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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Woody Allen und der griechische Chor (1458 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 23.07.2009 um 08:27 Uhr (Zitieren)
In einem seiner Filme ("Geliebte Aphrodite") setzt Woody Allen im Stile antiker Tragödien und Komödien einen Chor ein, der die Handlung mit seinem Singsang kommentiert.
Da erinnere ich mich an die köstliche Stelle, in welcher diese Chor die Klage anstimmt:
"Ich sehe Verhängnis! Ich sehe Katastrophen! Schlimmer noch: Ich sehe Rechtsanwälte!"

Das hat Allen meiner Erinnerung nach gedreht während seines Prozesses mit Mia Farrow um Sorgerecht und Kindesmißbrauch. Letzterer Vorwurf (der gegnerischen Anwälte?) hat sich ja im Verlauf des Prozesses in Luft aufgelöst.
Re: Woody Allen und der griechische Chor
Γραικίσκος schrieb am 23.07.2009 um 12:33 Uhr (Zitieren)
Mal abgesehen von dem Scherz, zeigt Woody Allen ja auch, daß man antike Stilmittel auch heute noch intelligent & kreativ einsetzen kann.
Re: Woody Allen und der griechische Chor
Ὑληβάτης schrieb am 24.07.2009 um 09:41 Uhr (Zitieren)
"Im Stil antiker Tragödien und Komödien" ist gut! Der Chor steht ja im vollständig antikisierenden Umfeld! Sind da nicht auch Schauspieler: Laios und Iokaste mit Ödipus? (Ich kenne nur einen Ausschnitt von Youtube.)
So ein Chor hat natürlich immer 'ne bestimmte Funktion. Will Allen hier zeigen, wie zeitlos das Thema ist? Welches Thema auch immer.
Re: Woody Allen und der griechische Chor
Γραικίσκος schrieb am 24.07.2009 um 10:19 Uhr (Zitieren)
Bitte, ich habe mich nur auf meine Erinnerung gestützt. Es mag sein, daß die Bezüge zur Antike in Wahrheit noch viel enger sind ... was das Thema für uns ja nicht weniger interessant macht, oder?

Zum Thema des Films findet man im Internet:
Der Sportjournalist Lenny und seine Frau Amanda adoptieren einen Jungen, der zu einem klugen, humorvollen und schlagfertigen Kind heranwächst. Eines Tages kann Lenny seine Neugier nicht mehr zügeln und macht sich auf die Suche nach der leiblichen Mutter des Jungen. Bei dieser handelt es sich um die Prostituierte Linda, die auch sonst – besonders in Bezug auf ihren Intellekt – nicht der Vorstellung Lennys entspricht. Trotzdem werden sie Freunde, und Lenny versucht sie auf den Pfad der Tugend zurückzuführen: Er kauft sie gegen Basketball-Karten von ihrem Zuhälter frei und versucht, sie mit einem anständigen Kerl zu verkuppeln. Als seine Ehe in eine Krise gerät, schläft Lenny mit Linda und die beiden zeugen eine Tochter, wovon er aber nie erfährt, so wie Linda nie erfahren hat, dass Lennys Sohn Max ihr leibliches Kind ist.

So faßt Wikipedia das zusammen ... und läßt den Aspekt der Antiken-Anspielungen völlig außen vor.

Das Lexikon des Internationalen Films geht mit einer irritierenden Bemerkung im irrealen Konjunktiv darauf ein:
„Ein New Yorker Sportjournalist und eine Galeristin, die feststellen, daß zum Glück ihrer Ehe etwas fehlt, adoptieren einen kleinen Jungen. Der Mann forscht der Mutter nach und findet sie in einer warmherzigen Prostituierten, zu der er sich hingezogen fühlt. Was in klassischer Zeit, die durch einen griechischen Tragödienchor repräsentiert wird, ein Trauerspiel gewesen wäre, entwickelt Woody Allen zu einer pointen- und einfallsreichen, klugen und warmherzigen Komödie, mit der er wiederum die Sinnsuche eines intellektuellen Stadtmenschen beschreibt.“


Das Thema harrt also noch einer Vertiefung. Ich kann mir den Film erst wieder zuhause anschauen.
Re: Woody Allen und der griechische Chor
Γραικίσκος schrieb am 24.07.2009 um 10:24 Uhr (Zitieren)
Jetzt dämmert mir wieder etwas: Der Chor war so antik wie nur möglich ... aber er sangsprach im Stil von Woody Allen ... so wie ich es oben zitiert habe.
Das ergab zumindest einen sehr komischen Effekt.
Und in dieser Hinsicht ist Allen sehr stilsicher.
Re: Woody Allen und der griechische Chor
Ὑληβάτης schrieb am 24.07.2009 um 10:37 Uhr (Zitieren)
Eine Feuerschale in einer "antiken" Ruine mit Blick auf einen Berggipfel, ein Chor in langen Gewändern und mit Masken, griechische Musik, später ein König in antiken Gewändern ... das ist so antik wie möglich!
Bis die Szene ins Restaurant wechselt, könnte der unbedarfte Zuschauer denken, er hätte eine Theateraufzeichnung eingeschaltet.

Aber was wäre an der Geschichte eine Tragödie geworden? Hätte Max etwas mit Linda angefangen?
Re: Woody Allen und der griechische Chor
Γραικίσκος schrieb am 24.07.2009 um 12:58 Uhr (Zitieren)
Dann wäre es eine Tragödie geworden, ja. Aber Allens Tragödien (so im Stile von Ingmar Bergman) sind heute weitgehend vergessen, wenn ich mich nicht irre.

Wer Interesse an einer modernen Adaption antiker Stilmittel hat, kann sich ja einmal "Geliebte Aphrodite" [schon der Titel! fällt mir gerade auf] bei sich ergebender Gelegenheit anschauen.

Deutlich stärker in Richtung Tragödie, aber mit immer noch stark tragikomischen Aspekten, ist übrigens "Verbrechen und andere Kleinigkeiten" von & mit Woody Allen - einer seiner stärksten Filme, nach meiner Überzeugung.
Darin kommt freilich kein antiker Chor vor, und ich sehe gar keine unmittelbaren Bezüge zur Antike. Aber wenn man es vergleichen will, dann kommt für diesen Film mit seiner konsequenten Absage an jede Art von Gerechtigkeit in der Welt als vergleichbarer Autor solcher Ansichten nur Euripides in Frage.
Wer Euripides mag, wird "Verbrechen und andere Kleinigkeiten" mögen. Zugleich ist dieser Film unglaublich doppelbödig - sowas habe ich sonst noch nie gesehen. Z.B. endet der Film mit einem im Film gefilmten Bekenntnis eines Philosophieprofessors zu Hoffnung und Lebensfreude - eines Professors, von dem wir Zuschauer aber inzwischen wissen, daß er "aus dem Fenster gegangen ist", d.h. Suizid begangen hat. So propagiert Allen den Optimismus und denunziert ihn zugleich.
Re: Woody Allen und der griechische Chor
Γραικίσκος schrieb am 24.07.2009 um 22:02 Uhr (Zitieren)
"Verbrechen und andere Kleinigkeiten"
Die Filme von Woody Allen sind meist nicht nur ihrer Story wegen interessant. Oft ist es gerade auch die angewandte Erzähltechnik, die den besonderen Reiz der Werke ausmacht. In diesem Falle liefert Allen nicht nur eine Geschichte, sondern gleich zwei davon. Beide ereignen sich parallel: ein Drama einerseits, eine Komödie andererseits - jedenfalls mehr oder minder. Denn witzige wie tragische Züge sind beiden Geschichten zu eigen. Daß sich die Erzählstränge am Ende treffen, ist dann ein letzter Kniff der Dramaturgie.
Film Nummer 1: Der erfolgreiche New Yorker Augenarzt Judah Rosenthal hat Probleme mit seiner heimlichen Geliebten, Dolores Paley. Sie will ihn zwingen, sich von seiner Ehefrau zu trennen. Das jedoch sieht Judah gar nicht ein. Er läßt Dolores umbringen und pflegt fortan seine Gewissensbisse.
Film Nummer 2: Derweil hat der kleine Filmemacher Cliff Stern ganz andere Nöte - zunächst nur finanzielle. Nur seinem Konto zuliebe hat er eingewilligt, eine Dokumentation über seinen schmierigen Schwager zu drehen - den erfolgreichen Fernsehproduzenten Lester. Doch nun droht ihm Kotzbrocken auch noch seine Geliebte Halley auszuspannen, die Cliff über seine erkaltete Ehe hinweghelfen sollte. Und da gerät der Regisseur in Rage. Er rächt sich auf eine ganz eigene Weise.
„Im heimtückischen, von kleinen Zynismen durchsetzten Plauderton und mit doppelbödigen Rückblenden macht Allen den Zuschauer zum verständnisvollen Komplizen einer frostigen Reise durch eine kalte Welt.“ [Süddeutsche Zeitung] Und er stellt dabei eine ganze Reihe von Fragen nach Moral und Sinn in dieser Welt.

Ist tatsächlich schon 20 Jahre alt, dieser Film. Gleichviel! Wenn er Euch begegnen sollte, laßt Euch auf diese Begegnung ein.

* film-dienst: „Die Synthese von leichter Komödie und ernster Handlung mit einer philosophisch-religiösen Reflexion über die Existenz Gottes, die Frage nach der Schuld, Liebe, Glück und Verantwortung ist überzeugend gelungen. Ein Meisterwerk voller Ironie, Trauer und Bitterkeit.“
 
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