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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Arztgeheimnis (1282 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 04.05.2013 um 14:29 Uhr (Zitieren)
Die Verschwiegenheitspflicht des Arztes wird ja heute sehr hochgehalten; nichteinmal der Polizei darf er Auskunft geben - was die Anzeige von Fällen der Kindesmißhandlung erschwert. Gehört habe ich, daß das so geregelt ist, weil andernfalls Eltern ihre mißhandelten Kinder gar nicht mehr in ärztliche Behandlung brächten.

Zum Thema Verschwiegenheit des Arztes steht ja im Hippokratischen Eid aus der Antike nichts.Nun habe ich bei einem anderen Thema gelesen, daß Galen die Opiumsucht Marc Aurels (war das sein Patient?) ausgeplaudert hat.
Gab es in der Antike gar keine Überlegungen zum Arztgeheimnis?
Re: Arztgeheimnis
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 04.05.2013 um 14:40 Uhr (Zitieren)
Zum Thema Verschwiegenheit des Arztes steht ja im Hippokratischen Eid aus der Antike nichts


Das sagt Tante Wiki dazu:
Historisches

Bereits der Eid des Hippokrates enthält die Selbstverpflichtung: „Was ich bei der Behandlung sehe oder höre oder auch außerhalb der Behandlung im Leben der Menschen, werde ich, soweit man es nicht ausplaudern darf, verschweigen und solches als ein Geheimnis betrachten.“

Im antiken Rom hängte man bei Zusammenkünften eine Rose an die Decke und erinnerte damit die Anwesenden an die Pflicht zur Verschwiegenheit. Die in heutigen Beichtstühlen geschnitzte Rose diente dem gleichen Zweck.: „sub rosa dictum“ – unter der Rose gesagt, das muss geheim bleiben.

http://de.wikipedia.org/wiki/Verschwiegenheitspflicht

Und weiter:
Ἃ δ' ἂν ἐν θεραπείῃ ἢ ἴδω, ἢ ἀκούσω, ἢ καὶ ἄνευ θεραπηίης κατὰ βίον ἀνθρώπων, ἃ μὴ χρή ποτε ἐκλαλέεσθαι ἔξω, σιγήσομαι, ἄῤῥητα ἡγεύμενος εἶναι τὰ τοιαῦτα.

Was ich bei der Behandlung oder auch außerhalb meiner Praxis im Umgange mit Menschen sehe und höre, das man nicht weiterreden darf, werde ich verschweigen und als Geheimnis bewahren.


http://de.wikipedia.org/wiki/Eid_des_Hippokrates
Re: Arztgeheimnis
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 04.05.2013 um 14:53 Uhr (Zitieren)
Bin kein Jurist, aber ich glaube kaum, daß ein Arzt, der einen eindeutigen Fall von (gar fortgesetztem) Kindesmißbrauch diagnostiziert, sich nicht auf das Vorliegen eines 'rechtfertigenden Notstandes' berufen kann, wenn er den Fall offenbart. Schließlich ist das Leben oder die Unversehrtheit des Kindes doch wohl das höhere Rechtsgut. Die Frage, ob er nicht sogar eine Offenbarungspflicht hat, überlasse ich den Juristen.
Re: Arztgeheimnis
Γραικίσκος schrieb am 04.05.2013 um 15:01 Uhr (Zitieren)
Wie gesagt, das ist kritisch, weil eine solche Regelung zu der oben erwähnten Folge führen würde: Eltern brächten ihre Kinder gar nicht mehr in ärztliche Behandlung.
Soweit ich weiß, gibt es eine Möglichkeit zu anonymer Meldung - aber da muß ich erst noch nachfragen, um da etwas Sicheres sagen zu können. Meine 'Gewährsfrau' hat gerade Dienst im Krankenhaus, wo das Personal kürzlich über die juristische Lage belehrt worden ist.
Sicher kann Βοηθός uns dazu ebenfalls Genaueres sagen.
Re: Arztgeheimnis
Γραικίσκος schrieb am 04.05.2013 um 15:02 Uhr (Zitieren)
Lehrer hingegen müssen den Verdacht melden. Doch das ist hier ja nicht das Thema.
Re: Arztgeheimnis
Γραικίσκος schrieb am 04.05.2013 um 15:04 Uhr (Zitieren)
Oh, was Du weiter oben geschrieben hast, habe ich erst jetzt gelesen. Richtig, es steht sehr wohl im Hippokratischen Eid! Mein Fehler.
Re: Arztgeheimnis
Γραικίσκος schrieb am 04.05.2013 um 15:14 Uhr (Zitieren)
Galenos hat in der Tat auch Marc Aurel behandelt und war sogar der Leibarzt seines Sohnes Commodus. Insofern hat er möglicherweise seine Schweigepflicht gebrochen; aber ich kenne die genaue Stelle in seinem Werk nicht.
Re: Arztgeheimnis
filix schrieb am 04.05.2013 um 15:38 Uhr (Zitieren)
Eine abschlägige Kurzdarstellung der möglichen Opiatabhängigkeit findet man bei Demandt: Das Privatleben der römischen Kaiser unter 6s auf Seite 117 - http://www.google.de/books?id=CfGDb1azlzYC&pg=PA117#v=onepage&q&f=false
Da er seinen Patienten - je nach Annahme des Todesdatums - um bis zu 36 Jahre überlebt hat, stellt sich - falls der Eid überhaupt eine Rolle spielte - die Frage, ob er die Schriften nicht nach seinem Tod veröffentlicht hat und überdies nicht in der Antike der Tod im Unterschied zur Gegenwart eine Entbindung von der Schweigepflicht bedeutete.


Die suggestive Kraft solcher Thesen ist ja immens - man betrachte zum Beispiel folgende Büste Marc Aurels im Liebighaus: http://www.liebieghaus.de/lh/index.php?StoryID=116&ObjectID=347 und lese die bemühte Interpretationshilfe zum Gesichtsausdruck: "Während die Oberlider sich schwer auf die großen Augen legen, sind die Brauen hochgezogen und die Stirn kontrahiert. Sicherlich verdeutlichen diese Bildformen das Ringen des Kaisers um aufrichtige Positionen und die Festlegung der Werte" ;)
Re: Arztgeheimnis
Γραικίσκος schrieb am 04.05.2013 um 15:51 Uhr (Zitieren)
Oh, den Demandt habe ich. Die Stelle steht allerdings auf S. 106 f. meiner Ausgabe:
"In seinen umfangreichen medizinischen Schriften beschreibt Galen den für den Kaiser gebrauten Theriak. Er kam sofort in Mode, um nach dem Tode des Kaisers gleich wieder zu verschwinden. Die dafür verwendete 'ägyptische Bohne' enthielt Opium, und daraus hat man gefolgert, daß der Kaiser süchtig gewesen sei. Das überlieferte Quantum an Gift reicht für eine solche Folgerung jedoch nicht hin, so daß sich die Theorie der Opiumsucht auf die philosophischen Visionen [sic!] des Kaisers stützen muß, die gewiß auch ohne Drogen erklärbar sind."

Anscheinend hat Galen dem Kaiser nicht selbst eine Opiumsucht attestiert, sondern nur das Medikament geschildert.
Re: Arztgeheimnis
Γραικίσκος schrieb am 04.05.2013 um 15:58 Uhr (Zitieren)
Müde kam mir der Gesichtsausdruck Marc Aurels immer schon vor. Daß er high gewesen sein könnte, ist mir nicht in den Sinn gekommen.
Re: Arztgeheimnis
filix schrieb am 04.05.2013 um 16:18 Uhr (Zitieren)
Demandt verfährt etwas großzügig in der Zusammenfassung. Galen spricht dezidiert von Marc Aurel (Aurelius Antonius): http://archive.org/stream/hapantaoperaomni14galeuoft#page/2/mode/2up
In Der Arzt im Altertum: griechische und lateinische Quellenstücke von Hippokrates bis Galen müsste sich, falls du die Tusculum-Ausgabe hast, die Übersetzung auf S.419 finden.
Re: Arztgeheimnis
Βοηθὀς Ἕλληνικός schrieb am 04.05.2013 um 17:18 Uhr (Zitieren)
Zitat von Γραικίσκος am 4.5.13, 15:01Wie gesagt, das ist kritisch, weil eine solche Regelung zu der oben erwähnten Folge führen würde: Eltern brächten ihre Kinder gar nicht mehr in ärztliche Behandlung.
Soweit ich weiß, gibt es eine Möglichkeit zu anonymer Meldung - aber da muß ich erst noch nachfragen, um da etwas Sicheres sagen zu können. Meine 'Gewährsfrau' hat gerade Dienst im Krankenhaus, wo das Personal kürzlich über die juristische Lage belehrt worden ist.
Sicher kann Βοηθός uns dazu ebenfalls Genaueres sagen.


Die Regelungen für Ärzte sind 2012 nochmal präzisiert worden. Wen es interessiert:
http://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=1.117.6920
Re: Arztgeheimnis
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 04.05.2013 um 17:33 Uhr (Zitieren)
Danke, Βοηθὀς, für den Link.

Die entscheidenden Passagen lauten wohl:

Eine Meldepflicht für Ärzte wird durch das Gesetz nicht begründet.

Bei Vorliegen eines rechtfertigen[den] Notstandes gemäß § 34 StGB ist der Arzt/die Ärztin befugt, sich auch [? - lies: durch ?] die dargestellten Schritte an die zuständigen Behörden zu wenden, ohne damit die ärztliche Schweigepflicht nach § 203 StGB zu verletzen.


Manchmal ist es doch gut, zu erfahren, daß das eigene bißchen Verstand ausreicht, einen juristischen Text wenigstens ansatzweise zu begreifen ...
Re: Arztgeheimnis
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 04.05.2013 um 17:48 Uhr (Zitieren)
Die dritte Stufe des Verfahrens ist wohl von besonderem Interesse:

3. Kann die Gefahr einer Kindeswohlgefährdung nicht durch ein Gespräch nach 1. abgewendet werden, besteht für den Arzt/die Ärztin die Befugnis zur Einschaltung des Jugendamtes unter Mitteilung der erforderlichen Daten. Hierauf sind die Betroffenen vorab hinzuweisen, es sei denn, dass damit der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen in Frage gestellt würde. Hervorhebungen von mir


D. h., der Arzt muß sogar abwägen, ob er den "Bruch" seiner Schweigepflicht den Erziehungs- oder Sorgeberechtigten überhaupt mitteilen muß bzw. darf. Keine leichte Aufgabe, aber immerhin der Ausweis dafür, daß er einen Ermessensspielraum hat.
Die eingangs gegebene Begründung für eine Verneinung der Meldebefugnis, weil dies die Behandlung mißhandelter Kinder verhindere, halte ich angesichts dessen für, sagen wir, kurzsichtig. Gefährlicher ist sie in meinen Augen allemal, denn nach einem Arztbesuch, der keine Folgen befürchten läßt, kann die Mißhandlung ja munter weitergehen ("der muß ja behandeln und darf nix sagen"). :-(
Re: Arztgeheimnis
Γραικίσκος schrieb am 05.05.2013 um 12:24 Uhr (Zitieren)
Das ist Skylla und Charybdis: Zeigt man die Leute an, bringen sie ihr Kind nicht zur Behandlung; zeigt man sie nicht an, machen sie weiter.
Offenbar bemühen sich die Regeln um einen vorsichtigen Mittelweg.

In Krankenhäusern kommt es auch häufiger vor, daß Polizisten sich nach Patienten erkundigen. Das ist ebenfalls (juristisch und menschlich) knifflig.
 
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