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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Die Erziehung von Bärenhäutern (971 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 27.09.2012 um 17:52 Uhr (Zitieren)
Auf den Gymnasien sollte keine altdeutsche Litteratur Nibelungen und sonstige Poeten des Mittelalters u.s.w. gelehrt werden: diese Dinge sind zwar höchst merkwürdig, auch lesenswerth, tragen aber nicht zur Bildung des Geschmacks bei, und rauben die Zeit, welche der alten wirklich klaßischen Litteratur angehört. Wenn ihr, edle Germanen und deutsche Patrioten, an die Stelle der Griechischen und Römischen Klaßiker altdeutsche Reimereien setzt; so werdet ihr nichts Anderes, als Bärenhäuter erziehn. Nun aber gar diese Nibelungen mit der Ilias zu vergleichen, ist eine rechte Blasphemie, mit welcher die Ohren der Jugend, vor Allem, verschont bleiben sollten.

(Arthur Schopenhauer: Senilia 94,4)
Re: Die Erziehung von Bärenhäutern
διψαλέος schrieb am 27.09.2012 um 18:02 Uhr (Zitieren)
na ja...

in der Ilias wird aber auch ganz gehörig gemetzelt...
Re: Die Erziehung von Bärenhäutern
Γραικίσκος schrieb am 27.09.2012 um 18:14 Uhr (Zitieren)
Die "Patrokleia" (Buch XVI) gilt als Grundlegung der abendländischen Humanität. Und der Kriegsgott Ares wird von Homer durchweg als verächtlich dargestellt. Die "Ilias" ist keine Verherrlichung von Kriegen, schon gar nicht von Gemetzeln. Daß sie geschildert werden, ist ja nicht das Entscheidende.
Re: Die Erziehung von Bärenhäutern
διψαλέος schrieb am 27.09.2012 um 18:18 Uhr (Zitieren)
Das stimmt.
Die brutale Behandlung des Leichnams Hektors durch Achilles schreckt auch noch heute ab.
Re: Die Erziehung von Bärenhäutern
Anastasia schrieb am 27.09.2012 um 22:06 Uhr (Zitieren)
Stellt sich die Frage, ob wir die abschreckenden Beispiele der Antike brauchen, wo wir doch unsere neuzeitlichen haben.
Re: Die Erziehung von Bärenhäutern
διψαλέος schrieb am 27.09.2012 um 22:10 Uhr (Zitieren)
Das stimmt,
ich habe gerade den "Panorama"-Bericht über die sogenannten "Drohnen" gesehen.
Na toll...
Re: Die Erziehung von Bärenhäutern
Anastasia schrieb am 28.09.2012 um 09:07 Uhr (Zitieren)
Hast du Zeit für ein kurzes Resümee?
Re: Die Erziehung von Bärenhäutern
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 28.09.2012 um 12:48 Uhr (Zitieren)
Warum nur schon wieder Schopenhauer?
Soll hier erneut die (senile) Beschränktheit des Blickwinkels demonstriert werden? - ich glaube kaum, obwohl die - wieder mal kommentarlos eingestellte - Passage dazu bestens geeignet ist ...
Was man alles zum Thema Gewalt (um welches es Schopenhauer wahrscheinlich gar nicht einmal gegangen ist - Stichwort Reimereien, Bildung des Geschmacks) sagen kann/könnte, läßt ein kurzer Blick in die Runde erahnen:
http://www.uni-due.de/~hg0222/images/stories/pdfs/beitrag_kern_gewaltaesthetik_im_nibelungenlied_und_im_heroischen_film%20%20%20%20%20.pdf
http://www.jstor.org/discover/10.2307/20658199?uid=3737864&uid=2129&uid=2&uid=70&uid=4&sid=21101087145803

um nur zwei Beispiele willkürlich herauszugreifen, die bei der Suche
https://www.google.de/search?q=nibelungenlied+gewalt&ie=utf-8&oe=utf-8
erscheinen.
Ein Vergleich der beiden "Welten" dürfte mehr und Wesentlicheres zutage fördern an Gemeinsamkeiten und Unterschieden als das Ankleben eines billigen Etiketts wie 'Blasphemie'. So ein Urteil fällt lediglich auf den Urheber zurück. Ich jedenfalls kann diesen Typen, je mehr ich von ihm vorgesetzt bekomme, desto weniger ernstnehmen.
Re: Die Erziehung von Bärenhäutern
Γραικίσκος schrieb am 28.09.2012 um 13:27 Uhr (Zitieren)
die - wieder mal kommentarlos eingestellte - Passage

Wenn ich meinen Kommentar 20 Minuten später einstelle, nachdem ich gemerkt habe, daß jemand auf das Thema eingegangen ist, dann zählt das nicht?
Re: Die Erziehung von Bärenhäutern
Γραικίσκος schrieb am 28.09.2012 um 13:33 Uhr (Zitieren)
Ach so, ja, warum ich häufiger Schopenhauer-Texte einstelle: 1. Ich mag ihn und seine gallige, oft provokante Art; 2. er äußert sich häufiger zu Themen, die mit der Antike zu tun haben.

Selbst da und gerade da, wo er provoziert - er erscheint mir nie langweilig, weil er mir immer als lebendiger Mensch präsent ist. Das schaffen gar nicht so viele Autoren.

"Wie nah sind mir manche Tote! Doch
Wie tot sind mir manche, die leben!"
(Wolf Biermann)
Re: Die Erziehung von Bärenhäutern
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 28.09.2012 um 14:01 Uhr (Zitieren)
Soit.
Man nehme nur ein jota weg und erhält, was ich von ihm (und vom Provozieren um seiner selbst willen) denke ...

Einen Kommentar zu Schopenhauers "These" - wie dargetan in der Titelzeile -, wenn nicht gar einen die Formulierung eines eigenen Standpunktes dazu, hätte ich mir gewünscht, nicht eine Erwähnung eines partiellen Charakterzuges der Ilias, als Reaktion auf eine Reaktion (wieder diese Steinchenwerferei ...)

Wenn provokativ zum Lebendigsein ausreicht, bitte sehr - ich kann nur sagen, auf die Dauer kann auch das sehr eintönig/langweilig werden.
Re: Die Erziehung von Bärenhäutern
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 28.09.2012 um 14:05 Uhr (Zitieren)
wenn nicht gar einen die Formulierung
Re: Die Erziehung von Bärenhäutern
Γραικίσκος schrieb am 28.09.2012 um 14:16 Uhr (Zitieren)
Das Empfinden von Langeweile ist sicher von Individuum zu Individuum unterschiedlich - ebenso wie die Einstellung zu dem, was & wie ich schreibe. Ich kann - und möchte - aber nur so schreiben, wie es meinem Stil entspricht. Jeder andere kann ja anders schreiben, nach seinem gusto. Dies ist, zum Glück, ein offenes Forum.
Re: Die Erziehung von Bärenhäutern
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 28.09.2012 um 15:25 Uhr (Zitieren)
Um Stilfragen ging es ja nun wirklich nicht, ich jedenfalls habe meine Kritik auf Inhaltliches gerichtet.
Re: Die Erziehung von Bärenhäutern
Γραικίσκος schrieb am 28.09.2012 um 15:32 Uhr (Zitieren)
Ich bezog mich auf meine Methode des 'Steinchenwerfens', die Dir ja partout nicht gefällt, obgleich ich sie schon einigemale erläutert habe. Kurzversion: Ein guter Text kann zunächst für sich selbst sprechen; ob er das tut oder auf gar kein Interesse stößt, stelle ich durch Reaktionen fest; kommen diese, steige ich in die Diskussion ein; zu jedem vorgestellten Text gleich eine Interpretation resp. Stellungnahme mitzuliefern, dazu fehlt es mir an Zeit. Sollte der Text gar nicht interessieren, wäre das obendrein verschwendete Zeit.
Das ist mein Stil.
Re: Die Erziehung von Bärenhäutern
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 28.09.2012 um 15:51 Uhr (Zitieren)
Pardon, das ist nicht der Stil, in dem Du schreibst, sondern der, in dem Du mit dem Forum (und seinen Teilnehmern) umgehst. Und in einem offenen Forum darf Kritik auch daran geübt werden.
Ein weiteres Mal: was sagt _Dir_ denn der Schopenhauersche Text, welche Erkenntnis ziehst _Du_ daraus?
Re: Die Erziehung von Bärenhäutern
Ἄλλος schrieb am 28.09.2012 um 16:19 Uhr (Zitieren)

Ἀλλ` ὁ σφενδονήτης ὁ τῶν λόγων, ὃν οἱ Ῥωμαῖοι funditor verborum ὀνομάζουσιν, πολλάκις τοῖς ἐνυπνιάζουσιν ἀνϑρώποις ὄφελός ἐστιν· μέγαν γὰρ ταραχὴν εἰς καϑύπνους οἴκους φέρει καὶ ἐξ ὕπνου ἀνεγείρει ἐνίους...ἐνίοτε.
Re: Die Erziehung von Bärenhäutern
Ἄλλος schrieb am 28.09.2012 um 16:46 Uhr (Zitieren)
funditorem
Re: Die Erziehung von Bärenhäutern
Βοηθός Ἑλληνικός schrieb am 29.09.2012 um 12:24 Uhr (Zitieren)
@στρουθίον οἰκιακόν:
Dann bin ich ja nicht der einzige, der Schopenhauers Aussagen nicht gerade toll findet....
;-)
Re: Die Erziehung von Bärenhäutern
Βοηθός Ἑλληνικός schrieb am 29.09.2012 um 12:28 Uhr (Zitieren)
Aber bei mir ist es so: Das Geschriebene kann geschrieben bleiben. Schopenhauer steht bei mir nicht im Regal und wird dort auch nie stehen.
Re: Die Erziehung von Bärenhäutern
filix schrieb am 29.09.2012 um 18:57 Uhr (Zitieren)
Man sollte - von den über den Favoriten ausgetragenen Animositäten abgesehen - den historischen Kontext bedenken; die Debatte um ein mögliches Nationalepos der, wie Plessner es nannte, verspäteten Nation wurde spätestens seit 1806 einigermaßen hitzig geführt; dass sich dabei Schopenhauers Bemerkung in ihm vielleicht nicht unbedingt genehmer Gesellschaft befand, mag folgendes Zitat belegen:

"Dasselbe ist vom Nibelungenliede zu sagen. Die Burgunder, Chriemhildens Rache, Siegfrieds Thaten, der ganze Lebenszustand, das Schicksal des gesammten untergehenden Geschlechts, das nordische Wesen, König Etzel u. s. f. —— das alles hat mit unserem häuslichen, bürgerlichen, rechtlichen Leben, unseren Institutionen und Verfassungen in nichts mehr irgend einen lebendigen Zusammenhang. Die Geschichte Christi, Jerusalem, Bethlehem, das römische Recht, selbst der trojanische Krieg haben viel mehr Gegenwart für uns als die Begebenheiten der Niebelungen, die für das nationale Bewusstseyn nur eine vergangene, wie mit dem Besen rein weggekehrte Geschichte sind. Dergleichen jetzt noch zu etwas Nationalem und gar zu einem Volksbuche machen wollen, ist der trivialste platteste Einfall gewesen. In Tagen scheinbar neu auflodernder Jugendbegeisterung war es ein Zeichen von dem Greisenalter einer in der Annäherung des Todes wieder kindisch gewordenen Zeit, die sich an Abgestorbenem erlabte, und darin ihr Gefühl, ihre Gegenwart zu haben, auch Anderen hat zumuthen können."


Es stammt von Hegel.

Auch mancher Gymnasiallehrer des 19.Jhdts. hat hierzu etwas beizusteuern - folgender macht um 1850 die Probe aufs Exempel und lässt, rhetorisch abgefedert, die Probanden das Vergleichsurteil fällen:

"Vor etwa neun Jahren, als ich noch am hiesigen Gymnasium stand, fing ich mit einigen älteren Secundanern an, das Nibelungenlied nach der Lachmann 'sehen Ausgabe zu lesen. Ich hatte Schüler, die mit Homer, Virgil und Schiller vertraut waren, bei denen ich also voraussetzen konnte, was ich oben als nothwendige Bedingung zur Einführung in die altdeutsche Literatur hervorhob. Da ich nach dem Lehrplane der Schule keine regelmässigen Schulstunden dazu benutzen durfte, so musste ich meine Lecture auf ein paar Nachmittage nach dem Schlüsse der Lehrstühlen verlegen, was begreiflicher Weise eben keine passende Zeit zur Behandlung eines ganz neuen und schwierigen Gegenstandes war. Dennoch übertraf der Erfolg meine Erwartungen. Ich fand, dass die jungen Leute selbst an denjenigen Stellen des Gedichtes grosse Freude hatten, welche weder durch Inhalt noch Form sich auszeichneten, und sie waren in jugendlicher Lebhaftigkeit kühn genug zu behaupten, Homer sei nichts dagegen."


Kurz, was so isoliert, von der Gegenwart aus betrachtet, als idiosynkratischer Nonsens
eines notorischen Provokateurs erscheinen mag, muss mit der Epoche, in der es
geschrieben wurde, kurzgeschlossen werden. Dass uns heute derlei Debatten obsolet,
erscheinen, und, wenn das Unterfangen auch immer illusorischer wird, der Rat ergeht, im textkritisch informierten Vergleich, beides mit Gewinn zu lesen, kann
nicht das alleinige Maß der Beurteilung der Senilia abgeben.

Zu welchem Bildvorrat man in D. nach wie vor greift, wenn es gilt, eine schmerzliche, ja eine grausame Niederlage zu beschreiben, mag folgende Trouvaille aus dem Feuilleton illustrieren, in der fast ein Jahrhundert deutscher Geschichte auf ziemlich groteske Weise kondensiert:

"Und dann stand Mario Balotelli, der sehr schwarze Italiener aus Ghana mit den jüdischen Eltern aus Brescia, im geschleiften deutschen Strafraum, zog langsam das blaue Trikot aus, so dass alle Zuschauer und Spieler die Muskeln unter seiner schwarzen Haut sahen und die drei türkisfarbenen Klebestreifen auf dem unteren Rücken, um für lange Sekunden verstehen und auskosten zu müssen, wie es jetzt zu spät war für jedes "Abwehrverhalten," und wie deshalb der deutsche Traum von der Europameisterschaft gestorben war, ganz egal, ob sie sich darüber freuten oder weinten. So wie Balotelli mag Achilles ausgesehen haben, als er die Leiche des besiegten Hektor mit den Füßen an seinen Streitwagen band, weil jede Bewegung, ja schon das bloße Stehen monumental werden, wenn aller Widerstand gebrochen ist."

Dies stammt aus der Tastatur Hans Ulrich Gumbrechts und jeder mag für sich entscheiden, was da alles an Stelle des "deutsche(n) Traum(s) von der Europameisterschaft" noch gestorben sein könnte.
Re: Die Erziehung von Bärenhäutern
Βοηθός Ἑλληνικός schrieb am 29.09.2012 um 22:19 Uhr (Zitieren)
Der Kontext der damaligen Zeit ist mir auch klar, filix. Trotzdem kann ich mit Schopenhauer nichts anfangen und werde ich auch nicht. Das ist der Vorteil unserer freien Entscheidung. Man muss halt nicht jeden Mist lesen. Wer es will, soll es.
Re: Die Erziehung von Bärenhäutern
Γραικίσκος schrieb am 29.09.2012 um 22:26 Uhr (Zitieren)
"Ich werde noch sterben vor Lachen, wenn ich Nachtwächter an Gott zweifeln höre." (Friedrich Nietzsche)
Re: Die Erziehung von Bärenhäutern
Βοηθός Ἑλληνικός schrieb am 29.09.2012 um 22:31 Uhr (Zitieren)
...als er umnachtet war.
 
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