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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Homo liber (735 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 24.07.2012 um 11:45 Uhr (Zitieren)
Homo liber de nulla re minus, quam de morte cogitat, et eius sapientia non mortis, sed vitae meditatio est.

(Spinoza: Ethica Ordine Geometrico Demonstrata)
Re: Homo liber
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 24.07.2012 um 11:55 Uhr (Zitieren)
Ein ganz schön unfreier, unweiser Mensch also, der das schrieb:


"Da der Tod als Heimgang zu Gott der wahre Endzweck unseres Lebens ist, so habe ich mich seit ein paar Jahren mit diesem wahrsten, besten Freunde des Menschen so bekannt gemacht, dass sein Bild nicht allein nichts Schreckliches mehr für mich hat, sondern recht viel Beruhigendes und Tröstendes. Und ich danke meinem Gott, daß er mir das Glück gegönnt hat, ihn als Schlüssel zu einer wahren Glückseligkeit kennenzulernen.

Ich lege mich nie zu Bett, ohne zu bedenken, daß ich vielleicht (so jung ich auch bin) den andern Tag nicht mehr sein werde - und es wird doch kein Mensch von allen, die mich kennen, sagen können, dass ich im Umgang mürrisch oder traurig wäre - und für diese Glückseligkeit danke ich alle Tage meinem Schöpfer und wünsche sie von Herzen jedem Mitmenschen!"


Wolfgang Amadeus Mozart, gestorben 1791, fünf Jahre vor seinem Tod im letzten Brief an seinen Vater
Re: Homo liber
Γραικίσκος schrieb am 24.07.2012 um 12:18 Uhr (Zitieren)
Ja, wenn man Christ ist, sollte man den Tod konequenterweise nicht als Übel ansehen, sondern als den 'wahren Endzweck unseres Lebens'.

Bettet man das Spinoza-Zitat, wie billig, in den Kontext seines Pantheismus ein, dann hat es auch nicht den Sinn einer Verdrängung - was man schon daran erkennen mag, daß die "Ethica" in das Thema einer Auseinandersetzung mit der Todesangst mündet.

Übrigens habe ich das Zitat in einem anderen Buch gefunden und bei Spinoza noch nicht verifizieren können.
Re: Homo liber
Γραικίσκος schrieb am 24.07.2012 um 12:25 Uhr (Zitieren)
Was bedeutet Dir eigentlich die Möglichkeit der Hölle?
Re: Homo liber
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 25.07.2012 um 00:06 Uhr (Zitieren)
Von Verdrängung habe ich nicht gesprochen, wohl aber meine ich, (aus dem Zitat!) den Dünkel des Verstandesmenschen herauszuhören, der sich was auf seine Freiheit und Weisheit zugute hält. Dem wollte ich nur eine (wie ich meine) andere Möglichkeit, frei und weise zu sein, entgegenstellen - auf die Tatsache, daß Mozart Christ war (oder daß ich mich als solchen hinstellen möchte), kam es mir dabei nicht an.

Die Hölle ist (für mich) die Gewißheit, nie mehr die Chance auf die Nähe zu Gott zu haben.
Wenn man bei der Beschreibung von Nahtoderfahrungen immer wieder von einem unwiderstehlichen, strahlend-süßen Licht liest, auf welches sich die fragliche Person hinbewegt, ja hinstrebt, so erscheint mir die Vorstellung, dort nicht anlangen zu können, sondern von diesem Licht wieder, und nun für immer, getrennt zu werden, ein starkes Sinnbild für das zu sein, was unter 'Hölle' zu verstehen sein könnte.
Re: Homo liber
Γραικίσκος schrieb am 25.07.2012 um 13:01 Uhr (Zitieren)
Verstehe.

Vor Jahren habe ich einmal eine Dokumentation über Nahtoderlebnisse der höllischen Art gesehen. Etwa 25 % sollen von dieser Art sein, aber nicht bloß aus einer Verwehrung des Lichts bestehend, sondern aus Erlebnissen eigener Qualität, etwa wie bei Hieronymus Bosch.

Du faßt die Lichterlebnisse anscheinend als Sinnbild eines psychischen Zustandes auf.

Daß wir uns die Hölle so viel leichter konkretisiert vorstellen können als den Himmel, jedenfalls auf Dauer, macht mich sehr bedenklich.
Vielleicht steckt mir aber auch Schopenhauers These als Knoten im Kopf, daß Glück ohnehin nur in der Aufhebung von Leid, Schmerz &c. bestehe.
Re: Homo liber
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 25.07.2012 um 13:17 Uhr (Zitieren)
Schopenhauers These ..., daß Glück ohnehin nur in der Aufhebung von Leid, Schmerz &c. bestehe.


In einem der letzten Beiträge hatte ich von 'widerwärtig' gesprochen, hier gesellt sich Bedauern über einen solchen Menschen [Schopenhauer!] - soweit, von 'Mitleid mit ihm' zu sprechen, möchte ich nicht gehen - hinzu.

Ich weiß nicht, in welchem Zustande jemand ist, der dieses Licht (oder die gegenteiligen Dinge/Erscheinungen (?) ) sieht, eine Spekulation erscheint mir auch recht müßig; da halte ich es (obwohl ich in manchen Punkten ihm recht kritisch gegenüberstehe) mit Paulus:

Denn wir sehen jetzt mittels eines Spiegels auf rätselhafte Weise; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich ganz erkennen, wie ich auch ganz erkannt wurde. 1. Kor. 13,12
Re: Homo liber
Γραικίσκος schrieb am 25.07.2012 um 13:28 Uhr (Zitieren)
Als ich Schopenhauers These einmal in einem Seminar kritisiert habe, lächelte der Professor und meinte: "Kratzen Sie sich mal, wenn es Sie juckt."

Auch als mir einmal Tage nach einer Operation die Tampons aus der Nase entfernt worden sind, habe ich ein starkes Glücksgefühl verspürt. Endlich wieder frei atmen können!
Der Bereich der Gesundheit ist ein gutes Beispiel. Ein gesundes Organ spüren wir nicht - ein krankes schon, und dann sind wir glücklich, wenn es wieder gesund ist & wir nichts mehr spüren.

Und in anderen Bereichen? Man kann sich ja zwanglos einmal selber beobachten, ob es ein Glück gibt ohne einen zuvor erlebten Hintergrund von Angst, Schmerz, Vermissen von etwas o.ä. Und ob nicht die Intensität des Glücks zugleich mit der Erinnerung an den vorherigen Zustand nachläßt.

Pfiffig als Gegenargument erschien mir einmal das eines Schülers: "Es geht mir im Moment ganz gut, ich vermisse eigentlich nichts. Aber wenn ich jetzt die Nachricht bekäme, ich hätte eine Million im Lotto gewonnen, wäre ich doch glücklich."

Re: Homo liber
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 25.07.2012 um 14:34 Uhr (Zitieren)
Mir gehen diese 'ohnehin nur / nichts anderes als / immer nur' als Erklärungstotale für alles und jedes in der Welt schlicht nur auf den Senkel. Wenn die Welt so einfach wäre, hätten wir's leicht ... ;-)

Will sagen, Glück empfinde ich natürlich, wenn ich nach einer Krankheit oder leidvollen Erfahrung das Wiedergewinnen der Kraft spüre, aber welches Leid, welchen Schmerz müßte ich denn überwinden, wenn mich ein Naturschauspiel (Sonnenuntergang, Landschaft, ...), das Hören eines Musikstückes, die Begegnung mit einem Kunstwerk oder die Nähe eines geliebten Menschen, oder, ganz simpel: die Erkenntnis, überhaupt leben zu dürfen, Glück empfinden lassen? (Natürlich tritt ein solches Ereignis mit einem Mal auf den Plan, aber ist nicht das Glück mindestens genauso intensiv, wenn es (das Ereignis) überraschend kommt, auch ohne daß mir das vorher gefehlt hätte?

Mich deucht, Herr Schopenhauer war arg eingeschränkt ... nicht zu sehen, daß Glück auch einfach so geschenkt werden kann.
Re: Homo liber
Γραικίσκος schrieb am 25.07.2012 um 15:20 Uhr (Zitieren)
Diese im 19. Jhdt. noch gängigen Versuche, die Welt aus einem Gedanken heraus zu verstehen (so Schopenhauer im Vorwort zur WWV), sind heute stark diskreditiert ... und offensichtlich neigen sie dazu, der Vielfalt der Phänomene Gewalt anzutun.

Immerhin ist es eine Überlegung wert, wenn ich beim Anblick eines schönen Tieres oder beim Hören des dritten Satzes von Beethovens 9. Symphonie Glück empfinde, ob ich dann nicht das Zur-Ruhe-Kommen (nach der vorangegangenen Unruhe z.B. des beruflichen Alltags) genieße.

Offensichtlich hat Schopenhauer Musik als Quietiv genossen. Seine Auffassung von Kunst geht auch stark in die Richtung, sie von ihrer Entlastungsfunktion her zu verstehen.
So kann man es sehen. Damit hat er aber gewiß nicht die ganze Kunst erfaßt.

Ein kluger Analytiker - es war meiner Erinnerung nach Nietzsche - hat einmal geäußert, Schopenhauers System sei das eines jungen Menschen. Da hat Nietzsche biographisch und von der Struktur her recht. Alles auf einen Schlag verstehen zu wollen, das ist ein Symptom der Jugend. Nicht der Altersweisheit.

"So ist die Sache! O wie so leise,
Wenn überhaupt, sagt das der Weise."
(Wilhem Busch)
Re: Homo liber
Γραικίσκος schrieb am 25.07.2012 um 15:21 Uhr (Zitieren)
Ach so: Nietzsche meinte das natürlich auch, weil Schopenhauer die Welt vom Willen, d.h. vom Trieb her versteht. Sehr jugendlich.
 
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