Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Ästhetik, Etymologie (952 Aufrufe)
Leo Kislinger schrieb am 20.05.2014 um 16:23 Uhr (Zitieren)
Liebe Altgriechisch-Expertinnen und Experten,
Alexander Gottlieb Baumgarten begründete im 18. Jh. die Ästhetik als eigene Wissenschaft.
Meine Frage, zu der ich leider in der Literatur ganz widersprüchliche Angaben finde:
Ist das Wort Ästhetik eine begriffliche Neuschöpfung von Baumgarten, so wie etwa das Wort Fotografie eine war?
Baumgarten sagt, Aesthetica komme von aisthanomai her.
In seiner Vorlesung zur Ästhetik spricht er davon, dass bei Platon „aistheta“ und „noeta“ als undeutliche und deutliche Vorstellungen einander entgegengesetzt seien.
Dann: „So wie man nun von logikos, von dem, was deutlich ist, logike gemacht hat, das die Wissenschaft des Deutlichen anzeigt, so machen wir nun von aisthetos aisthetike die Wissenschaft von allem, was sinnlich ist.“ Ist das nun seine originäre Neuschöpfung?
Ich bitte um Aufklärung.
Schönen Gruß,
Leo Kislinger
Alexander Gottlieb Baumgarten begründete im 18. Jh. die Ästhetik als eigene Wissenschaft.
Meine Frage, zu der ich leider in der Literatur ganz widersprüchliche Angaben finde:
Ist das Wort Ästhetik eine begriffliche Neuschöpfung von Baumgarten, so wie etwa das Wort Fotografie eine war?
Baumgarten sagt, Aesthetica komme von aisthanomai her.
In seiner Vorlesung zur Ästhetik spricht er davon, dass bei Platon „aistheta“ und „noeta“ als undeutliche und deutliche Vorstellungen einander entgegengesetzt seien.
Dann: „So wie man nun von logikos, von dem, was deutlich ist, logike gemacht hat, das die Wissenschaft des Deutlichen anzeigt, so machen wir nun von aisthetos aisthetike die Wissenschaft von allem, was sinnlich ist.“ Ist das nun seine originäre Neuschöpfung?
Ich bitte um Aufklärung.
Schönen Gruß,
Leo Kislinger
Re: Ästhetik, Etymologie
Γραικίσκος schrieb am 20.05.2014 um 19:44 Uhr (Zitieren)
αἰσθητικός kommt tatsächlich im klassischen Griechisch vor - in der Bedeutung: zum Empfinden, Wahrnehmen geschickt, darin geübt.
Insofern hat Baumgarten kein neues Wort mit neuem Sinn geschaffen.
Der neue Sinn beginnt im 19. Jahrhundert, als man unter "Ästhetik" die Lehre vom Schönen, von der Kunst verstand.
Insofern hat Baumgarten kein neues Wort mit neuem Sinn geschaffen.
Der neue Sinn beginnt im 19. Jahrhundert, als man unter "Ästhetik" die Lehre vom Schönen, von der Kunst verstand.
Re: Ästhetik, Etymologie
Φιλομαθής schrieb am 24.05.2014 um 12:36 Uhr (Zitieren)
Auch der Kluge (Etym. Wörterb., 24. Aufl. 2002) macht Baumgarten als Urheber des Wortes Ästhetik aus:
Die speziell neue Verwendungsweise, die Baumgarten begründet, liegt in dem Femininum αἰσθητικἠ (aisthêtikê), analog zu Bildungen wie φυσική (physikê) oder γεωμετρική (geometrikê). Hierbei lässt sich jeweils τέχνη (technê = Kunst, Wissenschaft) als Bezugswort ergänzen.
Die speziell neue Verwendungsweise, die Baumgarten begründet, liegt in dem Femininum αἰσθητικἠ (aisthêtikê), analog zu Bildungen wie φυσική (physikê) oder γεωμετρική (geometrikê). Hierbei lässt sich jeweils τέχνη (technê = Kunst, Wissenschaft) als Bezugswort ergänzen.
Re: Ästhetik, Etymologie
Leo Kislinger schrieb am 26.05.2014 um 10:04 Uhr (Zitieren)
Ich danke für die Antworten. Das ist sehr hilfreich. Ich verstehe das jetzt so: Baumgarten verwendete die weibliche Form aisthetike im Sinn von aisthetike techne.
Was (vgl. Kluge) tatsächlich als Wortschöpfung von Baumgarten zu stammen scheint, ist dann das lateinische Aesthetica, das es vor ihm nicht gegeben hat.
Sehe ich das richtig?
Herzlichen Dank und lieben Gruß,
Leo Kislinger
Was (vgl. Kluge) tatsächlich als Wortschöpfung von Baumgarten zu stammen scheint, ist dann das lateinische Aesthetica, das es vor ihm nicht gegeben hat.
Sehe ich das richtig?
Herzlichen Dank und lieben Gruß,
Leo Kislinger
Re: Ästhetik, Etymologie
Γραικίσκος schrieb am 26.05.2014 um 18:16 Uhr (Zitieren)
Ein klassisches lateinisches Wort "aesthetica" gibt es nicht.
Der Begriff als Bezeichnung der Kunstphilosophie stammt von A. G. Baumgarten und wird von ihm erstmals 1735 in seinen "Meditationes philosophicae de nonnullis ad poema pertinentibus" verwendet: als ein noch zu verwirklichendes Programm. In seiner 1750 veröffentlichten, nicht vollendeten lateinischen Schrift "Aesthetica" wird dieses Programm umgesetzt.
In seinem früheren Sinn als Theorie der Wahrnehmung wird der Begriff noch von Kant verwendet.
Dies und weitere Details kannst Du im "Historischen Wörterbuch der Philosophie", Bd. 1, Basel 1971, nachlesen.
Der Begriff als Bezeichnung der Kunstphilosophie stammt von A. G. Baumgarten und wird von ihm erstmals 1735 in seinen "Meditationes philosophicae de nonnullis ad poema pertinentibus" verwendet: als ein noch zu verwirklichendes Programm. In seiner 1750 veröffentlichten, nicht vollendeten lateinischen Schrift "Aesthetica" wird dieses Programm umgesetzt.
In seinem früheren Sinn als Theorie der Wahrnehmung wird der Begriff noch von Kant verwendet.
Dies und weitere Details kannst Du im "Historischen Wörterbuch der Philosophie", Bd. 1, Basel 1971, nachlesen.
