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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Ein Artikel aus der "Enzyklopädie" (487 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 22.06.2012 um 14:41 Uhr (Zitieren)
Folter - Question ou Torture (Jurisprudenz): Dieses Mittel wendet man zuweilen in Strafprozessen an, um den Angeklagten so weit zu bringen, daß er das Verbrechen gesteht, dessen man ihn beschuldigt, oder daß er seine Mitschuldigen verrät.
Dieses Verfahren besteht darin, den Angeklagten heftige Qualen ausstehen zu lassen, die allerdings gewöhnlich nicht zum Tode führen. [...]
Ganz abgesehen von der Stimme der Menschlichkeit, erfüllt die Folter nicht den Zweck, zu dem sie bestimmt ist. Ganz im Gegenteil: sie ist eine zuverlässige Erfindung, um einen Unschuldigen von schwacher und zarter Konstitution zugrunde zu richten und einen Schuldigen von kräftiger Konstitution zu retten. Diejenigen, die eine solche Qual ertragen können, und die anderen, die nicht so viel Kraft besitzen, als nötig ist, um sie auszuhalten, leugnen im gleichen Maße. Die Folter, die man beim hochnotpeinlichen Verhör anwendet, ist gewiß, das Verbrechen des Menschen, der sie erleidet, ist dies nicht. Jener Unglückliche, den Sie der Folter aussetzen, denkt weniger daran, auszusagen, was er getan hat, als sich von dem zu befreien, was er verspürt. So sagt Montaigne, die Höllenqualen seien eine gefährliche Erfindung. „Es ist mehr eine Geduldsprobe als eine Wahrheitsprobe“, fährt er fort. „Denn warum soll der Schmerz einen Unglücklichen eher dazu bringen, zu gestehen, was er ist, als ihn zwingen, zu sagen, was er nicht ist? Und umgekehrt: wenn der, welcher die Tat, deren man ihn beschuldigt, nicht begangen hat, die nötige Ausdauer besitzt, um solche Qualen zu ertragen, warum soll dann der, welcher ein Verbrechen begangen hat, nicht eine ebenso starke Veranlagung haben, da ihm doch als schöne Entschädigung das Leben sicher ist? Kurz, das ist ein sehr unzuverlässiges und gefährliches Mittel; denn was würde man nicht alles sagen und tun, um so grausamen Schmerzen zu entgehen? So kommt es, daß der, den der Richter Höllenqualen ausstehen ließ, damit er nicht unschuldig stürbe, unschuldig unter den Höllenqualen stirbt.“
Sehr beklagenswert ist also der Zustand eines Menschen, dem die Folter das Geständnis eines Verbrechens entreißt; aber der Zustand eines Richters, der sich durch das Gesetz ermächtigt glaubt und diesen unschuldigen Menschen die Folter durchmachen läßt, muß meiner Meinung nach ein gräßlicher Zustand sein. Hat er denn irgendwelche Mittel, ihn für seine Leiden zu entschädigen? Es hat in allen Zeiten unschuldige Menschen gegeben, welche die Folter zum Geständnis von Verbrechen gebracht hat, deren sie nicht schuldig waren. Die Heftigkeit des Schmerzes oder die persönliche Schwäche läßt den Unschuldigen etwas gestehen, das er nicht begangen hat, und die Hartnäckigkeit der Schuldigen, die sich trotz ihrer Verbrechen stark und sicher fühlen, läßt sie alles leugnen. (Jaucourt.)

[Quelle: Manfred Naumann (Hrsg.), Artikel aus Diderots Enzyklopädie. Frankfurt/Main 1985, S. 702 f.]

Warum mag sich die Folter trotz dieser klaren Argumente so hartnäckig halten in der Geschichte?

War sie auch im antiken Griechenland Teil des regulären Strafprozesses?
Re: Ein Artikel aus der "Enzyklopädie"
Γραικίσκος schrieb am 22.06.2012 um 14:52 Uhr (Zitieren)
Bei den Griechen und Römern wurde die Tortur angewandt. [...]
An Strafen wurden ausgesprochen: Geldstrafen, die zuweilen noch durch andere Strafen geschärft wurden, Ehrlosigkeit in verschiedenen Graden, Sklaverei, die jedoch nach Slons Gesetzen nur gegen Fremde verhängt wurde, Brandmale auf Stirn oder Hand als Strafe entlaufener oder sonst schuldiger Sklaven, die Schandsäule, auf die der Name des V erbrechers und seine Schuld geschrieben wurde, Gefangenschaft in Ketten oder Banden. Bei der Haft wurde auch entweder eine Art hölzernes Joch angewendet, das den Nacken niederhielt, oder ein Fußblock, ein Brett.

(Franz Helbing /Max Bauer: Die Tortur. Geschichte der Folter im Kriminalverfahren aller Zeiten und Völker. Berlin 1926, S. 10, 12 f.)

Dies betrifft durchweg Strafen, nicht Vernehmungsmethoden.
Re: Ein Artikel aus der "Enzyklopädie"
Γραικίσκος schrieb am 22.06.2012 um 14:53 Uhr (Zitieren)
Solons Gesetzen ...
Re: Ein Artikel aus der "Enzyklopädie"
ανδρέας schrieb am 22.06.2012 um 17:32 Uhr (Zitieren)
Warum mag sich die Folter trotz dieser klaren Argumente so hartnäckig halten in der Geschichte?


Vermutlich deshalb, weil Argumente nicht die Bedeutung haben, die man annimmt. Häufiger geht es einfach um Interessen. Ein Schuldiger musste her - egal , wie.
Re: Ein Artikel aus der "Enzyklopädie"
Γραικίσκος schrieb am 22.06.2012 um 17:52 Uhr (Zitieren)
Die Argumente beziehen sich auf die Folter als Vernehmungsmethode; in Griechenland ging es anscheinend eher um eine Strafverschärfung.

In der UdSSR zu Stalins Zeiten kam es auf das Geständnis als solches an; dessen Wahrheit war schnurz.

Ob in Griechenland die Folter auch als Teil der 'Strafprozeßordnung' existierte, habe ich noch nicht eruieren können.

Damit wird es heute auch nichts mehr, denn jetzt muß/will/werde ich ... "Tschüs für heute" sagen.
Re: Ein Artikel aus der "Enzyklopädie"
Γραικίσκος schrieb am 22.06.2012 um 17:59 Uhr (Zitieren)
Jedenfalls sollte man das auseinanderhalten:
- die Folter als 'Strafe' - da bereitet sie gewissen Leuten mit einem gewissen Geschmack offenbar einen gewissen Genuß, und
- die Folter als Mittel der 'Wahrheitsfindung' - da ist sie notorisch unzuverlässig. Und das macht der Enzyklopädist m.E. plausibel.
Re: Ein Artikel aus der "Enzyklopädie"
ανδρέας schrieb am 22.06.2012 um 17:59 Uhr (Zitieren)

Bei Stalin ging es darum, dass sich die Leute mehr um das eigene Überleben sorgen sollten, als sich mit seiner Politik auseinander zu setzen. Angst als Mittel der staatlichen Ordnung. Jeder bezichtigte jeden um des eigenen Überlebens willen ("Hotel Lux).
Im Mittelalter ging es angeblich um die unsterbliche Seele - mag das Urteil falsch sein, Gottb wird ihn erlösen.
Strafverschärfung sollte meist andere Übeltäter abschrecken. War der Verurteilte unschuldig, diente er zumindest als Werbeplakat für wirksame Justiz.
Jede Zeit arbeitet mit den Mitteln, die sie sich leisten kann.
 
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