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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Wieder verschwindet ein Wort! (448 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 16.06.2012 um 15:48 Uhr (Zitieren)
das Fräulein

Die Jugendlichen, deren Klausuren ich korrigiere, kennen die Zeit nicht mehr, in der man das noch sagen durfte oder gar - auch das gab es ja - eine Frau sich stolz dazu (d.h. zu ihrer Jungfräulichkeit) bekannte.
Re: Wieder verschwindet ein Wort!
ανδρέας schrieb am 16.06.2012 um 15:58 Uhr (Zitieren)

Unsere Grundschullehrerin - eine Endfuffzigerin - mussten wir auch mit "Fräulein" anreden. Sie war sicher unschuldig, nur schlug sie die Schüler mit der Faust in den Rücken bis sie wieder brav waren. Das Frauenbild hat sich verändert. Die Sprache gibt ja auch immer das Lebensbild der Zeit wieder.
Re: Wieder verschwindet ein Wort!
Γραικίσκος schrieb am 16.06.2012 um 16:04 Uhr (Zitieren)
Das tut sie gewiß, die Sprache. Und dann gibt es Menschen, die von berufswegen ständig Texte in einer älteren Sprachform mit jüngeren Sprechern behandeln müssen.
Jetzt muß ich, als einer von jenen, an den Rand schreiben, was ein Fräulein ist.

(Lehrerinnen hatte ich übrigens nie, und Fräuleins kenne ich vor allem aus der Kirche ... sowie aus dem Lied "Fräulein" von Chuck Berry - als Teil des amerikanischen Staunens über das deutsche 'Fräuleinwunder'.)
Re: Wieder verschwindet ein Wort!
Γραικίσκος schrieb am 16.06.2012 um 16:10 Uhr (Zitieren)
Ach, das Fräuleinwunder, das war gar nicht diskrimierend, sondern staunend-bewundernd gemeint.
Re: Wieder verschwindet ein Wort!
ανδρέας schrieb am 16.06.2012 um 16:24 Uhr (Zitieren)

Die Deutschen haben es überhaupt mit "Wundern":
Das Wunder von Bern
Das Wunder von Lengede
Wunderwaffen
"Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehn"

Ἐν ἀρχῇ ἦν ὁ λόγος. … καλὸς καὶ ἀγαθός.
Ἀρχὴ ἥμισυ παντός.

Was in der Lebenswirklichkeit nicht mehr auftaucht verschwindet über kurz oder lang.
Re: Wieder verschwindet ein Wort!
Γραικίσκος schrieb am 16.06.2012 um 16:33 Uhr (Zitieren)
Was in der Lebenswirklichkeit nicht mehr auftaucht verschwindet über kurz oder lang.

Du meinst gewiß das Wort.

Gibt es keine Jungfrauen mehr? Ah, "Jungfrau" ist ein anderes Wort als "Fräulein".
Re: Wieder verschwindet ein Wort!
ανδρέας schrieb am 16.06.2012 um 17:05 Uhr (Zitieren)

Früher war eine unverheiratete Frau ein "Fräulein". Dabei wurde unterstellt, dass ....
Heute gibt es ledige Mütter, pardon, Alleinerziehende. Die Begriffe/Wörter geben Aufschluss über gesellschaftliche Veränderungen.
Es wäre interessant, wenn es darüber Studien hinsichtlich der Antike gäbe. Aber das dürfte wegen der Quellenlage unmöglich sein.
Re: Wieder verschwindet ein Wort!
Hylebates schrieb am 17.06.2012 um 16:18 Uhr (Zitieren)
Manchmal leiste ich es mir noch, Damen mit "Fräulein xy" anzusprechen. Auch Erwachsene; und es ist immer "ganz lieb" gemeint.
Nur meine Frau ist immer böse geworden, wenn ich vor der Hochzeit von ihr als "Fräulein abc" gesprochen habe. Dabei war es immer "ganz lieb" gemeint.
Ich finde das Wort auch toll. Ich liebe das Wort. Wenn es aber einer emanzipierten Frau zu drollig, und deswegen wohl abwertend klingt ...

Antike Wortuntersuchung gibt es, aber es scheint mir ein Glücksspiel zu sein. Man weiß letztendlich ja nicht, warum Platon dieses und jenes Wort (nicht) benutzt, während andere es (nicht) benutzen oder (nicht) benutzt haben.
Für eine Hauptseminararbeit habe ich aber gleichwohl Archaismen und Neologismen bei Lukrez (oder bei Alkaios?) untersucht.
Re: Wieder verschwindet ein Wort!
ανδρέας schrieb am 17.06.2012 um 17:06 Uhr (Zitieren)

Muss man angesichts der griechischen Stadtstaaterei nicht ohnehin annehmen, dass es regionale Unterschiede in Aussprache und Präferenz bestimmter Begrifflichkeiten gab? Darüber können die Quellen der klassischen Autoren nur wenig aussagen, denke ich. Allerdings wird die rasante Änderung ethischer Fragen damals nicht so stattgefunden haben.
Re: Wieder verschwindet ein Wort!
Hylebates schrieb am 17.06.2012 um 19:11 Uhr (Zitieren)
Allerdings wird die rasante Änderung ethischer Fragen damals nicht so stattgefunden haben.
Das ist Γραικίσκου Gebiet.

Und dann gibt es Menschen, die von berufswegen ständig Texte in einer älteren Sprachform mit jüngeren Sprechern behandeln müssen.
Jetzt muß ich, als einer von jenen, an den Rand schreiben, was ein Fräulein ist.
Das kenne ich nur zu gut. Man bekommt manchmal den Eindruck, dass Texte von vor 1980 in einer Fremdsprache verfasst sind. Da heißt es sogar, dass Dürrenmatts Kriminalromane schwer verständlich wären! Von Goethe, Schiller oder Barockgedichten müssen wir dann gar nicht reden.

Inhaltlich ist das häufig etwas, von dem Schüler denken, dass die ethischen Fragestellungen sich rasant geändert haben. Sie sehen da kaum noch eine Relevanz. Aber dafür sind wir ja da, nicht wahr?
Re: Wieder verschwindet ein Wort!
ανδρέας schrieb am 17.06.2012 um 19:28 Uhr (Zitieren)
Aber dafür sind wir ja da, nicht wahr?


Lieber Hylebates,

ich glaube, dass jede Generation ihre eigenen Erfahrungen machen muss. Es ist allerdings nicht erforderlich, auch alle Fehler selber zu machen.
Das "Fräulein" bleibt sicher unrettbar verloren und das ist wirklich nicht relevant, denke ich.
Re: Wieder verschwindet ein Wort!
Σαπφώ schrieb am 17.06.2012 um 20:03 Uhr (Zitieren)
Dafür habe ich viele Freundinnen, die sich noch mit Stolz Mademoiselle und Miss nennen. Auch ich heiße auf der Insel Miss.
Re: Wieder verschwindet ein Wort!
Γραικίσκος schrieb am 17.06.2012 um 20:07 Uhr (Zitieren)
Das ist das Seltsame. In anderen Sprachen wird diese Unterscheidung anscheinend nicht als diskriminierend empfunden.
Re: Wieder verschwindet ein Wort!
ανδρέας schrieb am 17.06.2012 um 20:29 Uhr (Zitieren)

Bis 1957 durfte in der BR Deutschland (anders als in anderen Ländern) der Ehemann der Ehefrau noch die Berufstätigkeit untersagen. Die Berufstätigkeit blieb bis dahin meist nur den "Fräuleins" vorbehalten. Als sich das änderte starb das Fräulein langsam mit aus, denke ich. Eine verheiratete Frau würde sich sicher nicht als Fräulein anreden lassen, nur weil sie arbeitet.
Re: Wieder verschwindet ein Wort!
Γραικίσκος schrieb am 17.06.2012 um 20:30 Uhr (Zitieren)
Stimmt. Das machte damals noch einen juristischen Unterschied aus. Das war mir nicht bewußt.
 
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