Hallo,
habe das gleiche Thema im Lateinforum gestartet.
Was ich dort als möglicherweise glücklichen Einzelfall (Quintilian) beschrieben habe, wäre im Falle der Altgriechen Kratinos. In den Fragmenten seiner Dionysalexandros blöken die Schafe ,,βη βη".
Kennt ihr andere griechische (oder römische) Autoren aus der Antike, die das Thema der Aussprache von Buchstaben/Wörtern behandeln?
Re: Aussprache
Φιλομαθής schrieb am 24.05.2018 um 12:54 Uhr (Zitieren)
W. Sydney Allen hat zwei Standardwerke zur Phonologie des Griechischen (Vox Graeca, Cambridge 1968) und des Lateinischen (Vox Latina, Cambridge ²1978) verfasst. Darin werden für die Aussprache der einzelnen Laute neben inschriftlichen Belegen auch Belegstellen aus der antiken Literatur angeführt.
Vorwiegend inschriftliche Belege zieht Christos Karvounis (Aussprache und Phonologie im Altgriechischen, Darmstadt 2008) heran, der zugunsten einer Gleichwertigkeit der neugriechischen Aussprache (Itazismus etc.) des Altgriechischen einerseits und einer Gleichberechtigung der übrigen Dialekte neben dem Attischen andererseits argumentiert.
Als Beispiel aus der bei Allen herangezogenen Literatur kann man ein Zitat aus dem Dionysios Thrax anführen, durch den wir erfahren, dass zu dessen Lebzeiten das Iota nach Langvokalen (das heutzutage i. d. R. als Iota subscriptum dargestellt wird) nur als Schreibkonvention vorhanden war, aber nicht mehr ausgesprochen wurde.
Übrigens ist über die Aussprache des Schafslautes (bzw. die Schreibung des η in deutscher Umschrift) einst ein handfester Gelehrtenstreit entbrannt, in dem sich vor allem Johann Heinrich Voß und Georg Christoph Lichtenberg befehdeten. Dessen Schrift Über die Pronunciation der Schöpse des alten Griechenlands verglichen mit der Pronunciation ihrer neuern Brüder an der Elbe: oder über Beh, Beh und Bäh, Bäh, eine literarische Untersuchung von dem Konzipienten des Sendschreibens an den Mond findet man in der Lichtenberg-Ausgabe von Wolfgang Promies in Bd. 3 auf S. 296 ff. Der Verlauf des Streits ist im zugehörigen Kommentarband dokumentiert.
Die Erläuterung des Dionysios Thrax ist ja mal interessant.
Moderne Historiker sind natürlich auch lesenswert, besonders wenn sie sich auf Hinweise der antiken Autoren beziehen.
Zum Schafslaut: Ich glaube kaum, dass man überzeugend für eine neugriechische Aussprache (wi, wi) argumentieren kann.
Darauf bin ich gerade gestoßen: "Beiträge zur mündlichen Kultur der Römer"
In Google Books kann man sich da ein bisschen einlesen. Auf Griechisch wird auch Bezug genommen.
Re: Aussprache
Φιλομαθής schrieb am 24.05.2018 um 14:17 Uhr (Zitieren)
Das glaube ich auch nicht. In der Auseinandersetzung Voß gegen Lichtenberg ging es um die Frage, wie der offene, lange E-Laut η im Deutschen wiederzugeben sei, ob man also etwa die Ἥβη nicht eher als Häbä statt, wie üblich, als Hebe zu schreiben (und zu sprechen) habe.