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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Kleiner Beitrag zur Ehrenrettung des Aristoteles (638 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 22.07.2012 um 15:29 Uhr (Zitieren)
Nun gibt es aber, wie gesagt, einige, welche es für möglich erklären, daß dasselbe sei und nicht sei und daß man dies so annehme. [...] Wir dagegen haben angenommen, es sei unmöglich, daß etwas zugleich sei und nicht sei, und haben hieraus erwiesen, daß dies das sicherste unter allen Prinzipien ist. Manche verlangen nun aus Mangel an Bildung, man solle auch dies beweisen; denn Mangel an Bildung ist es, wenn man nicht weiß, wofür ein Beweis zu suchen ist und wofür nicht. Denn daß es überhaupt für alles einen Beweis gebe, ist unmöglich, sonst würde ja ein Fortgang ins Unendliche eintreten und auch so kein Beweis stattfinden. Wenn aber für manches kein Beweis gesucht werden darf, so möchten sie wohl nicht angeben können, was sie denn mit mehr Recht für ein solches Prinzip halten wollten. Doch ein widerlegender Beweis für die Unmöglichkeit der Behauptung läßt sich führen, sobald der dagegen Streitende nur überhaupt redet; wo aber nicht, so wäre es ja lächerlich, gegen den reden zu wollen, der über nichts Rede steht, gerade insofern er nicht Rede steht; denn ein solcher ist als solcher einer Pflanze gleich. Den widerlegenden Beweis aber unterscheide ich von dem eigentlichen direkten Beweis; wollte man diesen führen, so würde man das zu Erweisende vorauszusetzen scheinen; ist aber der andere, Streitende schuld daran, so ergibt sich eine Widerlegung, aber nicht ein eigentlicher Beweis. Der Ausgangspunkt bei allen derartigen Diskussionen ist nicht, daß man vom Gegner verlangt, er solle erklären, daß etwas sei oder nicht sei (denn dies würde man schon für eine Annahme des zu Beweisenden ansehen), sondern daß er im Reden etwas bezeichne für sich wie für einen anderen; denn das ist ja notwendig, sofern er überhaupt etwas reden will. Wo nicht, so hätte ja ein solcher gar keine Rede, weder zu sich selbst noch zu einem andern. Gibt jemand einmal dies zu, so läßt sich ihm auch die Wahrheit des Axioms erweisen; denn es ist dann schon etwas fest bestimmt. Die Grundlage zum Beweise aber gibt nicht der Beweisende, sondern der, welcher Rede steht; denn er steht Rede, obgleich er doch die Rede aufhebt. [Und ferner hat der, der dies zugab, zugleich zugegeben, daß etwas wahr sei ohne Beweis, so daß sich also nicht alles zugleich so und auch nicht so verhalten würde.]

(Metaphysik 1006a ff., in der Übersetzung von Hermann Bonitz)

Die Art, wie er hier einen indirekten Beweis für das Axiom vom zu vermeidenden Widerspruch einsetzt (indem nämlich der, wer es bestreitet, es voraussetzt), die erscheint mir genial.
Re: Kleiner Beitrag zur Ehrenrettung des Aristoteles
Γραικίσκος schrieb am 22.07.2012 um 15:36 Uhr (Zitieren)
Wenn Wittgenstein mehr als 2000 Jahre später feststellt, daß man zum Zweifeln Sprache braucht und deshalb nicht an allem zweifeln kann (nämlich nicht an der Sprache), dann verdankt er die Struktur dieses Argumentes Aristoteles. Das war zu dessen Zeit ein völlig neuer Gedanke.
Re: Kleiner Beitrag zur Ehrenrettung des Aristoteles
ανδρέας schrieb am 22.07.2012 um 15:37 Uhr (Zitieren)

Aristoteles Ehre muss garnicht gerettet werden. Es ist meist unfair, nachträglich die Bemühungen zu kritisieren, wenn man über modernere Erkenntnisse verfügt. Halley glaubte, die Erde sei hohl etc. ... nunja.
Aus dem Irrtum erwächst neues Wissen.
Re: Kleiner Beitrag zur Ehrenrettung des Aristoteles
Γραικίσκος schrieb am 22.07.2012 um 15:43 Uhr (Zitieren)
Der Ausgangspunkt bei allen derartigen Diskussionen ist [...], daß er im Reden etwas bezeichne für sich wie für einen anderen; denn das ist ja notwendig, sofern er überhaupt etwas reden will. Wo nicht, so hätte ja ein solcher gar keine Rede, weder zu sich selbst noch zu einem andern.

Ah, das ist großartig! Nein, er braucht unsere Ehrenrettung nicht.
Aber wir sind Zwerge, die halt auch mal gerne über die Riesen schmunzeln, wenn sie stolpern.
Re: Kleiner Beitrag zur Ehrenrettung des Aristoteles
Φιλομαθής schrieb am 22.07.2012 um 18:25 Uhr (Zitieren)
... aber er hat das Fallgesetz nicht erkannt!

Dabei erinnere ich mich an einen Witz, den ich Salcia Landmanns Der jüdische Witz gelesen habe:

Ein Mann stapelt drei Tische aufeinander, stellt einen Stuhl obenauf, klettert mit einem gefüllten Weinglas und einer Violine auf die Lehne des Stuhls, setzt das Glas auf seine Nasenspitze und beginnt zu spielen. Eine Frau, die dabeisteht: Nuja, e Heifetz issa nich ...
Re: Kleiner Beitrag zur Ehrenrettung des Aristoteles
Γραικίσκος schrieb am 22.07.2012 um 18:33 Uhr (Zitieren)
Schönen Gruß vom Gravitationsgesetz!
DIE ZEIT vom 25. September 1987

Gesucht: Eine abstoßende Kraft
Neue Experimente nähren Zweifel an Newtons Gravitationsgesetz

Von Hans Schuh

Die mögliche Existenz einer fünften Kraft beschäftigt zur Zeit viele Physiker. Gäbe es diese bis dato übersehene zusätzliche Komponente im kosmischen Spiel der Kräfte, und einige Experimente deuten darauf hin, dann hätten Newton und Galilei unrecht, Poeten wie Siegfried Lenz hingegen könnten künftig naturwissenschaftlich halbwegs legitimiert den Diminutiv des Begriffes Kilogramm verwenden und im besten Masurendeutsch etwa von einem „Kilochen Äpfelchen“ reden. Nach der Ansicht mehrerer Forschergruppen sind nämlich die Physiklehrbücher dahingehend zu ergänzen, daß die Schwerkraft nicht nur von der Quantität, sondern auch von der Qualität sich gegenseitig anziehender Materie abhängt. Dann wäre zum Beispiel – im krassen Gegensatz zur heutigen Lehrmeinung – der freie Fall eines Objektes meßbar beeinflußt von dessen chemischer Zusammensetzung.
Die postulierte fünfte Kraft soll abstoßend, also der Gravitation entgegengesetzt wirken, eine mittlere Reichweite besitzen (über Distanzen in der Größenordnung von zehn bis tausend Meter) und vor allem abhängen von der Zahl der Protonen und Neutronen, den Kernbausteinen einer Substanz. Die Protonenzahl wiederum ist bestimmend für die chemischen Eigenschaften eines Elementes.
Der Verdacht, daß es eine fünfte Kraft geben könnte, ist bereits mehrere Jahre alt und geht auf genaue Messungen der Gravitationskonstanten G in australischen Gruben und Schächten zurück. Physiker der Universität von Queensland in Brisbane hatten festgestellt, daß G etwa ein Prozent größer als bei Messungen unter der Erde ist als die entsprechende, seit Jahrhunderten in Labors bestimmte Größe. Ihr Erklärungsvorschlag, nämlich eine fünfte, abstoßende Kraft, stieß zunächst auf scharfe Ablehnung. Eine am 21. August in der Zeitschrift Science (Bd. 237/87, S. 881) veröffentlichte Arbeit, die auf Messungen in einem Bohrloch in Michigan beruht, bestätigt allerdings die australischen Daten. Und bereits Anfang 1986 hatte der Amerikaner Ephraim Fischbach von der Purdue University in West Lafayette Aufsehen erregt durch die Neu-Analyse eines klassischen Experimentes, das bisher als Beweis für die Unabhängigkeit der Gravitation von der Substanzqualität galt. Fischbach hatte festgestellt, daß dieses Experiment keineswegs die postulierte fünfte Kraft ausschließt.
Inzwischen tun die Physiker, was sie bei Streitigkeiten so zu tun pflegen: Sie ersinnen und vollziehen emsig neue Experimente. Und die führen, wen wundert’s, zu widersprüchlichen Ergebnissen. Anfang August berichteten die Physical Review Letters von einer modernen Variante der Fallexperimente, die Galilei angeblich am schiefen Turm von Pisa zu der Erkenntnis führten, daß die Chemie beim freien Fall ohne Einfluß sei: Physiker hatten in schiefstehenden Vakuumröhren verspiegelte Uran- und Kupferstücke fallen lassen und deren Bahn mittels Laserstrahlen verfolgt. Ergebnis: keine Abweichung in der Erdanziehung bei einer Präzision von fünf in zehn Milliarden.
Hingegen hatte Mitte März Peter Thieberger vom Brookhaven National Laboratory im gleichen Blatt Gegenteiliges berichtet. Er hatte eine hohle Kupferkugel so getrimmt, daß sie in ruhigem Wasser ohne Auftrieb und damit bewegungslos blieb. Falls nun die fünfte Kraft tatsächlich wirkte, müßte eine nahe, große Gesteinsmasse Wasser anders anziehen als die Kupferkugel. Diese müßte dann ihren still schwebenden Status verlieren und beginnen, sich im Wasser zu bewegen. Genau dies tat die Kupferkugel auch, als Thieberger sie in den Anziehungsbereich von Klippen brachte.
Wie die Zeitschriften Science News und Nature kürzlich berichteten, sollen zwei raffinierte Experimente demnächst mehr Licht in das Schwerkraftdunkel bringen. Einmal soll eine Kugel, die aus einer Beryllium- und einer Kupferhälfte besteht, im freien Fall verfolgt werden. Falls die Erde das wenig Kernbausteine enthaltende Beryllium anders anzieht als das Kupfer, dann müßte sich die Kugel im Fallen zu drehen beginnen. Ein System aus Lasern und Spiegeln soll die Drehbewegung registrieren.
Das zweite Experiment betrifft einen Gravitationswellendetektor des CERN in Genf. Die bisherige Suche nach Schwerkraftwellen, die theoretisch etwa von kosmischen Katastrophen wie Sternexplosionen ausgehen, verlief ergebnislos. Nun sollen künstlich erzeugte Gravitationswellen den Detektor in Schwingung versetzen. Genau mit der Resonanzfrequenz des Detektors (915 Hertz) soll sich ein Hohlzylinder in dessen Nähe drehen, der zur Hälfte aus Beryllium und zur Hälfte aus Eisen besteht. Da beide Materialien unterschiedlich viele Kernbausteine enthalten, entspricht der drehende Hohlzylinder einem schwingenden „Gravitationsdipol“ – falls die fünfte Kraft existiert. Wie der drehende Propeller eines fernen Flugzeuges Fensterscheiben zum Vibrieren bringt, wenn er genau deren Resonanzfrequenz erreicht, so müßte der „Schwerkraftpropeller“ die Gravitationsantenne in Schwingung versetzen.
In etwa einem Jahr, so meinen die Physiker, werden wir deutlich mehr wissen im Streit um die fünfte Kraft. Bis dahin zumindest sind, ob ein Kilo Äpfelchen oder ein Kilo Birnchen, vor der Schwerkraft alle gleich.

So stand es seinerzeit in der ZEIT. Ich weiß nicht, was daraus geworden ist.
Re: Kleiner Beitrag zur Ehrenrettung des Aristoteles: Abschied von Newton?
Γραικίσκος schrieb am 22.07.2012 um 18:39 Uhr (Zitieren)
Da staunt der Laie, und der Fachmann wundert sich.
Re: Kleiner Beitrag zur Ehrenrettung des Aristoteles
Φιλομαθής schrieb am 22.07.2012 um 18:42 Uhr (Zitieren)
Was man noch alles an Neuem aus alten Zeitungen erfährt ...
Re: Kleiner Beitrag zur Ehrenrettung des Aristoteles
Φιλομαθής schrieb am 22.07.2012 um 19:01 Uhr (Zitieren)
Die Sache hat sich fürs erste wohl doch erledigt (is e gmähts Wiesle):
Erste Versuche zur Reproduktion des Versuchs gelangen scheinbar, aber mit sensibleren Versuchen wurde in den nächsten Jahren klar, dass der Effekt, falls überhaupt vorhanden, ausgesprochen gering sein musste.

http://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%BCnfte_Kraft
Re: Kleiner Beitrag zur Ehrenrettung des Aristoteles
Γραικίσκος schrieb am 22.07.2012 um 21:48 Uhr (Zitieren)
Schade im Grunde. Na, dann bleiben noch Dunkle Materie & Dunkle Energie.
Re: Kleiner Beitrag zur Ehrenrettung des Aristoteles
διψαλέος schrieb am 23.07.2012 um 02:05 Uhr (Zitieren)
Darüber quasselt mal wieder im Moment Prof. Lesch im ZDF die interessierten Zuschauer zu Tode....

(Der Kerl ist mir hochgradig unsymmpatisch,
seine Themen nicht,
aber er schlägt sie einfach tot,
mit seiner unerträglichen Quasselei...)
Re: Kleiner Beitrag zur Ehrenrettung des Aristoteles
διψαλέος schrieb am 23.07.2012 um 02:08 Uhr (Zitieren)
Mensch, wenn ich den Kerl als Prof gehabt hätte....
(weiter schreib ich nicht...)

einfach unerträglich
Re: Kleiner Beitrag zur Ehrenrettung des Aristoteles
Βοηθός Ἑλληνικός  schrieb am 23.07.2012 um 12:48 Uhr (Zitieren)
Na ja, das ist Ansichtssache. Seine Vorträge und Vorlesungen sind immer gut gefüllt, wo bei anderen Profs gähnende Leere ist.
;-)
 
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