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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Latein und Griechisch in Irland (479 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 20.06.2012 um 12:04 Uhr (Zitieren)
Für den irischen Dichter und Literaturnobelpreisträger William Butler Yeats war das Lateinische ein unsympathische Sprache, vor deren verderblicher Wirkung er seine Umgebung gerne bewahrt wissen wollte. Seine ablehnende Haltung war symptomatisch für eine Tendenz, die ihre Wurzeln im romantisch geprägten Europa hatte und auf den Britischen Inseln des Viktorianischen Zeitalters besondere Verbreitung fand: Während man die griechische Sprache und Literatur zu einem Hort ästhetischer Ideale verklärte, galt das Lateinische als Sprache des Durchschnittsbürgers in einer damals noch sehr katholisch geprägten irischen Welt.
Es schien ausgerechnet einer der großen Figuren der literarischen Moderne, James Joyce, vorbehalten, diese biedere Rolle des Lateinischen zu befragen, um die ästhetischen Abgründe der stigmatisierten Sprache freizulegen (Joseph Farrell: "Joyce and modernist Latinity", in: Reception and the Classics, hrsg. von William Brockliss u.a., Cambridge University Press, 2012). Farrell unternimmt zunächst behutsame Streifzüge durch Joyce' Lebensgeschichte, wie sie sich zumal in seinen Briefen greifen lässt: Immer wieder beklagt er, selbst ein exzellenter Lateinschüler, dass er aufgrund der engen irischen Curriculas keinen Griechischunterricht genossen habe. [...]
In Joyce' Hauptwerk kommt der Konflikt zwischen dem stilisierten Künstlerjargon Griechisch und der abgegriffenen Bürgersprache Latein zu voller Entfaltung. Der Bezug zur griechischen Antike ist evident: In dem komplexen Romanepos fungiert Homers "Odyssee" als mythopoetische Folie, mit deren Hilfe die modern überzeichnete Trivialität im Tagesablauf der drei Handlungsträger beständig verfremdet und relativiert wird. Farrell nun legt das Hauptaugenmerk auf die schillernde Rolle des Lateinischen. Schließlich beginnt Joyce seinen Roman schon mit der lateinischen Eingangsformel des Stufengebets ("introibo ad altare dei") [...]

(Melanie Möller in der FAZ vom 20.6.2012: Latein für die guten Dubliner)

Von Schopenhauer her ist mir diese unterschiedliche Einschätzung der beiden Sprachen gut bekannt. Daß sie insgesamt für die Romantik typisch war, war mir neu.
Re: Latein und Griechisch in Irland
Φιλομαθής schrieb am 20.06.2012 um 13:48 Uhr (Zitieren)
Hinter einer Lorbeerhecke schimmerte ein Licht im Fenster einer Küche und man hörte die Stimme eines Dienstmädchens, das beim Messerschleifen sang. Cranly blieb stehen um zuzuhören und sagte:
- Mulier cantat.
Die sanfte Schönheit des lateinischen Wortes rührte voll entrückenden Zaubers ans Abenddunkel, rührte heimlicher und betörender daran, als die Berührung durch Musik oder die Hand einer Frau es sein konnten. Der Zwist der Geister war erstickt. Die Gestalt der Frau, wie sie in der Liturgie der Kirche erscheint, glitt schweigend durch das Dunkel: eine weißgekleidete Gestalt, klein und schlank wie ein Knabe und mit sich lösendem Gürtel.

James Joyce: Ein Porträt des Künstlers als junger Mann. Übers. Klaus Reichert. (BS 350, S. 275)
Re: Latein und Griechisch in Irland
Γραικίσκος schrieb am 20.06.2012 um 13:53 Uhr (Zitieren)
Ja, diese Schrift ("Ein Porträt des Künstlers ...") wird auch im weiteren Verlauf des Artikels erwähnt.

P.S.: Curricula
Re: Latein und Griechisch in Irland
Hylebates schrieb am 20.06.2012 um 16:44 Uhr (Zitieren)
Na, da hat die gute Frau Möller sich aber was geleistet! "Curriculas"! Hyperpluralis!
Oder, Γραικίσκος, kommt das etwa von Dir?
Re: Latein und Griechisch in Irland
Γραικίσκος schrieb am 20.06.2012 um 19:42 Uhr (Zitieren)
Ja, ich hab's falsch abgeschrieben.
Re: Latein und Griechisch in Irland
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 21.06.2012 um 09:57 Uhr (Zitieren)
Ein Hyperpluralis scheint mir hier weniger vorzuliegen, eher eine (eigentlich sympathische) Genitivitis ;-)
 
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