α β γ δ ε ζ η θ ι κ λ μ ν ξ ο π ρ ς σ τ υ φ χ ψ ω Α Β Γ Δ Ε Ζ Η Θ Ι Κ Λ Μ Ν Ξ Ο Π Ρ C Σ Τ Υ Φ Χ Ψ Ω Ἷ Schließen Bewegen ?
Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Umformungen (664 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 18.06.2012 um 15:59 Uhr (Zitieren)
Aristoteles (Die Lehre vom Satz, Kap. 4) lehrt, daß nur Aussagesätze wahr oder falsch sein können, nicht Frage- und auch nicht Befehlssätze.

Aber können nicht alle Arten von Sätzen in Aussagesätze umgeformt werden?
- "Setz dich auf den Stuhl!" --> "Ich möchte, daß du dich auf den Stuhl setzt." (d.h. ein Befehlssatz macht in Wahrheit eine Aussage [sic!] über das Vorliegen eines Wunsches beim Sprecher)
- "Sitzt du auf dem Stuhl?" --> "Ich möchte wissen, ob du auf dem Stuhl sitzt." (d.h. ein Fragesatz macht in Wahrheit eine Aussage über das Vorliegen eines [Wissens-]Wunsches beim Sprecher)
Es wären sozusagen Aussagen über bestimmte psychische Zustände im Sprecher. Und also solche könnten sich durchaus unwahr sein.
Re: Umformungen
Hylebates schrieb am 18.06.2012 um 16:43 Uhr (Zitieren)
Natürlich kann man alle Arten von Sätzen in Aussagesätze umformen, aber was daran kann wahr oder unwahr sein?
Die - wie heißt es noch gleich - funktionelle Satzanalyse oder so macht darüber Aussagen.
An "Ich möchte wissen, ob ..." kann nur das "ich möchte wissen" als wahr oder unwahr bezeichnet werden, nicht der untergeordnete Satz. Da hast Du Recht.

Deine Frage, ob Befehlssätze oder Fragesätze auf diesem Weg als wahr oder unwahr bezeichnet werden können, muss allerdings immer noch verneint werden, weil ja nur der übergeordnete Hauptsatz (der eigentliche Aussagesatz) wahr oder unwahr sein kann.
Re: Umformungen
Γραικίσκος schrieb am 18.06.2012 um 16:44 Uhr (Zitieren)
Das setzt natürlich voraus, daß Befehls- oder Wunschsätze ohne Bedeutungsverlust in Aussagesätze umgeformt werden können.

Wenm mir X sagt: "Koche keinen Spinat für mich!", dann übersetze ich mir das in: "Ich mag keinen Spinat. Wenn Du mir etwas anderes als Spinat kochst, dann freue ich mich; wenn Du mir dennoch Spinat kochst, dann ärgere ich mich."
Dann überlege ich (falls es nicht eh klar ist), ob (1) das wirklich der Wunsch von X und (2) ob ich den Wunsch habe, X zu ärgern oder eine Freude zu bereiten. Entsprechend handele ich.
(1) setzt voraus, daß der Wunsch ist der Tat unwahr (z.B. nur aus Höflichkeit geäußert) sein könnte.

Auf diese Weise habe ich durchaus den Eindruck, allein mit Aussagesätzen zurechtzukommen.

Ich meine mich jetzt zu erinnern, bei John Austin ("How To Do Things With Words") gelesen zu haben, daß es keine klare Abgrenzung zwischen Aussage- und anderen Sätzen gebe.
Dann hätte Aristoteles unrecht.
Re: Umformungen
Γραικίσκος schrieb am 18.06.2012 um 16:45 Uhr (Zitieren)
(Das habe ich vor der Lektüre von Hylbates' Antwort geschrieben.)
Re: Umformungen
Hylebates schrieb am 18.06.2012 um 16:49 Uhr (Zitieren)
Aber Du hast es ja andersherum gedacht! Dass die Frage eine Aussage beinhaltet.

Ja, kann ich denn einen psychischen Zustand als unwahr bezeichnen? Jetzt magst Du sagen, dass ich das ja gar nicht wissen will, dass ich in Wirklichkeit gar nicht frage - aber kannst Du das als unwahr erkennen?
Re: Umformungen
Hylebates schrieb am 18.06.2012 um 16:50 Uhr (Zitieren)
Huch, Du hast ja schon was geschrieben! Muss ich erst lesen.
Re: Umformungen
Γραικίσκος schrieb am 18.06.2012 um 16:51 Uhr (Zitieren)
"Regnet es?" = "Ich möchte wissen, ob es regnet" = "Ich möchte wissen (w/f), ob der Satz 'Es regnet' wahr ist oder unwahr.
Daß der untergeordnete Satz nicht wahr oder falsch ist bzw. sein kann, trifft doch jetzt nicht mehr zu, oder? Ich weiß nur nicht, welches von beiden der Fall ist; und der Hauptsatz drückt aus, daß (w/f) ich dies wissen möchte.
Ich meine, daß das Element, welches nicht wahr oder falsch sein kann (das es ja nach Aristoteles geben soll), auf diese Weise verschwindet.
Re: Umformungen
Γραικίσκος schrieb am 18.06.2012 um 16:58 Uhr (Zitieren)
Das sind doch beides Propositionen:

- "Ich bin der Ansicht, daß X der Fall ist." [w/f]
- "Ich möchte wissen [w/f], ob X der Fall ist [w] oder nicht [f]."
Re: Umformungen
Γραικίσκος schrieb am 18.06.2012 um 17:02 Uhr (Zitieren)
Beim Befehls-/Wunschsatz:

- "Ich wünsche [w/f], daß 'P tut X' der Fall ist [w] und nicht nicht der Fall ist [nicht f]."
Re: Umformungen
Hylebates schrieb am 18.06.2012 um 17:04 Uhr (Zitieren)
Nein, Du meinst nicht, dass dieses Element verschwindet! ;-)

Das ist mir erstmal zu theoretisch. Da muss ich drüber nachdenken.
Von der Kommunikation her kann ein Gliedsatz nicht wahr oder falsch sein. D.h. er hat keinen Aussagecharakter und im Dialog kann man sich nicht einfach auf ihn beziehen.
"Ich weiß, dass er nicht da ist." "Das ist falsch!" - von der Kommunikationssituation her müsste sich die Antwort auf die Aussage "ich weiß" beziehen. Tut sie häufig aber nicht.
Das war es, was ich meinte.
Und Du ...
Re: Umformungen
Γραικίσκος schrieb am 18.06.2012 um 17:12 Uhr (Zitieren)
"Ich weiß [nehme an], daß er nicht da ist." - "Das ist falsch!" - "Was ist falsch? Daß ich es weiß/annehme (--> Lüge) oder daß er nicht da ist? (--> Irrtum)"

Beides ist möglich.

Daß die Frage zunächst theoretisch ist, stimmt. Für mich heißt das aber nur, daß ich halt gerne begreife, was man eigentlich tut, wenn man spricht.

In der Praxis fasziniert mich die Möglichkeit, Normen (die ja oft etwas hochnäsig daherkommen) auf Aussagesätze über Wünsche des Sprechers zu reduzieren (was dann einen weit weniger hehren Charakter hat).
Re: Umformungen
Hylebates schrieb am 18.06.2012 um 17:23 Uhr (Zitieren)
"Ich weiß [nehme an], daß er nicht da ist." - "Das ist falsch!" - "Was ist falsch? Daß ich es weiß/annehme (--> Lüge) oder daß er nicht da ist? (--> Irrtum)"

Mir fehlt leider die Begrifflichkeit, weil ich so eingerostet bin, wenn es nicht um Cäsar oder Schulbuchlektionen geht, aber laut irgendeiner Theorie der funktionalen Satzperspektive (H.-W. Eroms) ist nur falsch, dass ich es annehme.
Aber das stört die Alltagssprache nicht.
Re: Umformungen
arbiter schrieb am 18.06.2012 um 17:32 Uhr (Zitieren)
ich glaube mich erinnern zu können dass z.B. Wittgenstein darauf hingewiesen hat, dass die Frage nach der Wahrheit bei Aussagen über Emotionen u.ä. keinen Sinn macht. Niemand kann entscheiden, ob die Aussage "ich habe Kopfschmerzen" oder "ich weiß, dass mein Erlöser lebet" wahr oder unwahr ist (manchmal nicht einmal der Sprecher selbst).
Re: Umformungen
Γραικίσκος schrieb am 18.06.2012 um 17:46 Uhr (Zitieren)
Hm.

Der frühe Wittgenstein unterscheidet - wie die Wiener Schule - zwischen sinnvollen und sinnlosen Sätzen (Scheinsätzen). Da gibt es dann in der Tat Sätze, die das Wahr-falsch-Spiel nicht mitmachen - aber eben darum sind sie keine wirklichen Sätze; sie erwecken nur den Eindruck. Wir sollten/müssen im Grunde darüber schweigen.

Der späte Wittgenstein legt die Bedeutung von Sätzen anders fest: durch Bezug auf Verhalten. "Ich habe Kopfschmerzen" hat nicht die Bedeutung einer Aussage über innere, nur introspektiv, also nicht intersubjektiv erfahrbare Sachverhalte, sondern über ein 'Kopfschmerzverhalten'. Insofern können solche Aussagen dann sehr wohl wahr oder falsch sein. Wenn jemand fröhlich herumspringt (Verhalten!) und dabei sagt: "Ich habe Kopfschmerzen", dann hat er nicht verstanden, was 'Kopfschmerzen' bedeutet.

Wiederum anders steht es beim späten Wittgenstein mit religiösen Aussagen, die eine Bedeutung haben, welche er 'symbolisch' nennt. Das meint wohl ein Bekenntnis zu einer bestimmten Lebenspraxis, also ebenfalls ein Verhalten.
Re: Umformungen
arbiter schrieb am 18.06.2012 um 17:59 Uhr (Zitieren)
hmm, kann Verhalten wahr sein?

Hiervon abgesehen, führt der Exkurs nicht weiter.
Wie oben schon angedeutet, ist auch die Umformung nicht hilfreich. Im Normalfall (von ironischen oder rhetorischen Fragen mal abgesehen) wird man bei der Frage "regnet es ?" das Anwortbedürfnis, bei der Anweisung "mehr Licht" das Bedürfnis nach Abstellung eines Mangels als "wahr" unterstellen.
Re: Umformungen
Γραικίσκος schrieb am 18.06.2012 um 18:09 Uhr (Zitieren)
Goethes "mehr Licht!" ist ein einfacher Fall; "du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!" ein schwierigerer.
Ich merke, daß meine Auffassung der von Nietzsche nahekommt: das Gebot der Nächstenliebe sagt nichts anderes als: "Ich fühle mich wohler, wenn ..." Und das ist eine im Grunde unspektakuläre Aussage (!) über meine Lebensbedürfnisse. Die Verbindlichkeit für andere, durch das Gebot beansprucht, löst sich dabei in (heiße) Luft auf.
Re: Umformungen
arbiter schrieb am 18.06.2012 um 18:28 Uhr (Zitieren)
hier führst Du die - ursprünglich nur sprachanalytisch aufgefasste - Frage zu Recht weiter - die Kommunikationsforschung ist ja weit über die begrenzten Ansätze von Ari und Wittge hinausgegangen (Google"bilder zur kommunikation" bringt ca. 500 Modelle).
Die prima facie verifizierbare Sachaussage "Es regnet" z.B. kann je nach Situation ja auch meinen: Ich bleibe im Bett - oder: Nimm einen Schirm !
Re: Umformungen
Γραικίσκος schrieb am 18.06.2012 um 18:29 Uhr (Zitieren)
"Du sollst ..." bzw. "Man soll ..." kann dann sogar falsch sein. Nietzsche hält es ja für 'lebensfeindlich'.
Re: Umformungen
Hylebates schrieb am 18.06.2012 um 19:04 Uhr (Zitieren)
Uiui.

1. Was meint der frühe Wittgenstein mit dem Wort "Satz"?
2. Ist die Theorie des späten Wittgenstein ähnlich gemeint wie die Sprechakttheorie? (Die meinte arbiter wohl.)
3. Geht es hier noch um Sprachlogik oder schon um Ethik?
Re: Umformungen
Γραικίσκος schrieb am 18.06.2012 um 19:11 Uhr (Zitieren)
ad 1.: Ein Satz ist das Bild einer Tatsache. (TLP)
ad 2.: Ja.
ad 3.: Ich denke, das verbindet sich hier - für mich ausgelöst durch Deine Feststellung, meine Frage sei theoretisch; da habe ich darüber nachgedacht, wofür das praktisch relevant ist.
Re: Umformungen
Γραικίσκος schrieb am 18.06.2012 um 19:14 Uhr (Zitieren)
Die prima facie verifizierbare Sachaussage "Es regnet" z.B. kann je nach Situation ja auch meinen: Ich bleibe im Bett - oder: Nimm einen Schirm!

Das trifft natürlich zu. Auf die(se) Verbindung zu Austin bin auch ich schon gekommen: s.o. Wenn ich Austin richtig verstehe, kann man jedem Satz - kontextabhängig - den Sinn eines Aussage-, Frage- oder Wunschsatzes geben.
 
Antwort
Titel:
Name:
E-Mail:
Eintrag:
Spamschutz - klicken Sie auf folgendes Bild: Pfau

Aktivieren Sie JavaScript, falls Sie kein Bild auswählen können.