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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Die Frage eines Philosophen (818 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 21.04.2013 um 14:04 Uhr (Zitieren)
τί ἐστιν ἀλήθεια;

[Pontius Pilatus gem. Johannes-Evang. 18, 38]

"Der vornehme Hohn eines Römers, vor dem ein unverschämter Mißbrauch mit dem Wort 'Wahrheit' getrieben wird, hat das neue Testament mit dem einzigen Wort bereichert, das Wert hat, - das seine Kritik, seine Vernichtung selbst ist: 'was ist Wahrheit!" ..."

[Friedrich Nietzsche: Der Antichrist, Zf. 46]
Re: Die Frage eines Philosophen
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 21.04.2013 um 15:06 Uhr (Zitieren)
An diesen Philosophen gerichtet, hat die einzige Frage, die Wert hat, - [die] seine Kritik, seine Vernichtung selbst ist - zu lauten: "Das ist Wahrheit?"
Re: Die Frage eines Philosophen
Γραικίσκος schrieb am 21.04.2013 um 15:19 Uhr (Zitieren)
Im Kontext zieht Nietzsche ja auch noch, fiktive Gedanken des Pontius Pilatus wiedergebend, gegen die Juden vom Leder.
Ich denke nicht, daß dies das einzige Wort des NT ist, das Wert hat - wohl aber könnte es das einzige philosophische Wort des NT sein. Und den Anspruch Jesu an dieser Stelle: "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben", empfinde ich als befremdlich.
Re: Die Frage eines Philosophen
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 21.04.2013 um 15:33 Uhr (Zitieren)
wohl aber könnte es das einzige philosophische Wort des NT sein.


Ja, und?

Und den Anspruch Jesu an dieser Stelle: "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben", empfinde ich als befremdlich.

Nur zu! Aber machst Du Dir deshalb diese Sottise von der 'Vernichtung' zu eigen? Sie zeugt nur von Haß, nicht vom Versuch einer gedanklichen Durchdringung.
Re: Die Frage eines Philosophen
Γραικίσκος schrieb am 22.04.2013 um 16:08 Uhr (Zitieren)
ad 1.: Das belegt wohl, daß die von manchen intendierte Kongruenz des Glaubens mit der Vernunft keine leichte Sache ist. Dem NT ist das Prinzip des rationalen Argumentierens fremd.

ad 2.: Nein, Nietzsches Standpunkt von der Vernichtung mache ich mir nicht zu eigen. Dennoch weiß ich Nietzsches Methode der Provokation von Nachdenken zu schätzen. Er polarisiert ... und respektiert, wie er manchmal schreibt, seine Feinde. Ein Angriff gilt ihm als Ehre für den Angegriffenen.

Die christliche Theologie setzt sich durchaus ernsthaft mit Nietzsche auseinander, d.h. sie nimmt entweder den Fehdehandschuh auf oder wendet die Taktik des Siegens durch Umarmung des Feindes an.

Im Zentralabitur Philosophie des Landes NRW ist heute ein Nietzsche-Text über den Krieg bzw. den wirklichen Frieden vorgelegt worden:
Menschliches, Allzumenschliches II/1 Zf. 284.
Re: Die Frage eines Philosophen
ανδρέας schrieb am 24.04.2013 um 20:16 Uhr (Zitieren)
Die Wahrheit ist ganz leicht zu finden. Sie muss sich irgendwo in der Nähe bei den Massengräbern derjenigen finden lassen, die wegen der Wahrheit oder für die Wahrheit gestorben sind. M.W. ruft das NT nicht dazu auf, Wahrheiten gewaltsam zu verbreiten - im Gegenteil. Auch, wenn das real existierende Christentum späterer Zeiten dies getan hat. Die einzige Aussage dazu, die mir je gafallen hat, stammt von Seneca: Die Wahrheit steht allen offen. Sie ist noch von niemandem in Beschlag genommen und ein großer Teil von ihr bleibt zukünftigen Generationen aufgespart (patet omnibus veritas ...).
Etwas besseres ist m.E. nie darüber gesagt worden.
Re: Die Frage eines Philosophen
Γραικίσκος schrieb am 24.04.2013 um 21:48 Uhr (Zitieren)
M.W. ruft das NT nicht dazu auf, Wahrheiten gewaltsam zu verbreiten - im Gegenteil.


[Jesus:] Diese meine Feinde aber, die mich nicht zu ihrem Könige haben wollten, bringt hierher und macht sie vor meinen Augen nieder!

(Lukas 19, 27 f.)

Seltsame Stelle!
Re: Die Frage eines Philosophen
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 24.04.2013 um 23:12 Uhr (Zitieren)
Mit Verlaub, aber diese Art, eine Textstelle aus dem Zusammenhang zu reißen und, ärger noch, durch die Präsentation zu insinuieren, sie könnte als Beleg für die Predigt einer "gewaltsamen Verbreitung von Wahrheit" dienen, empfinde ich in höchstem Maße eines Akademikers unwürdig. Da hilft auch das Mäntelchen des Kommentars nicht.
Re: Die Frage eines Philosophen
Βοηθὀς Ἕλληνικός schrieb am 24.04.2013 um 23:36 Uhr (Zitieren)
Ich möchte nur sagen, dass ich persönlich sehr vorsichtig wäre, mich mit der Bibel anzulegen, wenn man sie nicht wirklich (auch wissenschaftlich) durchdrungen hat. Ich habe das nicht. Zu Nietsche möchte ich nur eines sagen: Man kennt seine auch psychiatrische Geschichte. Deswegen bin ich mit seinen Aussagen ,vom medizinischen Standpunkt aus, sehr kritisch.
Re: Die Frage eines Philosophen
Βοηθὀς Ἕλληνικός schrieb am 24.04.2013 um 23:37 Uhr (Zitieren)
Und natürlich Nietzsche ;-)
Re: Die Frage eines Philosophen
Γραικίσκος schrieb am 25.04.2013 um 15:45 Uhr (Zitieren)
Es gibt einige NT-Stellen, die ahnen lassen, daß Jesu Einstellung zur Gewalt nicht ganz so eindeutig ist, wie es das heute populäre Jesus-Bild uns glauben machen möchte.
Die Frage ist komplizierter, und ich wollte nicht mehr, nicht weniger, als einmal eine solche Stelle ins Gespräch zu bringen.
Eine Interpretation habe ich nicht beanbsichtigt, bin aber gerne bereit, daran teilzunehmen, falls dieses Thema auf Interesse stoßen sollte.

In der
Verkündigung der Kirche, wie ich sie kenne, spielen solche Stellen überhaupt keine Rolle; sie werden eher verschwiegen (um die Gläubigen nicht in Zweifel und Unruhe zu versetzen?).

Ist es nicht so, daß sich jede Zeit das ihr gemäße Jesus-Bild macht und es durch eine dazu passende Auswahl von NT-Stellen 'bestätigt'? Dieses Verfahren zu unterlaufen, ist meine Neigung.
Re: Die Frage eines Philosophen
Γραικίσκος schrieb am 25.04.2013 um 15:48 Uhr (Zitieren)
Nietzsche war sicher alles andere als ein gesunder Mensch. Inwiefern dies sein Denken in Richtung Geisteskrankheit beeinflußt, erscheint mir fraglich - verbunden mit einer gewissen Skepsis gegenüber Menschen, die sich selbst als (geistig) gesund bezeichnen.
Was man für eine Nietzsche-Interpretation daraus machen kann, zeigt uns u.a. Karl Jaspers, der sogar Facharzt war ... und dennoch zu einem so negativen Bild nicht kommt.
Re: Die Frage eines Philosophen
Βοηθὀς Ἕλληνικός schrieb am 25.04.2013 um 15:52 Uhr (Zitieren)
Ich meinte das nicht abwertend, indem ich "sehr kritisch" schrieb. Ich mache mir nur Gedanken, da ich aus medizinischer Erfahrung weiß, was in solchen Phasen produziert werden kann.
Re: Die Frage eines Philosophen
Βοηθὀς Ἕλληνικός schrieb am 25.04.2013 um 15:54 Uhr (Zitieren)
Zur Bibel enthalte ich mich, da ich ehrlicherweise auf diesem Gebiet zu wenig Erfahrung habe.
Re: Die Frage eines Philosophen
Βοηθὀς Ἕλληνικός schrieb am 25.04.2013 um 15:56 Uhr (Zitieren)
Gerade "der Antichrist" ist schon weit in seiner Spätphase entstanden.
Re: Die Frage eines Philosophen
Γραικίσκος schrieb am 25.04.2013 um 16:04 Uhr (Zitieren)
Wenn wir annehmen, daß Nietzsche an progressiver Paralyse litt (was m.W. wahrscheinlich, aber nicht gesichert ist), dann fällt seine geradezu manische Produktivität in den Jahren 1887 und 1888, also kurz vor dem Ausbruch des Wahnsinns, auf. Das soll, wie ich gehört habe, typisch sein für den Verlauf dieser Krankheit.
Richtig unangenehm ist er mir in seiner grandios übersteigerten Egozentrik, in dem Anspruch, das Schicksal Europas zu sein usw. Aber ich nehme an, daß selbst das kein klinischer Fall von Größenwahnsinn ist. Die meisten Menschen, die behaupten, Gott selber habe zu ihnen gesprochen und sie zu seinem persönlichen Botschafter ernannt, sind ja nicht weniger ... zweifelhaft.
Was viele Leser stört, ist Nietzsches ständige Neigung zur Provokation durch kurze, scharfe, überzogene, einseitige und nicht eigens begründete Feststellungen. Naja. Ich lasse mich davon nicht irritieren und frage mich möglichst ruhig, ob an dieser Aussage etwas dran ist.
Die fanatischen Nietzsche-Apologeten sind natürlich ein Fall für sich, denen man das "Man dankt seinem Lehrer schlecht, wenn man immer nur sein Schüler bleibt" ihres Meisters entgegenhalten kann.

***

Und selbst wenn Du, Βοηθὀς Ἕλληνικός, Nietzsche abwertest, ist das Dein gutes Recht: als Arzt oder als normaler Leser. Mir persönlich kommt es dann auf die nachvollziehbaren Argumente an.
Re: Die Frage eines Philosophen
Γραικίσκος schrieb am 25.04.2013 um 16:10 Uhr (Zitieren)
An Βοηθὀς Ἕλληνικός:
Irgendwie muß man zur Bibel ja stehen - wie auch zum Koran usw. Enthaltung, ja, diese Einstellung kann man praktizieren. Man kann durchaus sagen, daß sich nur Fachleute über bestimmte Themen äußern sollen. Ein Christ kann aber nicht erwarten, daß nur Theologen Christen werden dürften. Das vorsichtige Urteil eines Laien muß doch auch seinen Platz haben, insofern er sich entscheiden muß, zu glauben oder nicht zu glauben.
Soweit ich weiß, hast Du Dich gegen den christlichen Glauben entschieden - wie auch ich. Haben wir dafür unsere Gründe?
Re: Die Frage eines Philosophen
Βοηθὀς Ἕλληνικός schrieb am 25.04.2013 um 16:11 Uhr (Zitieren)
Ich möchte ihn nicht abwerten. Manische Produktivität kann auch gute Ergebnisse liefern. Nur, was ich immer wieder auch in einer Arbeit in einer Tagesklinik gesehen habe: Wenn die Patienten wieder auf mittleren Niveau angelangt sind (gerade bei bipolaren Patienten), verstehen sie ihre "Produkte" selbst nicht mehr.
Aber ich denke, jeder soll sich sein Bild dazu machen.
Re: Die Frage eines Philosophen
Βοηθὀς Ἕλληνικός schrieb am 25.04.2013 um 16:13 Uhr (Zitieren)
Wieder parallel. Entschuldigung.
Re: Die Frage eines Philosophen
Βοηθὀς Ἕλληνικός schrieb am 25.04.2013 um 16:16 Uhr (Zitieren)
Du hast recht, ich kann eigentlich nur sagen, dass ich mit dem christlichen Glauben heute (bin auch aus einer katholischen Erziehung) selbst nichts mehr anfangen kann. Ich beschäftige mich, im Gegensatz zu dir (was ich verstehe, da du ja Philosoph bist), überhaupt nicht damit. Momentan habe ich gar keine Meinung dazu, weil ich auch kein Bedürfnis habe, das genauer zu ergründen. Vielleicht kommt es ja noch.
Re: Die Frage eines Philosophen
Γραικίσκος schrieb am 25.04.2013 um 16:29 Uhr (Zitieren)
Momentan habe ich gar keine Meinung dazu, weil ich auch kein Bedürfnis habe, das genauer zu ergründen.

Das gefällt mir gut. Wir haben kein Bedürfnis nach Jesus. Daher ist mein Interesse an ihm distanziert - ganz außen vor lassen kann ich ihn nicht, weil er ja für unsere geistige Tradition so wichtig ist.

Mir gefällt auch, was Nietzsche über die Christen gesagt hat: "Erlöster müßte sie mir aussehen, damit ich an ihren Erlöser glauben könnte."
Welche Wirkung Jesus auf seine Anhänger und auf Europa hat, ist ein interessantes Thema. Sehr friedlich oder gar erlöst erscheint auch mir das nicht.
(Bei Bedarf kann ich gerne nachschauen, wo das bei Nietzsche steht; ich habe es aus dem Gedächtnis zitiert.)
Re: Die Frage eines Philosophen
Βοηθὀς Ἕλληνικός schrieb am 25.04.2013 um 16:43 Uhr (Zitieren)
Kleines Statement noch dazu, bevor ich weg muß:
Ich habe mir vor Jahren eine große Bibel vom Weltbildverlag zugelegt, da ich dachte, dass ich mich wirklich mal damit intensiver beschäftige. Ich mußte aber gerade feststellen, dass sie in meinem Arbeitszimmer ganz oben auf einem der Bücherregale liegt und ziemlich verstaubt ist. Deswegen ist mir die Lust, sie in die Hand zu nehmen, gerade vergangen.
 
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