernt hatten, uns zu kennen oder wenigstens zu ahnen, empfanden sie Furcht und Freundschaft für uns. Die Weisesten unter ihnen belauschten uns mit heiligem Schauder und sannen über unsere Lehren nach. In ihrer Dankbarkeit weihten uns die Völker Griechenlands und Asiens Steine, Bäume und schattige Gehölze, brachten uns Opfer dar und sagen uns Hymnen; kurz, wir waren Götter für sie, und sie nannten uns Horus, Isis, Astarte, Zeus, Pallas, Cybele, Demeter und Triptolemos. Satan wurde unter den Namen Dionysos, Evan, Jacchos und Lenaios verehrt. Er zeigte in seinen Erscheinungen soviel Kraft und Schönheit, wie die Menschen begreifen können. Seine Augen hatten die Sanftheit der Waldveilchen, auf seinen Lippen glänzte das Rubin offener Granatäpfel, ein Flaum, zarter als der Samt der Pfirsiche, bedeckte seine Wangen uns sein Kinn; sein blondes Haar, zu einem Diadem geflochten und weich auf dem Scheitel verknotet, war mit Efeu gegürtet. Er bezauberte die wilden Tiere und zog, in die tiefen Wälder dringend, alle wilden Geister und alles an sich, was auf Bäumen kletterte und mit trotzigen Augen durch das Gezweige spähte, alle die heftigen und scheuen Wesen, die von bitteren Beeren genährt, in behaarter Brust ein unbezähmtes Herz trugen, die Halbmenschen der Gehölze, denen er Gewogenheit und Gnade mitteilte, und die ihm trunken vor Freude und Schönheit folgten. Er pflanzte die Rebe und lehrte die Sterblichen, die Traube zu zertreten, um den Wein herauslaufen zu lassen. Von einem langen Gefolge begleitet, durchzog er die Welt glänzend und wohltätig. Um ihn zu begleiten, nahm ich die Gestalt eines Bocksfüßlers an; meiner Stirn entwuchsen zwei sprossende Hörner: ich trug eine breitgedrückte Nase und spitze Ohren; zwei Drüsen wie bei den Ziegen hingen mir am Halse, an meinem Kreuz bewegte sich ein Bocksschwanz, und meine haarigen Beine endeten in schwarze, gespaltne Hufe, die im Gleichklang den Boden schlugen.
Dionysos vollendete seinen Triumphzug durch die Welt. Ich durchzog mit ihm Lydien, die phrygischen Gefilde, die brennenden Ebenen Persiens, das mit Reif bedeckte Medien, das glückliche Arabien, das reiche Asien, dessen Meer die blühenden Städte bespülte. Er fuhr in einem mit Löwen und Luchsen bespannten Wagen einher, zum Klang der Flöten, der Zymbeln und der Trommeln, die für seine Zauberspiele erfunden worden waren. Bacchanten, Thyaden, Mänaden, das gesprenkelte Hirschfell um die Lenden gegürtet, schwangen den efeuumwundnen Thyrsusstab. Er schleppte die Satyrn, deren fröhliche Schar ich führte, die Silenen, Pane und Zentauren als Gefolge mit sich. Unter seinen Schritten sprossen Blumen und Früchte, und aus dem Felsen ließ er auf einen Schlag seines Thyrsusstabes durchsichtige Quellen springen.
Zur Zeit der Weinernte besuchte er Griechenland; und die Dörfler eilten vor sein Angesicht, mit roten oder grünen Pflanzensäften bemalt, das Gesicht mit einer Maske aus Holz, Rinde oder Blättern bedeckt, eine irdene Schale in der Hand, und tanzten anstößige Tänze. Ihre Frauen ahmten den Begleiterinnen des Gottes nach, umwanden den Kopf mit grünen Stechwinden und knoteten Felle von Ziegen und Rehkälbchen um ihre geschmeidigen Hüften. Die Jungfraun banden Gewinde von Feigen an ihren Hals, kneteten Kuchen aus Weizenmehl und trugen den Phallus im mystischen Korbe. Und die Winzer erfanden die Tragödie, da sie, mit Hefe beschmiert, aufrecht in ihren Wagen, mit den Vorübergehenden Spott- und Schmähreden wechselten.
Gewiß nicht durch Schlummern am Rande einer Quelle, sondern durch harte Arbeit lernte Dionysos die Gewächse zu veredeln und das Tragen saftiger, schwellender Früchte von ihnen zu erzwingen. Und während er die Kunst bedachte, aus plumpen Waldbewohnern ein Geschlecht zu machen, das die Leier liebt und sich gerechten Gesetzen unterwirft, strich mehr als einmal über seine von Begeisterung brennende Stirn die Melancholie und der düstere Wahn. Aber sein tiefes Wissen und seine Freundschaft für die Menschen ließen ihn alle Hindernisse überwinden. O göttliche Tage! O schönes Morgenrot des Lebens! Wir feierten die Bacchanale auf den gelockten Berggipfeln und dem blonden Strande des Meeres. Die Najaden und die Oreaden mischten sich in unsern Reigen. Aphrodite entstieg, als wir uns näherten, dem Schaum der Wellen, um uns zuzulächeln.

[Quelle: Anatole France, Der Aufruhr der Engel. München 1922, S. 162-165]
Re: Dionysos als Satan
Γραικίσκος schrieb am 06.06.2012 um 19:58 Uhr (Zitieren)
Ich habe gelesen, daß Anatole France hirnphysiologisch hätte schwachsinnig sein sollen ... wg. eines extrem kleinen Gehirns.

Das war er aber gewiß nicht.
 
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