Forum: Andere Länder - andere Sitten

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Andere Länder - andere Sitten (411 Aufrufe)

Γραικίσκος schrieb am 30.09.2012 um 14:00 Uhr (Zitieren)

In Europa beschränkte man sich [...] im wesentlichen darauf, Mißgeburten zu sammeln, sofern sie ungeheuerlich genug dafür erschienen. Viel weiter ging man in China, wo man Deformationen gezielt herstellte, indem man Kleinkindern einen Teil ihres Körpers – und also nicht nur Mädchenfüße - so stark einschnürte, daß das Wachstum unterbunden war. Man zwängte z.B. ein Kleinkind in einen sehr engen Behälter und gestattete nur einem einzigen Glied seines Körpers – vielleicht einem Arm -, sich frei zu entfalten. Die meisten betroffenen Kinder dürften bei dieser Prozedur zugrunde gegangen sein. Ihr Leben war – wenn man überhaupt noch von Leben sprechen kann – eine einzige pausenlose Qual, die wohl erst abklang, wenn das unglückliche Geschöpf „erwachsen“ war und nun endlich aus seinem Miniaturzwinger befreit wurde. Man hatte zuletzt ein Zwerglein, das den einen Riesenarm am Boden hinter sich her schleppte.
Sicher waren solche unglücklichen künstlichen Ungeheuer sehr teuer. Der Vorgang dauerte ja gegen zwanzig Jahre[,] und die Todesrate war ausgesprochen hoch. Für die wenigen Überlebenden mußte der Züchter also auch bei bescheidener Kalkulation einen enormen Preis verlangen. Nur sehr reiche Mandarine und Gutsherrn konnten sich – außer dem kaiserlichen Haus – den Luxus leisten, solche Kreaturen rund um ihren Thron herumkrabbeln zu lassen. Diese Mode hielt sich jahrhundertelang; die Mißgestalten galten als hervorragendes, eben weil sehr teures, Statussymbol.

[Quelle: Valentin Landmann, Das Böse. Geschichte eines Urphänomens. München 1985, S. 173]