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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Keilschrift & Co. (1403 Aufrufe)
ανδρέας schrieb am 22.07.2012 um 15:42 Uhr (Zitieren)

Die Piktogrammschrift (Keilschrift, Hieroglyphen etc.) wurde fast überall von der Buchstabenschrift verdrängt.
Warum hielten z.B. Chinesen und Japaner so lange an ihr fest? Grundschüler müssen Jahre damit verbringen, die Piktogramme zu lernen, bevor sie überhaupt damit beginnen können, sich mit dem Inhalt der Worte zu befassen. Da ist nicht effizient, denke ich.
Gibt es dafür eine Erklärung?
Re: Keilschrift & Co.
Γραικίσκος schrieb am 22.07.2012 um 15:47 Uhr (Zitieren)
Wenn Du noch nie etwas von der schriftlichen Fixierung einer Information gehört hättest und nun überlegtest, wie Du sie einführst - kämst Du dann nicht als erstes auf den Einfall, für das, was auf der Wiese herumläuft, "mäh!" macht und an den Tempel abgeliefert werden muß, ein kleines, vereinfachtes Bild von diesem Wesen zu machen?

Nebenbei: Gehört die Keilschrift zu den piktographischen Schriften?
Re: Keilschrift & Co.
Γραικίσκος schrieb am 22.07.2012 um 15:48 Uhr (Zitieren)
Ganz nebenbei: Ist :) ein Piktogramm?
Re: Keilschrift & Co.
ανδρέας schrieb am 22.07.2012 um 15:56 Uhr (Zitieren)
Gut, nennen wir es abstrahierte Bilderschrift.
Warum man zunächt Bilderschrift verwendet hat ist klar. Das Beispiel mit dem Schaf stimmt schon. Aber, warum passt man diese Schrift in China bis heute nicht an? Tausende Zeichen zu lernen, bevor man einigermaßen die eigene Sprache lesen und schreiben kann, verschwendet doch Zeit, die man sinnvoller nutzen kann, oder? Dabei wäre doch ein Sprung von der Antike zur Gegenwart nicht so schwierig.
Re: Keilschrift & Co.
Γραικίσκος schrieb am 22.07.2012 um 16:00 Uhr (Zitieren)
Tradition vs. Nützlichkeit - das ist immer eine Gigantomachie in der menschlichen Kultur. Zwei enorm starke Kräfte.
= Trägheit/Beharrung vs. Sparsamkeit?
Re: Keilschrift & Co.
Γραικίσκος schrieb am 22.07.2012 um 16:23 Uhr (Zitieren)
Von einer Gerontokratie wie in China wird man keine Entscheidung gegen die Tradition, zugunsten einer sparsameren Neuerung erwarten dürfen.

Wir werden noch Probleme bekommen, die chinesischen Schriftzeichen zu lernen ... sobald Chinesen die Mehrheit bilden. Will sagen: keine Ahnung, ob der Buchstabenschrift die Zukunft gehört.
Re: Keilschrift & Co.
ανδρέας schrieb am 22.07.2012 um 16:23 Uhr (Zitieren)

Die japanische Sprache weist zahlreiche Dialekte auf, was durch die geographischen Gegebenheiten des Landes begünstigt wurde. ... Die japanischen Dialekte besitzen eine hohe Varianz, so dass z.B. die Verständigung von Sprechern des Tsugaru-Dialektes im Norden und des Kagoshima-Dialektes im Süden nicht möglich ist,...

aus Wiki

In China gibt es auch sehr viele Dialekte. Die Worte werden also sehr unterschiedlich ausgesprochen. Bei einer Bilderschrift spielt die Aussprache aber keine Rolle, da es nur auf die Bedeutung des geschriebenen Wortes ankommt. Ich vermute, dass - neben der von Dir angesprochenen Tradition etc. - die Schriftsprache lange Zeit als Klammer zwischen den weit auseinanderliegenden Regionen gedient hat. Die Beamten konnten sich sozusagen über weite Distanzen schriftlich austauschen ohne miteinander reden zu können, weil man den Dialekt ja nicht verstand. Eine Art Universalsprache auf Zeichenbasis.
Man müsste mal Sinologen fragen ...
Re: Keilschrift & Co.
Γραικίσκος schrieb am 22.07.2012 um 16:28 Uhr (Zitieren)
Da hast Du recht. Alle die verschiedenen chinesischen Sprachen (das sind mehr als Dialekte, soweit ich weiß) werden verklammert durch die gleichen Schriftzeichen, die von den Sprechern der verschiedenen Sprachen völlig verschieden gelesen, aber einwandfrei verstanden werden.

So hat es mir einmal eine Sinologin erklärt.
Re: Keilschrift & Co.
Γραικίσκος schrieb am 22.07.2012 um 16:29 Uhr (Zitieren)
Oje, wenn man daran etwas ändert, bricht der Staat auseinander!
Re: Keilschrift & Co.
Φιλομαθής schrieb am 22.07.2012 um 17:47 Uhr (Zitieren)

Um den Wert des chinesischen Schriftsystems deutlich zu machen, will ich einmal einen längeren Passus aus Hannah Arendts Leben des Geistes (Piper, München 1998, Taschenbuchausg. in einem Band, S. 105–107) zitieren (Arendt stützt sich bei ihren Ausführungen auf Granets Das chinesische Denken):
Diese Bemerkungen über die Zusammenhänge zwischen Sprache und Denken, die die Vermutung nahelegen, daß es kein sprachloses Denken geben kann, gelten offenbar nicht für Kulturen, in denen das Schriftzeichen und nicht das gesprochene Wort das Entscheidende ist und somit das Denken selbst kein stummes Sprechen ist, sondern ein geistiges Umgehen mit Bildern. Das gilt vor allem für China, dessen Philosophie sich durchaus mit der abendländischen messen kann. Dort »wird die Kraft der Wörter gestützt durch die Kraft des Schriftzeichens, des Bildes«, und nicht umgekehrt wie in den Sprachen mit Lautalphabet, in denen die Schrift als etwas Zweitrangiges gilt, lediglich als ein vereinbartes Zeichensystem. Für den Chinesen macht jedes Schriftzeichen etwas sichtbar, was wir Begriff oder Wesen nennen würden – Konfuzius soll gesagt haben, das chinesische Zeichen für »Hund« sei das vollkommene Abbild eines Hundes als solchen, während nach unserem Verständnis »dem Begriff« des Hundes im allgemeinen »gar kein Bild desselben jemals adäquat sein« kann. »Es würde die Allgemeinheit des Begriffs nicht erreichen, welche macht, daß dieser für alle« Hunde gilt [KrV B 180]. Kant klärt hier im Schematismuskapitel der »Kritik der reinen Vernunft« eine der Grundvorstellungen des gesamten abendländischen Denkens: »Der Begriff vom Hunde bedeutet eine Regel, nach welcher meine Einbildungskraft die Gestalt eines vierfüßigen Tieres allgemein verzeichnen kann, ohne auf irgendeine einzige besondere Gestalt, die mir die Erfahrung darbietet, oder auch ein jedes mögliches Bild, was ich in concreto darstellen kann, eingeschränkt zu sein. Dieser Schematismus unseres Verstandes ... ist eine verborgene Kunst in den Tiefen der menschlichen Seele, deren wahre Handgriffe wir der Natur schwerlich jemals abraten und sie unverdeckt vor Augen legen werden.« [KrV B 180 f.]

In unserem Zusammenhang ist an diesen Ausführungen Kants dies wichtig, daß die Fähigkeit unseres Geistes zum Umgang mit Unsichtbarem auch für die gewöhnliche Sinneserfahrung nötig ist, wenn ein Hund als Hund erkannt werden soll, gleichgültig, in welcher Form das vierfüßige Tier uns erscheinen möge. Folglich müssen wir die allgemeine Beschaffenheit eines Gegenstandes, der niemals unseren Sinnen gegeben ist, im Kantischen Sinne »anschauen« können. Diese Schemata – reine Abstraktionen – bezeichnet Kant als »Monogramme«, und die chinesische Schrift kann man vielleicht am besten als eine | Art Monogrammschrift charakterisieren. Mit anderen Worten, was für uns »abstrakt« und unsichtbar ist, ist für den Chinesen sinnbildlich konkret und sichtbar gegeben in der Schrift, so etwa, wenn das Bild zweier verschränkter Hände den Begriff der Freundschaft darstellt. Er denkt in Bildern und nicht in Worten. Und dieses Denken in Bildern bleibt immer »konkret«, es kann gar nicht diskursiv sein, eine geordnete Gedankenkette durchlaufen, es kann auch nicht von sich selbst Rechenschaft geben (logon didonai); die Antwort auf die typisch Sokratische Frage, was Freundschaft sei, ist sichtbarlich vorhanden und deutlich in dem Sinnbild der beiden vereinigten Hände, und »das Sinnbild setzt einen ganzen Strom bildlicher Darstellungen frei« in Form sinnfälliger Assoziationen, durch die die Bilder untereinander verbunden sind. Das erkennt man am besten an der großen Vielfalt zusammengesetzter Zeichen; so faßt das Zeichen für »kalt« »alle Vorstellungen zusammen, die mit dem Gedanken an kaltes Wetter verbunden sind« und mit den Tätigkeiten, mit denen man sich davor schützt. Dichtung spricht daher, auch wenn sie laut gelesen wird, den Hörer optisch an; er hält sich nicht an das gehörte Wort, sondern an das erinnerte Zeichen und damit an die Anblicke, auf die dieses deutlich verweist.

Diese Unterschiede zwischen dem konkreten Denken in Bildern und unserem abstrakten Umgehen mit Begriffswörtern sind faszinierend und beunruhigend – ich kann sie aber nicht adäquat behandeln. Sie sind womöglich um so beunruhigender, als man unter ihnen deutlich eine Vorstellung ausmachen kann, die wir mit den Chinesen gemeinsam haben: den unangefochtenen Vorrang des Sehens für die geistigen Tätigkeiten. Dieser Vorrang ist, wie wir gleich sehen werden, in der gesamten Geschichte der abendländischen Metaphysik und ihrer Vorstellung von der Wahrheit absolut entscheidend. Was uns von den Chinesen unterscheidet, ist nicht nous, sondern logos, daß wir in Worten Rechenschaft ablegen und rechtfertigen müssen. Alle streng logischen Abläufe wie die Ableitung von Schlüssen vom Allgemeinen auf das Besondere oder das induktive Schließen vom Besonderen auf eine allgemeine Regel sind solche Rechtfertigungen, und sie lassen sich nur in Worten ausführen. Meines Wissens hat überhaupt nur Wittgenstein bemerkt, daß die Hieroglyphenschrift einem Wahrheitsbegriff entspricht, dessen Metapher das Sehen ist. Er schreibt: »Um das Wesen des Satzes zu verstehen, denken wir an die Hieroglyphenschrift, welche die Tatsachen, die sie beschreibt, abbildet. Und aus ihr wurde die Buchstabenschrift, ohne das Wesentliche der Abbildung | zu verlieren.« [Tractatus, 4.016] Diese letzte Bemerkung ist freilich höchst zweifelhaft. Weniger zweifelhaft ist, daß die Philosophie, wie wir sie kennen, kaum entstanden wäre, hätten die Griechen nicht schon früh das Alphabet von den Phöniziern übernommen und ihren Zwecken angepaßt.

Die Frage nach der Effizienz, wenn es für junge Chinesen darum geht, sich ins westlich geprägte Wirtschafts- und Wissenschaftsgefüge einzupassen, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Jedenfalls würde eine solche Nivellierung des chinesischen Geisteserbes unter dem Primat des westlichen Denkens, die eine Ersetzung der chinesischen Bilderschrift durch die Alphabetschrift letztlich bedeutet, auch den Westen der Möglichkeit berauben, sein sprachbasiertes Denken zu beleuchten bzw. beleuchten zu lassen.
Re: Keilschrift & Co.
ανδρέας schrieb am 22.07.2012 um 18:24 Uhr (Zitieren)

D.h. Chinesen denken in Bildern, wir versuchen dagegen, logische Verbindungen herzustellen.
Hierzu eine interessante Quelle:
„Unser Gehirn ist in zwei Bereiche aufgeteilt: Die linke Hälfte ist für das Rationale zuständig, die rechte für Bilder, Emotionen und Fantasie. Kinder nutzen in erster Linie die rechte Gehirnhälfte“, erklärt Franz-Josef Schumeckers und schmunzelt: „Eltern haben deshalb beim Memory kaum eine Chance gegen ihre Kinder.“ Denn während sich die Kleinen das Spielfeld als eine Art Landkarte vorstellen und einprägen, versuchen Erwachsene, logische Verbindungen zwischen den einzelnen Karten herzustellen – und das funktioniert einfach nicht.

http://www.studienkreis.de/facebook/artikel/in-bildern-denken.html

Das wäre ein mächtiger Mentalitätsunterschied.
Re: Keilschrift & Co.
Γραικίσκος schrieb am 22.07.2012 um 18:28 Uhr (Zitieren)
Der Text von Hannah Arendt ist sehr gut ... wie ich Frau Arendt überhaupt schätze.

Eine persönliche Frage an Φιλομαθής: Du schreibst solche langen Texte nicht etwa ab, Du scannst sie, gelt? Offenbar mit gutem Resultat. Mit meinen war ich nie zufrieden.
Re: Keilschrift & Co.
Φιλομαθής schrieb am 22.07.2012 um 18:32 Uhr (Zitieren)
Ja, das war gescannt (und korrigiert).
Re: Keilschrift & Co.
Γραικίσκος schrieb am 22.07.2012 um 18:37 Uhr (Zitieren)
Das Scannen plus Korrigieren plus typographisches Umgestalten bringen mich hinsichtlich des Zeitaufwandes in die Nähe des Abschreibens.
Re: Keilschrift & Co.
Hylebates schrieb am 22.07.2012 um 21:06 Uhr (Zitieren)
Gedanken, die ganz ähnlich sind wie Granets, findet man im herrlichen Buch "The Spell of the Sensuous" von Abrams. Kann ich nur empfehlen.
Re: Keilschrift & Co.
διψαλέος schrieb am 23.07.2012 um 01:12 Uhr (Zitieren)
Ich will noch einen Aspekt einwerfen:
Chinesen, die Lesen und Schreiben können,
können selbst 2.000 - 3.000 Jahre alte Texte ihrer
Schriftsteller mühelos lesen, da die Schriftzeichen
zwar auch im Laufe der Zeit einer gewissen Wandlung
unterworfen waren, aber im Prinzip
(d.h. die sogenannte "Wurzel") gleichgeblieben sind.
Wir haben ja schon Schwierigkeiten, z.B.
die erste Ausgabe der Werke Goethes "letzte Hand"
flüssig zu lesen.
Re: Keilschrift & Co.
διψαλέος schrieb am 23.07.2012 um 01:34 Uhr (Zitieren)
Ob wir Europäer nicht so viele Kriege gegeneinander
geführt hätten, wenn wir auch eine piktogrammische
Schrift verwendeten?
"h TT"
->
"Ich sitze auf einem Stuhl am Tisch"
"I'm sitting in a chair at the table"
"Je suis assis dans une chaise à la table".

Übrigens:
Die Rhetorik, auf die wir so stolz sind,
spielt in China überhaupt keine Rolle.

Europa -> das vorgetragene Wort, die Deklamation.

China -> das geschriebene Wort, möglichst Kalligraphisch.

Wörtliche Vorträge in Chinesisch sind
nach Aussagen von Kennern,
stinklangweilig und total ermüdend.

Mao hätte Anno 1789 mitnichten
zum Sturm auf die Bastille
aufrufen können.
Dazu fehlte ihm die mündlich-sprachliche
Wirkung eines Desmoulins...

Churchills "Blood, sweat and tears"
wirkten gesprochen im Rundfunk,
nicht als gedrucktes Bulletin.

Auf der anderen Seite:
Durch die Art und Weise, wie man
chinesische Schriftzeichen anwendet,
kann man bestimmte Stimmungen erzeugen.
(Nachteil: Man muß sie lesen können...)

Immer noch gelten über 50% der Einwohner Chinas als Analphabeten.

In diesem Falle muß man das so verstehen,
daß diese Menschen ihren Namen und
weitere persönliche Angaben
(Wohnort, Familienstand)
zwar schriftlich angeben können,
aber z.B.eine Zeitung nicht vollständig lesen können.
Die Angaben sind unterschiedlich:
Um eine normale chinesische Tageszeitung lesen zu können,
sollte man zwischen 2.500 und 5.000
Schriftzeichen beherrschen.
Re: Keilschrift & Co.
διψαλέος schrieb am 23.07.2012 um 01:40 Uhr (Zitieren)
Aber es gibt Krücken für die chinesischen Schriftzeichen:
Man unterscheidet zwischen 120 - 140 sogenannter "Radikale",
das sind "Wurzelzeichen" aus wenigen Strichen.
Von einem Strich bis 14 Strichen (in manchen WB auch nur 10-12).
Chinesische WB sind nach dem Prinzip aufgebaut:
1.Teil: Die Radikale
2.Teil: Radikale mit Zusatzstrichen
3.Teil: Die Wörter
Re: Keilschrift & Co.
διψαλέος schrieb am 23.07.2012 um 01:54 Uhr (Zitieren)
Um in einem Ch.-WB ein Schriftzeichen zu finden
geht man in eben mehreren Schritten vor:

1.Man sucht in der 1.Liste das Radikal
(ca. 2 Seiten im WB, je nach WB 120 - 180 Stück),
indem man die Striche zählt.
Dabei ist zu beachten, daß als Strich der Schreibpinselansatz zählt
(ein rechtwickeliger "Haken" kann als "ein Strich" zählen.)

Faustregel: ein "dicker" Ansatz ist meistens der Ansatzpunkt,
ist in dem Strich kein weiterer "dicker" Punkt mehr drin,
auch bei "Richtungsänderung",
kann man von einem Strich ausgehen.

Man merkt sich die Nummer

2.Man sucht in der Liste der Radikalen unter der entsprechenden Nummer
nach "Zusatzstrichen"

3. Hat man das Zeichen gefunden, sucht man unter der dahinterstehenden Nummer
im 3.Teil des WB nach dem Schriftzeichen...

tja...

Damit sind aber die Schwierigkeiten noch nicht ausgeräumt....
Ein chinesisches Schriftzeichen kann Substantiv, Verb, Adjektiv, etc..
oder alles zugleich in einem Satz sein...
Re: Keilschrift & Co.
Mulan schrieb am 27.10.2012 um 13:08 Uhr (Zitieren)
Chinesische Schrift wie auch japanische Kanji wird man nie ersetzen können. Für beide gibt es längst alphabetische Pendants (lateinische transkriptionssysteme wie pinyin oder Hepburn, im Falle von chinesische auch noch bopomofo ... Aber all das erschwert das lesen UND verstehen beider sprachen, auch wenn sie überhaupt nicht miteinander verwandt sind. Denn ein Hauptproblem sind bei beiden die riesige Zahl von homophonen, von gleichlaufenden Wörtern. Man braucht nur mal chinesisch- bzw. japanisch-deutsche Wörterbücher aufschlagen (nicht zeichenlexika) und man wird verstehen, wenn z.b. allein die Silbe "ma" ungeachtet der 4 bzw. eigentlich 5 Toene im Hochchinesischen anschaut. Erst durch die Hanzi werden die Unterschiede klar. Das ist furr Japanisch ähnlich. Vieles wird durch kana- Silben geschrieben, aber etwas mehr als 2000 Kanji sind offiziell zu benutzen. Man kann japanisch vollständig in Katalana/Hiragana schreiben (Kinderbücher und Schulbücher für die ersten Klassen werden alle zunächst in Hiragana geschrieben) - aber man lernt dennoch die Kanji dazu, da auch im japanischen das Missverstaendnispotential wegen der vielen Homophone einfach erschwerend ist.
Re: Keilschrift & Co.
Mulan schrieb am 27.10.2012 um 13:19 Uhr (Zitieren)
Beispiel eines Gedichts in Chinesisch allein mit der Silbe "shi":
「石室詩士施氏, 嗜獅, 誓食十獅。 氏時時適市視獅。 十時, 適十獅適市。 是時, 適施氏適市。」
– Zhao Yuanren: 施氏食獅史
Text in Pinyin
Shíshì shīshì Shī Shì, shì shī, shì shí shí shī.
Shì shíshí shì shì shì shī.
Shí shí, shì shí shī shì shì.
Shì shí, shì Shī Shì shì shì.
Übersetzung
In einer Steinhöhle saß der Dichter Shishi, der gerne Löwen aß und sich entschloss, zehn davon zu essen.
Er ging oft zum Markt, um nach Löwen Ausschau zu halten.
Eines Tages, um zehn Uhr, kamen zehn Löwen auf den Markt.
Genau zu dieser Zeit kam auch Shishi.

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Homophon
Re: Keilschrift & Co.
Γραικίσκος schrieb am 27.10.2012 um 13:23 Uhr (Zitieren)
Das ist ja beeindruckend!
Re: Keilschrift & Co.
Mulan schrieb am 27.10.2012 um 13:28 Uhr (Zitieren)
Vollständig lautet diese Geducht übrigens so:


《施氏食獅史》

石室詩士施氏,嗜獅,誓食十獅。
氏時時適市視獅。
十時,適十獅適市。
是時,適施氏適市。
氏視是十獅,恃矢勢,使是十獅逝世。
氏拾是十獅屍,適石室。
石室濕,氏使侍拭石室。
石室拭,氏始試食是十獅。
食時,始識是十獅,實十石獅屍。
試釋是事。

„Shī Shì shí shī shǐ“

Shíshì shīshì Shī Shì, shì shī, shì shí shí shī.
Shì shíshí shì shì shì shī.
Shí shí, shì shí shī shì shì.
Shì shí, shì Shī Shì shì shì.
Shì shì shì shí shī, shì shǐ shì, shǐ shì shí shī shìshì.
Shì shí shì shí shī shī, shì shíshì.
Shíshì shī, Shì shǐ shì shì shíshì.
Shíshì shì, Shì shǐ shì shí shì shí shī.
Shí shí, shǐ shí shì shí shī, shí shí shí shī shī.
Shì shì shì shì.

Die Geschichte des Shi, der Löwen isst

Steinhöhlendichter Shi, süchtig nach Löwen, schwört, zehn Löwen zu essen.
Oft geht er auf den Markt, um Löwen zu sichten.
Um zehn Uhr passieren gerade zehn Löwen den Markt.
Zu dieser Zeit passiert auch Shi gerade den Markt.
Er sieht die zehn Löwen, kraft seiner Pfeile schickt er die zehn Löwen in den Tod.
Er bringt die zehn Löwenleichen zur Steinhöhle.
Die Steinhöhle ist feucht. Er befiehlt seinem Diener, diese abzutrocknen.
Nachdem die Steinhöhle abgetrocknet worden ist, versucht er, die zehn Löwen zu essen.
Beim Essen merkt er, dass diese zehn Löwen eigentlich zehn Steinlöwenleichen sind.
Versuche dies zu erklären.

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Löwen-essender_Dichter_in_der_Steinhöhle
Re: Keilschrift & Co.
Mulan schrieb am 27.10.2012 um 13:32 Uhr (Zitieren)
Die japanische Lesung ist nicht weniger bezeichnend:

SHISHI SHOKU SHI SHI
SEKISHITSU SHISHI SESHI, SHI SHI, SEI SHOKU JUU SHI. SHI JIJI TEKI SHI SHI SHI. JUUJI, TEKI JUU SHI TEKI SHI. ZEJI, TEKI SESHI TEKI SHI. SHI SHI ZE JUU SHI, JI SHI SEI, SHI ZE JUU SHI SEI SE. SHI SHUU ZE JUU SHI SHI, TEKI SEKISHITSU. SEKISHITSU SHITSU, SHI SHI JI SHOKU SEKISHITSU. SEKISHITSU SHOKU, SHI SHI SHI SHOKU ZE JUU SHI. SHOKUJI, SHI SHIKI ZE JUU SHI, JITSU JUU SEKI SHI SHI. SHI SHAKU ZE JI.

Selbe Quelle
Re: Keilschrift & Co.
Mulan schrieb am 27.10.2012 um 13:59 Uhr (Zitieren)
Einer hat mal in Japan sich den Namen des shintoistischen Windgottes Fujin als Tattoo stechen lassen wollen: 風神

Aber in Deutschland wurde ihm bewusst gemacht, dass das, was ihm in den Nacken taetowiert worden ist, die Bedeutung "Frau" hat: 婦人 (ふじん, fujin). Soviel zu homophonen im Japanischen.
Re: Keilschrift & Co.
Mulan schrieb am 27.10.2012 um 15:40 Uhr (Zitieren)
Hapaner können sogar schneller lesen. Wenn sie im Text aus Kanji und kana-Silbenzeichen (letztere für grammatische Elemente usw.) die chinesischen Zeichen gelesen haben, wissen sie bereits, was da steht. Sie können also die zumeist Hiragana-Texte ueberspringen und so schneller pro Zeile vorwärts kommen. Unbekannte Zeichen werden nachgeschlagen in stets mit sich gefuehrten Zeichenlexika erschlossen. So lernen Japaner (und Chinesen) ihr ganzes leben lang. Japaner müssen dabei "nur" ca. 2000 Zeichen kennen. Der Rest wird in Hirsgana und Katakana gesetzt. Seltene Zeichen sogar mit ausspracheangaben in Hiragana (Furigana). Das ständige üben mit chinesischen Zeichen hat zudem den Nebeneffekt, nämlich ein azsgepraegtes Gedächtnis für Formen.
Re: Keilschrift & Co.
Mulan schrieb am 27.10.2012 um 16:50 Uhr (Zitieren)
Uebrigens ist es ein noch immer recht verbreiteter Irrglauben, dass es sich bei Hieroglyphen oder chinesischen Zeichen um Piktogramme handelt. Tatsächlich werden nicht wenige Zeichen sogar wie Buchstaben bzw. als Laute ungeachtet ihres Aeusseren benutzt. Daher sind sowohl hieroglyphen als auch hanzi/Kanji komplex und geeignet, Abstrakta oder Verben pp. darzustellen.
Re: Keilschrift & Co.
Γραικίσκος schrieb am 27.10.2012 um 18:01 Uhr (Zitieren)
Ich danke für diese interessanten Ausführungen.
Re: Keilschrift & Co.
filix schrieb am 27.10.2012 um 19:48 Uhr (Zitieren)
Ich danke ebenfalls für die Ausführungen - sie seien den Bouvards und Pécuchets dieses Forums ans Herz gelegt.
Re: Keilschrift & Co.
Ἄλλος schrieb am 27.10.2012 um 21:09 Uhr (Zitieren)
Zitat von filix am 27.10.12, 19:48...die Ausführungen - sie seien den Bouvards und Pécuchets dieses Forums ans Herz gelegt.

Ich bitte einmal mehr um Erläuterung...Filix, Dank im Voraus.
Re: Keilschrift & Co.
Γραικίσκος schrieb am 27.10.2012 um 22:39 Uhr (Zitieren)
Roman von Flaubert um zwei Möchtegern-Wissenschaftler. Wer sch dadurch nun angesprochen fühlen soll? Man darf vermuten ...
Re: Keilschrift & Co.
Γραικίσκος schrieb am 27.10.2012 um 22:39 Uhr (Zitieren)
sich ...
Re: Keilschrift & Co.
Ἄλλος schrieb am 27.10.2012 um 23:11 Uhr (Zitieren)
Zitat von Γραικίσκος am 27.10.12, 22:39Roman von Flaubert um zwei Möchtegern-Wissenschaftler. Wer sch dadurch nun angesprochen fühlen soll? Man darf vermuten ...

So vermutete ich bereits, aber der Sinn erschließt sich mir dennoch nicht. Eben besonders, wer gemeint sein könnte ...
Re: Keilschrift & Co.
filix schrieb am 28.10.2012 um 00:28 Uhr (Zitieren)
"Six mois plus tard, ils étaient devenus des archéologues; et leur maison ressemblait à un musée..."

"Six fils plus haut, ils étaient devenus des sinologues et surmontant des siècles ils réformaient les caractères chinois en un tournemain..."

Erkenne sich, wer will.
Das bezieht sich auf einige Threads der letzten Monate.
Re: Keilschrift & Co.
διψαλέος schrieb am 28.10.2012 um 02:31 Uhr (Zitieren)
Anmerkung:
Das hier ist ein Freizeitforum und kein einziger Beitrag erhebt Anspruch darauf,
in irgendwelchen hochlöblichen und anerkannten wissenschaftlichen Werken
jemals als Ruhmesblatt in den berühmten Bibliotheken der Welt aufzutauchen.

Wer das nicht versteht, bzw. den Sinn dieses Forums falsch versteht,
möge sich eine andere Plattform suchen.
Re: Keilschrift & Co.
Ἄλλος schrieb am 28.10.2012 um 07:56 Uhr (Zitieren)
Zitat von filix am 28.10.12, 0:28...Erkenne sich, wer will. Das bezieht sich auf einige Threads der letzten Monate.

Etwas genauer hätte ich es dann doch schon...Nur vage Andeutungen?
Re: Keilschrift & Co.
Vladyslav schrieb am 27.07.2019 um 20:27 Uhr (Zitieren)
"Der Steinke Sprachindex hat vor ein paar Jahren eine Liste der 10 Sprachen herausgebracht, die im Jahr 2025 von besonders großer Bedeutung für die Weltwirtschaft sein werden. Wenig überraschend: Englisch ist und bleibt die Nummer 1 – auch wenn Medien in der Vergangenheit prophezeit haben, dass Französisch die neue Weltsprache werden könnte. Etwas überraschender ist die Sprache, die auf Platz 2 gelandet ist: Chinesisch. Ist es also an der Zeit, sich gezielt nach Angestellten umzuschauen, die diese überaus komplizierte Sprache beherrschen?

Tipps fürs Chinesisch lernen:

Chinesische Schriftzeichen verstehen
Wer Chinesisch nicht nur mündlich, sondern auch schriftlich verstehen will, muss die komplizierten Schriftzeichen lernen. Das geht am einfachsten, wenn Sie den Aufbau dieser entschlüsselt und verinnerlicht haben.

Moderne Technik
Selbstverständlich können Sie Chinesisch mithilfe diverser Apps und Übersetzungsprogramme erlernen.

Chinesisch Unterricht online:
Meine Chinesisch Lehrer aus Preply hat ausnahmslos nur in Chinesisch mit mir gesprochen, war ein Wort nicht bekannt hat er es nicht übersetzt sondern mit Chinesisch Worten erklärt und in Beispielen verwendet bis es geklappt hat.
https://preply.de/de/skype/chinesisch-Nachhilfe"
 
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