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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Drakonische Maßnahmen (1739 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 04.07.2013 um 16:44 Uhr (Zitieren)
An der Universität Hamburg hat ein Kolloquium zur athenischen Rechtsgeschichte stattgefunden.

Daß es in Athen keinen eigenen Juristenstand gab, vielmehr das Recht als Fundament der Demokratie und daher als Sache jedes Bürgers galt, war eines der Themen.
Den Schwerpunkt des Kolloquiums bildeten die Reformen Drakons (ca. 620 v.u.Z.). Vor ihm war das Strafrecht durch Blutrache und religiöse Gesichtspunkte (Asylrecht des Täters in einem Heiligtum) bestimmt. In einem Prozeß konnte der Angeklagte einen Reinigungseid leisten, er habe die Tat nicht begangen, woraufhin der Prozeß beendet war; für den Fall eines Meineides würden, so glaubte man, die Götter für eine gerechte Strafe sorgen.
Nun aber, mit Drakons Reform, konnten beide Parteien vor Gericht einen Eid leisten, in welchem Falle natürlich ein Widerspruch entstand, über den nun nicht mehr unmittelbar die Götter, sondern die Richter zu entscheiden hatten. Zwar hatte auch dies einen religiösen Hintergrund, indem man annahm, die Götter leiteten den Gerichtsentscheid, aber es war dies doch der Beginn einer rechtlichen Diskussion und Argumentation vor Gericht - und damit das Betreten eines zukunftweisenden Neulands.
(FAZ vom 3.7.2013 u.d.T. "Athenische Rechtsgeschichte")
Re: Drakonische Maßnahmen
διψαλέος schrieb am 04.07.2013 um 17:35 Uhr (Zitieren)
ja,
die Rechtsprechung.
Ein Problem jeder menschlichen Gesellschaft, Gemeinschaft.

a) Was ist "Recht"?
Das "mos maiorum"?
"Wir haben das schon immer so gemacht, also machen wir es weiterhin so."

b) Wer spricht "Recht"?

c) Wer hat "Recht"?

d) Gibt es gerechtes "Recht"?
Re: Drakonische Maßnahmen
ανδρέας schrieb am 04.07.2013 um 17:41 Uhr (Zitieren)
Ein echter Fortschritt. Das Gesetz steht über der intuitiven Entscheidung. Solon wird ja heute höher gewürdigt als Drakon.
Wegweisend für die Steuergesetzgebung wäre in heutiger Zeit Solons die Einführung der Gesetzgebung in Athen über die Deklaration eigener Einkünfte, die er laut Herodot von dem ägyptischen Pharao Amasis übernommen hat. Wer mogelt wird hingerichtet:
νόμον τε Αἰγυπτίοισι τόνδε Ἄμασις ἐστὶ ὁ καταστήσας, ἀποδεικνύναι ἔτεος ἑκάστου τῷ νομάρχῃ πάντα τινὰ Αἰγυπτίων ὅθεν βιοῦται· μὴ δὲ ποιεῦντα ταῦτα μηδὲ ἀποφαίνοντα δικαίην ζόην ἰθύνεσθαι θανάτῳ. Σόλων δὲ ὁ Ἀθηναῖος λαβὼν ἐξ Αἰγύπτου τοῦτον τὸν νόμον Ἀθηναίοισι ἔθετο· τῷ ἐκεῖνοι ἐς αἰεὶ χρέωνται ἐόντι ἀμώμῳ νόμῳ.

Herodot, Historien, 2,177 (2)
Ob Herr Schäuble das weiß? Vermutlich müsste man dann nicht so viele Dateien aus der Schweiz kaufen. Allerdings wären dann auch gewisse Wohnviertel weitgehend entvölkert – oder in Russland.
Re: Drakonische Maßnahmen
Γραικίσκος schrieb am 04.07.2013 um 17:42 Uhr (Zitieren)
Aber man muß vor Gerichten argumentieren; und Gottesurteile sowie sind zumindest in unserer Gegend aus der Mode gekommen.
Ob die Urteile dadurch gerechter geworden sind, ist die Frage.
Hättest Du lieber nach einem - Gott verhüte! - Zusammenbruch einer von Dir zu verantwortenden Brücke (inkl. Personenschaden) vor einem Gericht à la Hammurabi stehen wollen? Ich nehme an, dazu liegen Dir Deine Kinder zu sehr am Herzen.
Re: Drakonische Maßnahmen
Γραικίσκος schrieb am 04.07.2013 um 17:43 Uhr (Zitieren)
Gottesurteile sowie Folter ...
Re: Drakonische Maßnahmen
ανδρέας schrieb am 04.07.2013 um 18:02 Uhr (Zitieren)
Selbstverständlich weiß ich die heutige Gesetzgebung in Deutschland zu würdigen. Uns ging es nie besser und das auch im weltweiten Vergleich.
Man muss aber auch sehen, dass die damalige Gesetzesanwendung strukturell den Möglichkeiten der Umsetzung geschuldet war. Abschreckung und Angst vor Strafe waren oft die einzige Möglichkeit, den Gesetzen Geltung zu verschaffen.
Re: Drakonische Maßnahmen
Γραικίσκος schrieb am 04.07.2013 um 18:23 Uhr (Zitieren)
Die Beweisverfahren sind heute einfach besser. Wie hätte man im Mittelalter einen Mordprozeß ohne die heutigen kriminalistischen Methoden führen sollen, da Täter bei drohenden Strafen (Todesurteil insbesondere) eine nur geringe Neigung zu Geständnissen haben?
Kommt dann noch ein starkes Gottvertrauen hinzu, verfällt man halt auf Gottesurteile. Später, nach dem Mittelalter, griff man wieder auf die Folter als Vernehmungsmethode zurück.
Zeugenaussagen sind notorisch unzuverlässig, Geständnisse gibt es nicht freiwillig.
Nein, wir können der modernen Kriminalistik dankbar sein.
Re: Drakonische Maßnahmen
Φιλομαθής schrieb am 04.07.2013 um 18:32 Uhr (Zitieren)
Na ja, bei schätzungsweise 500 Unschuldigen, die jedes Jahr in Deutschland ins Gefängnis (oder die Psychiatrie) wandern, besteht bei der Rechtsprechung zumindest Verbesserungspotential.
Re: Drakonische Maßnahmen
ανδρέας schrieb am 04.07.2013 um 18:41 Uhr (Zitieren)
Richter werden immer abhängiger von Gutachtern. Gerade der Fall Mollath zeigt, dass psychiatrische Gutachten hoch volatil sind.
Das Hirn ist noch ein großes Rätsel. Ein Richter muss ja immer auch die Motivation des Täters ermitteln (Vorsatz, bedingter Vorsatz, Fahrlässigkeit), um das Strafmaß zu bestimmen.
Nur kann keiner wirklich in den Kopf des Täters schauen (oft weiß der Täter selbst nicht, was im Augenblick der Tat darin vorging).
Re: Drakonische Maßnahmen
διψαλέος schrieb am 04.07.2013 um 19:00 Uhr (Zitieren)
Ich erinnere mich beim Lesen dieses Threads an meine Zeit in einer Juristen-WG.
(ich als einziger NIcht-Jurist unter unter drei stud. jur.)

Könnt ihr euch die Gespräche beim gemeinsamen Abendbrot vorstellen?

:-))

Aber immerhin habe ich so ein wenig Einblick in die Juristerei bekommen....
Re: Drakonische Maßnahmen
Φιλομαθής schrieb am 04.07.2013 um 19:05 Uhr (Zitieren)
Zitat von ανδρέας am 4.7.13, 18:41Richter werden immer abhängiger von Gutachtern. Gerade der Fall Mollath zeigt, dass psychiatrische Gutachten hoch volatil sind.
Das Hirn ist noch ein großes Rätsel. Ein Richter muss ja immer auch die Motivation des Täters ermitteln (Vorsatz, bedingter Vorsatz, Fahrlässigkeit), um das Strafmaß zu bestimmen.
Nur kann keiner wirklich in den Kopf des Täters schauen (oft weiß der Täter selbst nicht, was im Augenblick der Tat darin vorging).

Davon spreche ich nicht, sondern davon, dass an der Tat unbeteiligte Personen aufgrund von Indizien oder zufälliger Ähnlichkeit mit dem (z. B. durch Überwachungskamera gefilmten) Täter verurteilt werden und nahezu keine Möglichkeit auf Wiederaufnahme des Verfahrens haben (hierfür gibt es den schönen Begriff der "Gefährdung des Rechtsfriedens".)

Ich meine gelesen zu haben, dass dies derzeit ca. 80000 Gefängnisinsassen in Deutschland betrifft.
Re: Drakonische Maßnahmen
διψαλέος schrieb am 04.07.2013 um 19:07 Uhr (Zitieren)
@Φιλομαθής,
viel Schlimmer ist es, daß durch das internet es zu Lynchjustiz aufrufen kommen kann, die tatsächlich auch noch befolgt werden, wie vor einem Jahr in Emden (?) geschehen...
Re: Drakonische Maßnahmen
ανδρέας schrieb am 04.07.2013 um 19:13 Uhr (Zitieren)
80.000 ?
Ein Gerichtsprozess ist laut A. Bierce eine Maschinerie, die man als Schwein betritt und als Wurst wieder verlässt. Aber so viele Justizirrtümer?
Zum Stichtag März 2011 waren es insgesamt nur 60.000 Häftlinge in ganz Deutschland.
http://www.rp-online.de/panorama/deutschland/zahl-der-haeftlinge-leicht-gesunken-1.2660224
Re: Drakonische Maßnahmen
Φιλομαθής schrieb am 04.07.2013 um 19:15 Uhr (Zitieren)
Zitat von διψαλέος am 4.7.13, 19:07@Φιλομαθής,
viel Schlimmer ist es, daß durch das internet es zu Lynchjustiz aufrufen kommen kann, die tatsächlich auch noch befolgt werden, wie vor einem Jahr in Emden (?) geschehen...


Nur bildete das Internet hier keineswegs die Ursache. Soweit ich mich erinnere, haben Ermittlungsbeamte die Identität des vermeintlichen Täters öffentlich gemacht und dem Mob auf diesem Weg geradezu eingeladen.
Re: Drakonische Maßnahmen
Φιλομαθής schrieb am 04.07.2013 um 19:34 Uhr (Zitieren)
Zitat von ανδρέας am 4.7.13, 19:13Zum Stichtag März 2011 waren es insgesamt nur 60.000 Häftlinge in ganz Deutschland.

Kein Wunder, dass ich die Zahl nicht wiedergefunden habe. Nein, von 500 Menschen, die jährlich unschuldig zu Haftstrafen verurteilt werden, wird gesprochen

http://www.dctp.de/main.php?obj=report&thread=show&action=detail&id=10491

Re: Drakonische Maßnahmen
ανδρέας schrieb am 04.07.2013 um 19:43 Uhr (Zitieren)
Manchmal ist Justitia eben nicht blind - sie schielt nur.
 
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