An zwei Stellen seiner "Ilias" kommt Homer auf die Amazonen zu sprechen:

III, 184-190

[Es erzählt Priamos, der König Trojas.]

Einstens kam ich sogar in Phrygiens Rebengefilde,
Wo ich rossetummelnde Phryger in Massen erblickte,
Otreus’ Volk und das Heer des götterähnlichen Mygdon,
Die sich am Ufer des Flusses Sangarios damals gelagert;
Wurde doch ich als Bundesgenosse zu ihnen gerechnet
Jenes Tags, da mit männlicher Kraft Amazonen sich nahten.
Doch so zahlreich waren sie nicht wie die stolzen Achaier !


VI, 176-186

[Hippolochos berichtet von seinem Vorfahren Bellerophontes und dessen Taten, die er, als Bote des Königs Proitos und Opfer einer Intrige nach Lykien gesandt, im Auftrag des Königs der Lykier vollbracht hat.]

Da befragt’ er [der König] den Gast [Bellerophontes] und
verlangte die Zeichen zu sehen,
Welche der Held ihm brächte vom Eidame Proitos, dem König.
Und nachdem er die Todeswinke des Eidams empfangen,
Hieß er jenen zuerst die ungeheure Chimaira
Töten, die, göttlicher Art, nicht sterblichen Menschen
entstammte.
Vorne ein Leu und hinten ein Drache und Geiß in der Mitte,
Hauchte sie aus die schreckliche Glut des lodernden Feuers.
Doch er tötete sie, den Winken der Götter vertrauend.
Dann zum zweiten bekämpft’ er der Solymer ruchbaren
Volksstamm;
Diesen nannt’ er den härtesten Kampf, den er kämpfte mit
Männern.
Drittens erschlug er die männerähnliche Schar Amazonen.

[Homer, Ilias. Griechischer Urtext und Übertragung von Hans Rupé. München ²1961, S. 99 und 203]

Wenn wir Homer um 800 v.u.Z. datieren, dann folgt daraus dreierlei:
1. Die in Griechenland verbreitete Überzeugung von der Existenz der Amazonen kann nicht durch die Begegnung von Griechen mit Skythen, deren Frauen kämpften, erklärt werden, denn die Skythen sind später anzusetzen: etwa ab 600.
2. Homer behandelt hier die Amazonen offensichtlich als den Lesern bekannt, d.h. bereits zu seiner Zeit muß dieses Phänomen den Griechen geläufig gewesen sein.
3. Die Herkunft dieses Glaubens ist ungeklärt.