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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Der Sohn der Unzucht (449 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 07.06.2012 um 15:21 Uhr (Zitieren)
Ein jüdischer Chronist des 12. Jhdts. schildert die Pogrome während des 1. Kreuzzuges:
„[...] Als sie durch die Städte zogen, in denen Juden waren, sagten sie zueinander: Nun ziehen wir so weiten Weg, das ‚Haus der Schwachen und Vernichteten’ aufzusuchen und an den Ismaeliten Rache zu nehmen; und siehe, hier mitten unter uns wohnen die Juden, deren Väter ihn unschuldig schlugen und kreuzigten. Wohlan, rächen wir uns zuerst an ihnen und rotten sie aus unter den Völkern, daß des Namens Israel nicht mehr gedacht werde; oder sie sollen so werden wie wir und sich zum ‚Sohn der Unzucht’ bekennen.

(zitiert nach: Haim Hillel Ben-Sasson, Das Martyrium der rheinländischen Juden; in: Rainer Beck (Hrsg.), Das Mittelalter. Ein Lesebuch zur deutschen Geschichte 800- 1500. München ²1997, S. 123)

Den "Sohn der Unzucht", das mußte ich im Unterricht erklären!

Dieser Aufruf, die Juden "auszurotten unter den Völkern" ... im Jahre 1096!
Re: Der Sohn der Unzucht
ανδρέας schrieb am 07.06.2012 um 16:51 Uhr (Zitieren)

Als erstes Pogrom auf europäischem Boden gilt das Massaker von Granada im Jahre 1066 durch die muslimische Bevölkerung. 1096 begann der erste Kreuzzug, der 1099 mit der Eroberung Jerusalems endete. Dabei wurden durch die Kreuzritter unterschiedslos alle umgebracht, die sich nicht schnell genug retten konnten, auch Christen. Beute und Blutrausch überlagerten alle hehren Ziele dieser Eroberung. Besonders während der Pest im 14. Jhdt. wurden dann die Juden beschuldigt, Verursacher der Katastrophe zu sein. Ein Grund findet sich immer, wenn man einen braucht.
Re: Der Sohn der Unzucht
Γραικίσκος schrieb am 07.06.2012 um 17:03 Uhr (Zitieren)
Als erstes Pogrom auf europäischem Boden gilt das Massaker von Granada im Jahre 1066 durch die muslimische Bevölkerung.

Das ist interessant, weil die Moslems unter meinen Schülern nämlich bei diesem Thema gerne die Haltung einnehmen: ts, ts ... diese Christen!
Re: Der Sohn der Unzucht
ανδρέας schrieb am 07.06.2012 um 18:10 Uhr (Zitieren)

Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein ...

Ich erinnere mal an Luthers Schriften gegen die Juden. Sein 7- Punkte -Plan zum Umgang mit den Juden liest sich wie eine Anleitung aus dem Dritten Reich:

„Erstlich, das man jre Synagoga oder Schule mit feur anstecke und, was nicht verbrennen will, mit erden überheufe und beschütte, das kein Mensch ein stein oder schlacke davon sehe ewiglich Und solches sol man thun, unserm Herrn und der Christenheit zu ehren damit Gott sehe, das wir Christen seien. – Zum anderen, das man auch jre Heuser des gleichen zerbreche und zerstöre, … Zum sechsten, das man jnen den Wucher verbiete und neme jnen alle barschafft und kleinot an Silber und Gold, und lege es beiseit zu verwaren. – Zum siebenden, das man den jungen, starcken Jüden und Jüdin in die Hand gebe flegel, axt, karst, spaten, rocken, spindel und lasse sie jr brot verdienen im schweis der nasen.“


Martin Luther: Von den Juden und ihren Lügen (1543); in Martin Luthers Werke, Kritische Gesamtausgabe, Band 53; Verlag H. Böhlau, 1920; S. 522–523
Re: Der Sohn der Unzucht
Γραικίσκος schrieb am 07.06.2012 um 18:30 Uhr (Zitieren)
Luther scheut in diesem Text vor nichts zurück:
Ich habe viel Historien gelesen und gehort von den Jueden [...]. Nemlich, wie sie die Brunnen vergifftet, heimlich gemordet, Kinder gestolen [...]. Item, das ein Juede dem andern uber feld einen Topff vol bluts, auch durch einen Christen, zugeschickt, Item, ein Fass wein, da das ausgestruncken, ein todter Juede im Fasse gefunden, Und der gleichen viel. Und das Kinder stelen hat sie offt [...] verbrenet und veriecht. [...]
Wenn du sihest oder denckest an eine Jueden, So sprich bey dir selbs also: Sihe, Das maul, das ich da sehe, hat alle Sonnabent meinen lieben Herrn Jhesum Christ, der mich mit seinem theuren Blut erloset hat, verflucht und vermaledeiet und verspeiet, dazu gebettet und geflucht fur Gott, das ich, mein Weib und Kind und alle Christen erstochen und auffs iemerlichst untergangen werden, wolts selber gern thun, wo er kuendte, das er unser gueter besitzen moechte, Hat auch villeicht heute dieses tages viel mal auff die Erden gespeiet uber dem Namen Jhesu (wie sie pflegen), das jm der Speichel noch im Maul und Bart henget, wo er raum hette zu speien. Und ich solte mit solchem verteufelten maul essen, trincken oder reden, So moecht ich aus der schuessel oder kannen mich voller Teufel fressen und sauffen, als der ich mich gewis damit teilhaftig machet aller Teufel, so in den Jueden wonen und das theure Blut Christi verspeien. Da behuet mich Gott fur.

Re: Der Sohn der Unzucht
Γραικίσκος schrieb am 07.06.2012 um 18:31 Uhr (Zitieren)
Wenn ein jüdischer Chronist Jesus den "Sohn der Unzucht" nennt, ist das natürlich ebenfalls nicht frei von Polemik.
Re: Der Sohn der Unzucht
ανδρέας schrieb am 07.06.2012 um 19:08 Uhr (Zitieren)

Wenn man alle unterdrückten Minderheiten, ob Indianer, Juden oder Afrikaner usw. aus der Geschichte hervorkramt und untersucht, wer, wann, wem mal etwas angetan hat, und dann nach der Maxime "Auge um Auge" verfährt, wird man nicht übersehen, dass nicht Argumente, sondern Interessen die Menschheit leiten. Generationsübergreifende Hassparolen werden so nie enden. Das gilt für die Bezeichnung "Kreuzritter" (die bösen Christen) ebenso, wie für die pauschale Zuordnung als Terroristen (die bösen Muslime).
Man müsste just zur Fussballeuropameisterschaft mal 5 Tage den Strom ausschalten. Es wäre interessant, welche Volksgruppen dann dem Verdacht der Sabotage ausgesetzt wären. Dann bricht vielleicht unter der dünnen Firnis der Zivilisation das hervor, das man nur in Notzeiten bei Menschen erleben wird. Not macht erfinderisch. Und wer frustriert nichts erfindet reagiert brutal.
Aber vielleicht ist die Menschheit ja weiter und die unterschiedlichsten Leute versammeln sich friedlich vereint vor den Fernsehern derjenigen, die ein Notstromaggregat haben ...
Re: Der Sohn der Unzucht
Γραικίσκος schrieb am 07.06.2012 um 19:14 Uhr (Zitieren)
Dazu habe ich kürzlich eine interessante Diskussion im Unterricht geführt:

S: Menschen brauchen immer Sündenböcke.
L: Welche Sündenböcke haben wir denn heute?
S: Ausländer.
L: Das sind die Sündenböcke für Rechtsradikale. Seid ihr etwa rechstradikal?
S: Wir? Nein!
L: Und welche Sündenböcke habt ihr denn?
(langes Zögern)
S: Lehrer ... Eltern?
L: Das paßt! Bei Lehrern sind es die Schüler.
Re: Der Sohn der Unzucht
ανδρέας schrieb am 07.06.2012 um 20:22 Uhr (Zitieren)
Die Christen waren auch mal Sündenbock:

Si Tiberis ascendit in moenia, si Nilus non ascendit in rura, si caelum stet, si terra movit, si fames, si lues, statim «Christianos ad leonem!


Tertullian, Apologie, XL,2

Vielleicht wäre eine Sündenbock-Agentur ja eine gute Geschäftsidee. Früher gab es für Fürstenkinder sogar Prügelknaben.
Re: Der Sohn der Unzucht
filix schrieb am 07.06.2012 um 21:41 Uhr (Zitieren)
Ist der jüdische Chronist bzw. sein "Sohn der Unzucht" (Mamser; ממזר) nicht ein spätes Echo auf die Panthera-Legenden?
 
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