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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Das mit dem Mitleid ... (858 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 01.10.2012 um 17:07 Uhr (Zitieren)
... das mußte ich einmal loswerden; das hat mich schon früh geärgert bei Nietzsche, daß er das als Einstellung christlicher Schwächlinge denunziert.
Re: Das mit dem Mitleid ...
διψαλέος schrieb am 01.10.2012 um 17:20 Uhr (Zitieren)
Ich kann mich an meinen Geschichtsunterricht erinnern:
Unserer damaliger Geschichtslehrer sagte,
es waren die Perser unter Kyros II.
die zum ersten Mal in der Geschichte belegbar
sowas wie "Mitleid" mit den unterlegenen Gegnern
hatten.
Zuvor wurde der Besiegte erbarmungslos
niedergemacht oder vollständig versklavt
bzw. verschleppt.
Re: Das mit dem Mitleid ...
Γραικίσκος schrieb am 01.10.2012 um 18:02 Uhr (Zitieren)
Na, da sind die Sumerer aber älter.
Aber auf welche Quelle hat sich Dein Lehrer denn bezogen?
Re: Das mit dem Mitleid ...
arbiter schrieb am 01.10.2012 um 18:19 Uhr (Zitieren)
mag sein, dass Mitleid "in der Natur des Menschen liegt". Es gibt/gab aber auch Gesellschaften, die - jedenfalls auf den ersten Blick, dieses - wenn vorhanden - unterdrückten:
Bei einigen Eskimos war es Brauch, das Neugeborene auf den Boden des Iglus zu legen und, wenn der Vater es nicht aufhob und damit akzeptierte, es dort liegen und erfrieren zu lassen.
Bei einigen Indianern wurden alte Menschen, die keine sie versorgenden Angehörigen hatten, praktisch ausgesetzt und dem Tod durch Hunger und/oder Erfrieren preisgegeben.
Re: Das mit dem Mitleid ...
διψαλέος schrieb am 01.10.2012 um 18:36 Uhr (Zitieren)
Ich kann mich daran nicht erinnern,
welche Quelle oder ob er überhaupt
eine erwähnt hatte.
Das war ja ein Thema in der Unterstufe,
also 45 Jahre oder mehr zurückliegend.

Ich erinnere mich so punktuell an einige Dinge aus der Schulzeit.
Re: Das mit dem Mitleid ...
διψαλέος schrieb am 01.10.2012 um 18:51 Uhr (Zitieren)
HA!
Jetzt hab' ich's!

Das stammt auch aus einem Schulgeschichtsbuch:
"Urzeit und Altertum", Ernst Klett Stuttgart, 2.Auflage 1967, Seite 30

Im Absatz über Cyrus
http://up.picr.de/12015299bp.jpg
Re: Das mit dem Mitleid ...
ανδρέας schrieb am 01.10.2012 um 19:21 Uhr (Zitieren)

Jetzt stehen schon wieder so viele Artikel über die demographische Entwicklung in den Zeitungen.
Also immer vorsichtig sein mit dem Rückgriff auf die Methoden der Indianer. Da könnten unsere Volksvertreter noch auf üble Gedanken kommen. Was ist schon die Rentenniveauabsenkung gegen das Aussetzen ... Mitleid ist auch an den Mitesser gekoppelt, wenn es knapp wird.
Re: Das mit dem Mitleid ...
Γραικίσκος schrieb am 01.10.2012 um 19:26 Uhr (Zitieren)
Für Völker mit Nahrungsmittelknappheit leuchtet mir die Grenze einer Mitleidsethik ein, weil diese zum Untergang des Volkes führen würde.
Ich erläutere das einmal an einem 'Minimalvolk' von zwei Personen. Nehmen wir an, es stehe nur Nahrung zur Verfügung, die für das Überleben einer Person reicht. (Man kann an die Zahlen auch ein paar Nullen anhängen.)

Dem Mitgefühl stehen nun zwei Strategien zur Verfügung:
1. Person 1 und Person 2 teilen sich die Nahrung, die nur für eine reicht. Folge: Beide Personen verhungern.
2. Person 1 stellt Person 2 ihren Anteil zur Verfügung; sie ist bereit, sich zu opfern. Nimmt Person 2 dies an, erweist sie sich als mitleidloser Egoist; stattdessen muß Person 2 ihrerseits Person 1 ihre Portion anbieten. Person 1 darf dieses Opfer jedoch aus demselben Grund nicht annehmen. Folge: Beide Personen verhungern.

Das geht nicht. Mitgefühl ist eine Art Luxusphänomen, d.h. es funktioniert nur, wenn alle Beteiligten überleben können.
Re: Das mit dem Mitleid ...
Γραικίσκος schrieb am 01.10.2012 um 19:35 Uhr (Zitieren)
Die Frage ist also, ob es Völker gibt, die über genügend Nahrungsmittel verfügen und dennoch ohne Mitleid sind.
Re: Das mit dem Mitleid ...
ανδρέας schrieb am 01.10.2012 um 19:42 Uhr (Zitieren)
Keinerlei Mitleid? Das widerspricht dem Menschsein.
Vermutlich gilt dies nur in Extremsituationen.
Methode 3: man isst den anderen, z.B. bei extremer Knappheit an Nahrungsmitteln (Schiffbruch).
Man denke an das Andenunglück, als die Überlebenden die Verstorbenen ausgruben ... aber die waren wenigstens schon tot.
Du hast es richig erkannt: Mitleid ist auch abhängig von der Lebenssituation. Buddhismus postuliert Mitleid als höchste Tugend. Aber, wenn der Hunger nagt ...
Re: Das mit dem Mitleid ...
Γραικίσκος schrieb am 01.10.2012 um 20:00 Uhr (Zitieren)
Methode 3 geht auch noch ... oder man sieht sie als Variante von 2: Person 1 stellt sich als Nahrung zur Verfügung.
So oder so - mit Mitleid funktioniert das nicht.

Ein Buddhist (oder Christ) sollte sich u.U. aufopfern. Aber mein Gedanke ist der, daß der andere dieses Opfer aus Mitgefühl nicht annehmen darf, sondern umgekehrt sich selber als Opfer anbieten muß.
Re: Das mit dem Mitleid ...
ανδρέας schrieb am 01.10.2012 um 20:01 Uhr (Zitieren)

Nullo in loco male audit misericordia

Publilius Syrus, Sententiae N 41
Re: Das mit dem Mitleid ...
Γραικίσκος schrieb am 01.10.2012 um 20:06 Uhr (Zitieren)
Interessant ist der pathologische Haß, mit dem die Nationalsozialisten dem Mitgefühl begegneten.
Als in Auschwitz P. Maximilian Kolbe, um einen Mithäftling vor dem Tod zu bewahren, sich für den Hungerbunker anbot, schickte die SS beide dort hinein.
Mitgefühl durfte nicht funktionieren.
Re: Das mit dem Mitleid ...
ανδρέας schrieb am 01.10.2012 um 20:16 Uhr (Zitieren)

Die Logik der Mitleidslosigkeit lässt keinen Handel zu.
Eine gemeinsame Werteebene darf nicht existieren. Das konnte sich der Kolbe garnicht vorstellen. Wie auch?
Re: Das mit dem Mitleid ...
arbiter schrieb am 01.10.2012 um 21:10 Uhr (Zitieren)
"Keinerlei Mitleid? Das widerspricht dem Menschsein."
???
Die vielen Nazis, die entweder kein Mitleid hatten oder dies unterdrückten, waren also keine Menschen ?
Ebenso: Die Chinesen, die spaßeshalber Kinder verkrüppeln ließen; die Römer aller Schichten, die sich am öffentlichen Töten von Menschen ergötzten.
Der Mensch hat erwirbt die Fähigkeit zum Mitleid; e contrario angeboren scheint die Grausamkeit zu sein.
Re: Das mit dem Mitleid ...
arbiter schrieb am 01.10.2012 um 21:11 Uhr (Zitieren)
hat
Re: Das mit dem Mitleid ...
Γραικίσκος schrieb am 01.10.2012 um 21:17 Uhr (Zitieren)
Nein, daß alle Menschen Mitleid empfinden, glaube auch ich nicht.
Ich habe z.B. zahlreiche Stalin-Biographien auf der Suche nach einem Funken Mitgefühl gelesen ... und nichts gefunden, kein Spur.
Als Hitler Stalin 1943 anbot, dessen gefangenen Sohn Jakow gegen Generalfeldmarschall Paulus auszutauschen, erwiderte Stalin: "Ich tausche keinen Leutnant gegen einen Feldmarschall."
Re: Das mit dem Mitleid ...
διψαλέος schrieb am 01.10.2012 um 21:31 Uhr (Zitieren)
Da gibt es aber auch Beispiele bei den Faschisten.
z.B. im Spanischen Bürgerkrieg.
Ein faschistischer General lehnte es ab,
seinen gefangenen Sohn gegen republikanische
Gefangene auszutauschen.
Re: Das mit dem Mitleid ...
arbiter schrieb am 01.10.2012 um 21:33 Uhr (Zitieren)
ok., das könnte man als defekten Einzelfall nehmen.
Offenbar wird die Fähigkeit zum Mitgefühl in der frühen Kindheit entwickelt. Sehr kleine Kinder fügen anderen Schmerz zu und staunen, wenn diese sich beschweren. Vermutlich müssen erst die SPiegel-Neuronen richtig arbeiten.
Different scheint dann die Ausprägung des soziokulturellen Stellenwerts zu verlaufen.
Im Struwwelpeter weinen nur Minz und Maunz über das Opfer (ihre Tränen fließen, wie´s Bächlein auf der Wiesen - der unechte Reim und ein umwerfendes Bild dazu lassen das in Erwachsenenaugen aber als etwas ironiebehaftet erscheinen), grausame Erziehungsmethoden werden nahegelegt, aber auch Mitgefühl mit dem Mohren und unschuldigen Tieren.
Bei Max und Moritz erregt weder das grausame Schicksal der Delinquenten Entsetzen noch eigentlich bemitleidet man die Opfer der Streiche, leid tun einem nur die armen Hühner.
Re: Das mit dem Mitleid ...
διψαλέος schrieb am 01.10.2012 um 21:36 Uhr (Zitieren)
... und der Spitz, der völlig unschuldig des Mundraubes verdächtig und bestraft wird!
Re: Das mit dem Mitleid ...
Γραικίσκος schrieb am 01.10.2012 um 21:39 Uhr (Zitieren)
An die Spiegelneurone habe ich auch schon gedacht. Aber für die gilt ja wohl, daß sie zumindest bei Autisten nicht recht funktionieren.
Die wahrscheinlichste Annahme ist die, daß ihr Funktionieren entwickelt werden muß.
Re: Das mit dem Mitleid ...
Γραικίσκος schrieb am 01.10.2012 um 21:47 Uhr (Zitieren)
Offenbar sind Menschen, die kein Mitleid kennen (Interviews mit Lageraufsehern sind da informativ!), sehr wohl zum Selbstmitleid imstande - ein Gefühl, das ich im Verdacht habe, etwas tote genere anderes zu sein und eher irrtümlich an den Nachnamen Mitleid gekommen zu sein.

P.S.: Daß Stalin ein seltener Ausnahmefall war, denke ich nicht. Dafür ist mir dieser Typus schon zu oft vor die Augen gekommen. Stalin hat mich nur auf ihn aufmerksam gemacht.
Re: Das mit dem Mitleid ...
Γραικίσκος schrieb am 01.10.2012 um 21:49 Uhr (Zitieren)
Der Autor Lew Rasgon ist in der UdSSR als Herzpatient in einer Klinik zufällig neben einem NKWD-Henker der Stalin-Ära zu liegen gekommen, der eigenhändig ca. 10000 Menschen erschossen hatte. In längeren Gesprächen mit seinem Bettnachbarn hat Rasgon erforscht, ob da nicht so etwas wie Mitleid für seine Opfer war. Fehlanzeige.
Re: Das mit dem Mitleid ...
διψαλέος schrieb am 01.10.2012 um 21:58 Uhr (Zitieren)
Es gab doch mal dieses berühmte Experiment,
bei dem die Probanden sozusagen am
Schalter eines elektrischen Stuhls saßen
und einer anderen Person, mit der sie
keinen Blick- , sondern nur hörbaren Kontakt
hatten, Stromschläge zufügen sollten.

Ich bin kein Elektriker, aber ich meine,
so alles unter 40 Volt ist relativ ungefährlich.

Die allermeisten Probanden jagten ihren
vermeindlichen Opfern tödliche Stromschläge
durch den Körper, obwohl man sie
darauf hingewiesen hatte, daß ab einer bestimmten
Stromstärke diese tödlich sei.

Natürlich wurden die Probanden vorbereitet:
Man erklärte ihnen, die Deliquenten hätten
die Strafe verdient.

Offenbar ist die humanistische Schicht des Menschen
dünner als ein Ölfilm auf Wasser...
Re: Das mit dem Mitleid ...
ανδρέας schrieb am 01.10.2012 um 22:07 Uhr (Zitieren)

Krankhafte Soziopathen sind ja auch nicht Standard.
Verletzungen des Frontallappens können die sozialen Kompetenzen ebenfalls zerstören.
Die Nazis haben Jahre damit verbracht, propagandistisch Rassenhass zu erzeugen und die anfälligsten Exemplare gaben sich für ihre Zwecke her. Die Eigenschaft des Mitgefühls kann krankhaft, fehlen, verloren gehen oder sogar - bei einigen - quasi aberzogen werden. Soziales Verhalten wird nunmal erlernt und ist Teil des Menschseins. Allerdings ist man ja auch noch ein Mensch, wenn man den Arm verliert - oder sein Mitgefühl.
Meine Bemerkung bezog sich auch Kolbe, der m.E. aus seiner Vorstellung heraus annahm, dass das Verhalten der Aufseher wenigsten geringe Spruren des Normalverhaltens aufweisen muss. Er nahm sicher nicht an, dass die Nazis keine Menschen seien. Nur eben schlimmer als er es sich nur vorstellen konnte.
Der glaubte einfach noch bei den übelsten Gestalten noch an das Gute im Menschen.
Re: Das mit dem Mitleid ...
διψαλέος schrieb am 01.10.2012 um 22:14 Uhr (Zitieren)
Soziales Verhalten wird nunmal erlernt und ist Teil des Menschseins.

So ist es,
daher ist es wichtig, daß in einer Gesellschaft
der Einzelkinder diese so früh wie möglich
mit anderen Kindern zusammenkommen.
Das hat nichts mit "Rabenelternverhalten" zu tun,
wie bestimmte politische Richtungen es zwar nicht
offen formulieren, aber meinen.
Re: Das mit dem Mitleid ...
Anastasia schrieb am 02.10.2012 um 09:10 Uhr (Zitieren)
Bei mir kommen im Zusammenhang mit dieser Diskussion Fragen auf:

- Warum hat man bestenfalls Mitleid mit Opfern und nicht eher Wut auf die Schänder?

- Wenn soziales Verhalten bei Menschen Erziehungssache sind, ist es dann noch ein Qualitätsmerkmal?

Die Enttäuschung und das blanke Erschrecken darüber, wozu der Mensch im negativen Sinne fähig ist, ließen mich zur Agnostikerin werden. Mit Ebenbild Gottes hat das ja wohl nichts mehr zu tun, und wenn doch, müsste man über Gott erschrecken, und zwar fürchterlich.
Re: Das mit dem Mitleid ...
Γραικίσκος schrieb am 02.10.2012 um 17:48 Uhr (Zitieren)
Wut über die Täter gibt es doch auch - die BLÖD-Zeitung lebt davon.
Re: Das mit dem Mitleid ...
Φιλομαθής schrieb am 02.10.2012 um 21:22 Uhr (Zitieren)
Bei einigen Eskimos war es Brauch, das Neugeborene auf den Boden des Iglus zu legen und, wenn der Vater es nicht aufhob und damit akzeptierte, es dort liegen und erfrieren zu lassen.

Diese Form der Familienplanung, grausam ohne Frage, ist durchaus nicht so exotisch wie man vielleicht meint. Das deutsche Wort Hebamme hat sein Herkommen in einer vergleichbaren Praxis:

http://books.google.de/books?id=6gAuAAAAQAAJ&pg=PA455

Und hinter dem lateinischen Begriff des suscipere wird ein ähnlicher Brauch sichtbar:

http://www.zeno.org/Georges-1913/A/suscipio?hl=suscipio (unter II a)

Ein später Reflex der einst gängigen Praxis der Kindesaussetzung scheint noch in einigen Grimmschen Märchen auf. Auch im alten Griechenland war Ödipus wohl keine Ausnahme. Man denke auch an das ver sacrum.

Aber man darf hieraus bestimmt nicht auf eine besondere Hartherzigkeit früherer Menschen schließen. In der Regel wird wohl das Aufheben des Kindes durch den Vater nicht mehr als eine rituelle Formalie gewesen sein, die ihre ursprüngliche Begründung vielleicht darin hatte, dass der Vater am besten einschätzen konnte, ob die Entwicklung der Wildbestände oder der Weidegründe die künftige Ernährung des Neugeborenen gewährleisteten.
 
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