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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Macht vs. Recht (656 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 24.07.2009 um 13:12 Uhr (Zitieren)
Eine der spannendsten Diskussionen dieses Themas - auch heute noch Standardbezugspunkt, wenn sich jemand mit der Frage befaßt - ist die von Thukydides (Pelop. Krieg V 84 ff.) überlieferte Auseinandersetzung der Athener mit den Meliern.
Die Athener - Repräsentanten einer Demokratie doch immerhin! - zeigen hierbei einen derart gnadenlosen Machtinstinkt, daß die von US-Amerikanern seit Woodrow Wilson oft vertretene These, Demokratien seien friedfertiger als andere Staatsformen, plötzlich ganz blass und kränkelnd ausschaut.

Hier ein Auszug:
Athener: „Wir wollen also auch mit glänzenden Worten, als: daß uns vermöge der Besiegung der Perser durch unsere Waffen die Herrschaft von Rechtswegen zukomme, und daß wir als beleidigter Teil von Rechtswegen die Waffen gegen euch ergriffen, kein weitläufiges und eben deswegen verdächtiges Aufheben machen. Wir glauben aber auch nicht, daß ihr euch einbildet, ihr würdet uns durch dergleichen Vorspiegelungen, wie daß ihr als lakedämonisches Pflanzvolk nicht hättet mit zu Felde gehen können oder daß ihr uns nichts zu Leide getan habt, überzeugen, sondern daß ihr vielmehr euch zu dem verstehen werdet, was nach Maßgabe unserer beider wahren Gesinnungen möglich und tunlich sein wird, mit Rücksicht darauf, daß ihr mit Leuten zu tun habt, die wohl wissen, daß man das genaueste Recht in menschlichen Angelegenheiten nur unter Personen, die sich in einerlei Umständen befinden, zum Maßstabe seiner Entscheidungen machen kann; wer hingegen überlegene Macht in Händen hat, der geht, so weit er kann, und der Schwächere muß sich darein fügen.“
Re: Macht vs. Recht
andreas schrieb am 24.07.2009 um 18:30 Uhr (Zitieren)
Zum Recht des Stärkeren gibt es ein schönes Zitat, das ich leider nur sinngemäß wiedergeben kann.

Leider weiß ich nicht mehr von wem es stammt,

"Was ist das für ein Recht, das mit der Stärke schwindet?" (Rousseau, Montesquieu .. ? )

Das haben aber so einige - nicht nur moderne US-Staatschefs - wohl vergessen.
Re: Macht vs. Recht
Γραικίσκος schrieb am 20.12.2019 um 15:08 Uhr (Zitieren)
Leider gibt es nach all den Jahren noch keine Aufklärung über das von andreas erwähnte Zitat.
Re: Macht vs. Recht
Marcella schrieb am 20.12.2019 um 19:24 Uhr (Zitieren)
Ein schönes Paradoxon ist einer der Wahlsprüche der Vereinigten Staaten: LIBERTAS ET IMPERIUM.

Einschlägige Erfahrungen mussten z.B. die Philippinen im brutalen Kolonialkrieg gegen die USA machen (schätzungsweise eine Dreiviertelmillion Todesopfer). Mindanao wurde teiweise entvölkert. Das Thukydides-Zitat hätten die amerikanische Regierung auch im Munde führen können.
Re: Macht vs. Recht
Γραικίσκος schrieb am 21.12.2019 um 13:35 Uhr (Zitieren)
LIBERTAS ET IMPERIUM, soso, von diesem Wahlspruch wußte ich nichts.
Unser Ziel ist, die Grundsätze des Friedens und der Gerechtigkeit im Leben der Welt gegen selbstsüchtige und autokratische Macht zu verteidigen und unter den wirklich freien und sich selbst regierenden Völkern der Welt eine solche Vereinbarung in Plan und Handlung aufzurichten, die hinfort nach Beobachtung dieser Grundsätze strebt. Wir haben keinen Streit mit dem deutschen Volke. Wir haben gegen dieses nur ein Gefühl der Sympathie und der Freundschaft. Seine Regierung hat nicht auf sein Betreiben gehandelt, als sie in den Krieg eintrat. Das geschah nicht mit vorheriger Kenntnis oder Billigung des Volkes. Es war ein Krieg, der beschlossen wurde, so wie in alten unglücklichen Zeiten Kriege hervorgerufen und geführt wurden im Interesse von Dynastien oder von kleinen Gruppen Ehrgeiziger, die gewohnt waren, ihre Mitbürger als Pfänder und Werkzeuge zu benutzen. Eine feste Vereinigung für den Frieden kann nur aufrechterhalten werden, wenn die Mitglieder demokratische Nationen sind. Man könnte keiner autokratischen Regierung das Vertrauen schenken, daß sie ihr treu bleiben oder ihre Vereinbarungen einhalten würde. Es muß ein Bund der Ehre sein, eine Beteiligung aus Überzeugung. [...]
[...] wir werden für Dinge kämpfen, die immer unseren Herzen am nächsten gelegen haben, für Demokratie, für das Recht derer, die einer Obrigkeit untertan sind, eine Stimme in ihrer eigenen Regierung zu haben, für die Rechte und Freiheiten der kleinen Nationen, für eine allgemeine Herrschaft des Rechts durch einen solchen Bund freier Völker, der allen Nationen Frieden und Sicherheit bringt und schließlich die Welt selbst befreit. [...]

So Woodrow Wilson in seiner Rede vor dem Kongreß am 2. April 1917 zum Kriegseintritt der USA.

Es war eine schöne Idee, aber sowohl Athen als auch die USA belegen, daß auch Demokratien eine sehr harte Machtpolitik betreiben können.

Daß die USA sogar eine Kolonialmacht waren, daran erinnerst Du zu recht.

"Make America great again" knüpft ja durch das "again" ausdrücklich an eine Tradition an.
Re: Macht vs. Recht
Γραικίσκος schrieb am 21.12.2019 um 13:40 Uhr (Zitieren)
Rußland, ebenfalls ein Imperium, steht in einer anderen Tradition:

Die russischen Truppen marschierten zielstrebig auf die Krim und hatten im Nu die Kasernen und Flughäfen eingenommen. Wie 1968 in der Tschechoslowakei waren die Streitkräfte auch hier ohne Erkennnungszeichen und ohne Fahnen eingerückt; sie verteilten sich auf der Halbinsel und nahmen Regierungsgebäude, Werften, Häfen und Elektrostationen ein. Die ukrainischen Einheiten ergaben sich, gefallen sind nicht viele; wer Widerstand leistete, wurde geschlagen, manche erschlagen. Irgendwer erinnerte an den "Anschluss" Österreichs - es wurde verboten, daran zu erinnern.
Und dann marschierten die Russen im Donbass ein; man behauptete, dort finde ein Aufstand der russischsprachigen Bevölkerung statt. Das war eine Lüge, jedermann in Russland wusste, dass es eine Lüge war.
Und die Menschen gewöhnten sich daran, dass gelogen wurde. Diese Lügen nützten irgendwem. Dem Staat, hieß es. Und dann: dem Imperium.

(Maxim Karlowitsch Kantor: Rotes Licht. Wien 2018, S. 591)
 
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