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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Sehen, was nicht ist (682 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 02.07.2012 um 13:46 Uhr (Zitieren)
Platon thematisiert ja im Sophistes die Frage, wie man von etwas sprechen könne, was nicht der Fall ist.

Heute habe ich einmal diese Frage in einer Variante aufgeworfen: Wie kann man etwas sehen, das gar nicht da ist?

Man kann sich das in folgenden Fällen vorstellen:
(1) Man betritt einen Raum, in dem sich üblicherweise eine bestimmte Personengruppe (im folgenden "Schüler" genannt) befindet, und sagt: "Ah, ich sehe, Tim ist heute nicht da!"
(2) Man liest einen Text und bemerkt, daß von einem bestimmten Sachverhalt, den man mit Sicherheit dort als Thema erwartet hätte, gar nicht die Rede ist - m.a.W. es fällt einem beim Lesen auf, daß da etwas fehlt. (Bsp.: Ich erhalte einen Brief von einem Häftling, und er erwähnt mit keinem Wort, warum es sich in Haft befindet.)

Nun kann man klarerweise weder einen Schüler noch eine Textpassage sehen, wenn sie nicht da sind. Der oben über Tim zitierte Satz gibt den Vorgang also nicht präzise wieder. Vermutlich werden hier Sehen und Vergleich mit gespeicherten Erwartungen (Erinnerungen) verglichen und anschließend eine Schlußfolgerung gezogen.

Die eigentliche Frage, über die heute diskutiert wurde, ist nun die, ob es diese 'Schlußfolgerung' auch bei Säugetieren gibt. Kann auch eine Katze, kann ein Hund etwas vermissen, was sie erwartet haben?
Ohne Zweifel, sie können zum Freßnapf laufen und ihn wider Erwarten leer finden.
Wir meinten nun aber, daß dies auf eine bloße Gewohnheit (Konditionierung) zurückgehe, nicht auf eine Schlußfolgerung. Fall (1) erscheint bei Tieren möglich, Fall (2) nicht - und zwar nicht deshalb, weil Tiere nicht lesen, sondern weil sie nicht schlußfolgern.

Und der Satz "Ich sehe, daß Tim nicht da ist" ist vermutlich wieder eine dieser verkürzenden (elliptischen) Redeweisen, nämlich für: "Ich sehe Tim nicht, obwohl ich ihn zu sehen erwartet habe."
Re: Sehen, was nicht ist
ανδρέας schrieb am 02.07.2012 um 19:24 Uhr (Zitieren)

Kann man das nicht vereinfachen? Man sieht, was fehlt. M.W. gibt es Versuche, in denen nachgewiesen wird, dass Säugetiere Probleme durch Schlussfolgerung lösen können (auch Kraken können das recht gut).
Re: Sehen, was nicht ist
Γραικίσκος schrieb am 02.07.2012 um 23:33 Uhr (Zitieren)
Was soll das heißen: "man sieht, was fehlt"? Das ist doch das Problem - wie kann man etwas sehen, das nicht da ist?
Wenn aber sogar schon Kraken schlußfolgern können, gut.
Re: Sehen, was nicht ist
Comitissa schrieb am 03.07.2012 um 12:31 Uhr (Zitieren)
Cher Graeculus,

wenn Du als Lehrer Deiner Klasse gegenüber stehst und Tims Platz leer vorfindest, siehst Du doch, dass er fehlt. Du siehst die Lücke, die nicht Tim ist. Wenn Du es als Gleichung auffasst:
die Lücke = nicht Tim
Ich sehe die Lücke = Ich sehe nicht Tim.

Wie ist das?

Gruß von Comitissa.
Re: Sehen, was nicht ist
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 03.07.2012 um 14:12 Uhr (Zitieren)
Es ist in meinen Augen noch nicht einmal am Rande eines Oxymorons, zu sagen: "Ich sehe, daß Tim nicht da ist / fehlt." Anders läge der Fall, wenn ich sagte: "Ich sehe viele, die nicht da sind." (Professor Galetti zugeschrieben).
Es springt doch in die Augen, daß das Verb 'sehen' im ersteren Falle einen gegenüber der rein perzeptiven Bedeutung erweiterten Sinn, eine apperzeptive Komponente hat: die im Sehen eines Sachverhalts sich gründende Erkenntnis.
Der Aussage im zweiten Fall dagegen ist tatsächlich zu erwidern: etwas Abwesendes kann man nicht sehen (= erblicken). [Aber auch da ist pragmatisch klar, was der Satz besagen möchte.]

χαῖρε ὦ κόμισσα
Re: Sehen, was nicht ist
Comitissa schrieb am 03.07.2012 um 15:28 Uhr (Zitieren)
χαῖρε!
Re: Sehen, was nicht ist
Γραικίσκος schrieb am 03.07.2012 um 15:33 Uhr (Zitieren)
Wir haben also folgende Möglichkeiten:
1. "Ich sehe den fehlenden Tim" (= Quatsch)
2. "Ich sehe die Lücke" (= Ich sehe nicht Tim; Comitissas Deutung) - in diesem Falle muß zum Sehen der Lücke noch ein Denkakt kommen: Erinnerung, Vergleich u.ä.
3. "Ich sehe, daß Tim nicht da ist" (= 'sehen' in einem weiteren Sinne mit apperzeptiver Komponente; στρουθίον οἰκιακόν-Deutung)

Offenbar sind nur 2 & 3 akzeptabel, und sie haben eine Gemeinsamkeit: ein Denkvorgang ist erforderlich, d.h. es handelt sich um keinen reinen Beobachtungssatz.

Jetzt bleibt mir noch die Frage, wie es bei (Säuge-)Tieren steht. Eine ungewohnte Lücke in ihrer gewohnten Welt findet jedenfalls das Interesse meiner Katze.
Re: Sehen, was nicht ist
ανδρέας schrieb am 03.07.2012 um 18:48 Uhr (Zitieren)

Ist sehen nicht immer auch mit einer Denkleistung verbunden? Vergleich, Erinnerung, Zuordnung ... .
1. Ich sehe ein Objekt und erinnere mich, dass es Tim ist.
2. Ich vergleiche in einer bekannten Umgebung das Bild der Gegenwart mit dem meiner Erinnerung und sehe den Unterschied, die Lücke, die da ist, wo Tim sein sollte.
Man könnte auch 2 Klassen-Fotos vergleichen und sehen, wo ein Unterschied liegt: kein Tim dabei.

Was nicht da ist, kann man nicht sehen, nur erinnern und sich vor dem geistigen Auge vorstellen. In der Erinnerung sieht man Tim auf dem einen Foto, aber nicht auf dem anderen. Man kann auch nur denken man sehe etwas, z.B. ein Ungeheuer, das in den Fluten von LochNess gerade untertaucht. Das ist dann eine Wahrnehmungsstörung. Man bildet sich ein, etwas gesehen zu haben, das nicht ist.
Sehen und bewusst Wahrnehmen sind nicht identisch. Die Formulierung ist da nur eine sprachliche Vereinfachung.
Re: Sehen, was nicht ist
Γραικίσκος schrieb am 03.07.2012 um 18:54 Uhr (Zitieren)
Ist sehen nicht immer auch mit einer Denkleistung verbunden? Vergleich, Erinnerung, Zuordnung ... .

Dann können auch Tiere denken. Oder nicht sehen.
Re: Sehen, was nicht ist
Γραικίσκος schrieb am 03.07.2012 um 18:56 Uhr (Zitieren)
Die entscheidende Stelle in der Unterrichtsdiskussion (die Stelle, an der es sehr lebhaft wurde) war ja die, ob die kognitiven Leistungen, die mit der Feststellung, daß jemand bzw. etwas nicht da ist, was dazusein man erwartet hat, auch von Tieren erbracht werden können.
Re: Sehen, was nicht ist
ανδρέας schrieb am 03.07.2012 um 19:10 Uhr (Zitieren)
Träumen können (manche) Tiere offenbar. Das hier hatten wir schon einmal:

http://www.youtube.com/watch?v=z2BgjH_CtIA

Suchhunde können zumindest erschnüffeln was da ist. Wenn es fehlt, schlagen sie nicht an. Aber das ist reine Konditionierung/ lernen durch Belohnung. Der Hund weiß weder, was er sucht, noch warum (außer subjektiv für die Belohnung). Wüde ein Eichhörnchen, das man mit Eichelaroma unter der Erde veranlasst hat, seine Vorräte auszugraben, sich wundern oder sogar ärgern, wenn der Duft zwar vorhanden ist, die Eicheln aber fehlen? Ich denke, schon.
Re: Sehen, was nicht ist
Γραικίσκος schrieb am 03.07.2012 um 19:24 Uhr (Zitieren)
Das mit dem Eichhörnchen ist ein schönes Beispiel!
Es wäre eine ins Leere laufende Konditionierung. Wie beim Pawlowschen Hund, wenn doch kein Futter kommt.
Re: Sehen, was nicht ist
Comitissa schrieb am 03.07.2012 um 21:48 Uhr (Zitieren)
χαῖρεte!

Hilfe, ich habe mitten im Wort die griechischen Buchstaben deaktiviert - wie bekomme ich sie wieder? Ich wollte sie nur zur Seite schieben, da waren sie weg.

Eigentlich wollte ich Euch nur folgenden Link posten:

http://www.nationalgeographic.de/reportagen/topthemen/2008/koennen-tiere-denken

Gruß von Comitissa
Re: Sehen, was nicht ist; Hilfe für Comitissa
Γραικίσκος schrieb am 04.07.2012 um 05:46 Uhr (Zitieren)
Das ist schon vielen passiert, auch mir. Hierüber müßtest Du eine Hilfestellung finden; jedenfalls haben wir das schon mehrfach als Thema gehabt.

http://www.albertmartin.de/altgriechisch/forum/?view=1118

Ohne die griechischen Buchstaben ist es hier nur halb so lustig.
Guten Erfolg!
Re: Sehen, was nicht ist
Comitissa schrieb am 04.07.2012 um 08:33 Uhr (Zitieren)
Oje, wenn ich die Cookies lösche, gehen mir doch auch meine Lesezeichen alle verloren, oder? Vielleicht versuche ich es mal mit dieser Multitastatur aus Österreich. Aber danke für den Hinweis.

Was das Thema "Sehen, was nicht ist" betrifft: Passt dazu nicht auch ganz gut der thread "Ecce nihil" nebenan im Lateinforum?

Gruß von Comitissa
Re: Sehen, was nicht ist
Γραικίσκος schrieb am 04.07.2012 um 14:37 Uhr (Zitieren)
Es tut mir leid, Comitissa, aber für PC-Technik bin ich nicht der beste Ansprechpartner. Damals, vor drei Jahren, habe ich die Buchstaben irgendwie (ich weiß nicht mehr wie) nach den hier gemachten Angaben wiedergefunden und bin seitdem SEHR vorsichtig.
Meine Cookies lösche ich ab & zu; das hat offenbar keine Auswirkungen auf die Lesezeichen.
 
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