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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Antinoos - ein historischer Kriminalfall? (1578 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 28.07.2009 um 00:39 Uhr (Zitieren)
Andreas vermutet:
Die Umstände seines Todes sind nicht wirklich geklärt. Man vermutet, dass Antinoos vor den sexuellen Nachstellungen des Kaisers [sc. Hadrian] flüchtend ins Wasser ging.
Möglich ist auch ein Unfall, aber wer geht schon baden, wo Krokodile lauern?

So habe ich das noch nicht gehört. Wir sollten einmal herausfinden, wo & wie diese Geschichte überliefert ist. Cassius Dio? SSHA?
Re: Antinoos - ein historischer Kriminalfall?
Γραικίσκος schrieb am 28.07.2009 um 00:47 Uhr (Zitieren)
Da haben wir schon erste Hinweise bei Wikipedia:
Auch die Umstände des frühen Todes von Antinoos sind von Legenden durchwirkt. Fest steht, dass der Junge am oder kurz vor dem 30. Oktober 130 bei der Stadt Besa in Mittelägypten in den Nil fiel und vor den Augen seines väterlichen Freundes ertrank. Die späteren Historiker Cassius Dio und Aurelius Victor berichten, dass die Umstände des Todes unklar waren. Nach einigen Berichten der Historiker war der Tod des Antinoos ein Unfall. Nach anderen Berichten habe er sich für den Kaiser geopfert, um diesem mit dem Opfer ein langes und glückliches Leben zu sichern. Denn Antinoos soll von einem Astrologen erfahren haben, dass sein Freitod dem Kaiser seine noch zu erwartende Lebensspanne zu dessen Lebenszeit schenken würde. In der spätantiken Historia Augusta (einer Sammlung von Kaiserbiografien, deren Angaben allerdings mit größter Vorsicht zu benutzen sind) wird dagegen die Ansicht vertreten, dass sich Antinoos in den Suizid flüchtete, um sich den übermäßigen sexuellen Nachstellungen Hadrians entziehen zu können. Rückblickend kann auch eine höfische Intrige nicht ausgeschlossen werden. Hadrians Frau soll über den Tod des Nebenbuhlers nicht besonders traurig gewesen sein.

Die Geschichte der Flucht vor sexuellen Nachstellungen steht also bei den SSHA (Scriptores Historiae Augustae) - einer recht tendenziösen Darstellung, einer Kompilation verschiedener Autoren.
Re: Antinoos - ein historischer Kriminalfall?
Βοηθὸς Ἑλληνικός schrieb am 28.07.2009 um 08:51 Uhr (Zitieren)
Viele Statuen von Antinoos hat Hadrian in seiner großen Villa (Hadriansvilla) damals aufgestellt.
Die Villa ist auch heute noch sehr eindrucksvoll (auch wenn nur mehr oder weniger intakte Teile vorhanden sind) aufgrund ihrer Ausmaße.
Ich habe das Villengelände damals (1987!) im Rahmen der Romfahrt des LK Latein gesehen.
Re: Antinoos - ein historischer Kriminalfall?
Γραικίσκος schrieb am 28.07.2009 um 14:24 Uhr (Zitieren)
Hier sind nun die drei Berichte der Antike, wobei Cassius Dio einigermaßen zeitgenössisch ist, Aurelius Victor und die SSHA Jahrhunderte später entstanden sind.

I. DER BERICHT DES CASSIUS DIO (ca. 155-235 u.Z.)

Antinous stammte von Bithynion, einer Stadt Bithyniens, die wir auch Klaudiopolis nennen. Er war ein Liebling des Kaisers [Hadrian] gewesen und hatte in Ägypten den Tod gefunden, entweder durch einen Sturz in den Nil, wie Hadrian schreibt, oder weil er sich, wie es der Wahrheit entsprach, opferte. Denn Hadrian war stets [...] sehr wißbegierig und bediente sich aller möglichen Weissagungen und Zauberformeln. Daher ehrte er den Antinous, sei es aus Liebe zu ihm, sei es, weil der junge Mann freiwillig den Tod gesucht hatte – es mußte nämlich ein Leben zur Erreichung der Ziele Hadrians freiwillig hingegeben werden – durch Errichtung einer Stadt an der Stelle, wo jener sein Schicksal erlitten hatte, und nannte sie nach ihm.

[Quelle: Cassius Dio Cocceianus, Römische Geschichte, Epitome des Buches LXIX]


II. DER BERICHT DES SEXTUS AURELIUS VICTOR (1. Hälfte des 4. Jhdts. u.Z.) in „De Caesaribus“

So kamen böse Gerüchte auf: er [Hadrian] habe junge Leute geschändet und sich von den übel beleumundeten Diensten des Antinous in Glut versetzen lassen, und aus keinem anderen Grunde sei eine nach dem jungen Mann benannte Stadt gegründet worden und habe Hadrian ihm Standbilder errichtet. Andere nehmen dies als Zeichen von Verehrung und Pietät: es heißt nämlich, Hadrian habe seinen Schicksalstag hinauszögern wollen, wofür indes die Wahrsager einen Freiwilligen an seiner Statt verlangten; Antinous aber habe sich, als alle sich weigerten, geopfert, und hierin hätten die erwähnten Maßnahmen zu seinen Ehren ihren Grund. Wir möchten dies unentschieden lassen, obwohl wir bei einem Temperament, das sich gehen läßt, den Umgang mit einem ganz Ungleichaltrigen für verdächtig halten.

[Quelle: Aurelius Victor, Die römischen Kaiser. Herausgegeben von Kirsten Groß-Albenhausen und Manfred Fuhrmann. Darmstadt 1997, S. 51]


III. DER BERICHT DER HISTORIA AUGUSTA (2. Hälfte des 4. Jahrhunderts u.Z.)

Bei einer Fahrt auf dem Nil verlor er [Hadrian] seinen Liebling Antinous, um den er wie ein Weib weinte. Über Antinous sind die Ansichten geteilt; die einen behaupten, er habe sich für Hadrian geopfert, nach den anderen ist er das Opfer seiner Schönheit und der hemmungslosen Sinnlichkeit Hadrians geworden. Jedenfalls haben die Griechen den Antinous auf Hadrians Begehr vergöttlicht und versichert, daß Orakelsprüche von ihm ausgehen, die Hadrian selbst, wie verlautet, verfaßt hatte.

[Quelle: Historia Augusta – Römische Herrschergestalten. Band 1. Herausgegeben von Ernst Hohl, Elke Merten und Alfons Rösger. Zürich/München 1976, S. 43]


Leider ist gerade hier von Cassius Dio nur eine Epitome erhalten.
Kann es sein, daß Aurelius Victor und die SSHA schon die moralischen Maßstäbe des 4. Jhdts. anlegen?
Alle Autoren gestehen ja ein, daß es von den Hintergründen des Ereignisses verschiedene Versionen gibt.
Re: Antinoos - ein historischer Kriminalfall?
Γραικίσκος schrieb am 28.07.2009 um 17:29 Uhr (Zitieren)
 
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