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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Antikes Piercing? (949 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 08.09.2018 um 17:50 Uhr (Zitieren)
Dion Chrysostomos sagt in seiner Rede an die Alexandrier über die Athener:

τοῦ γὰρ Ἁπόλλωνος εἰπόντος, εἰ θέλουσιν ἄνδρας ἀγαθοὺς ἐν τῇ πόλει γενέσθαι, τὸ κάλλιστον ἐμβάλλειν τοῖς ὠσὶ τῶν παίδων, οἱ δὲ τρήσαντες τὸ ἕτερον χρυσίον ἐνέβαλον, οὐ συνέντες τοῦ θεοῦ.
(32. Rede 3)

Ein seltsamer Brauch - offenbar nirgends sonst überliefert.
Re: Antikes Piercing?
Φιλομαθής schrieb am 09.09.2018 um 13:26 Uhr (Zitieren)
Dass bei den Griechen auch die Knaben, Ohrringe trugen (aber eben nur in einem Ohr), erwähnt auch Isidor (Etym. 19, 31, 10): Inaures ab aurium foraminibus nuncupatae, quibus grana lapidum dependuntur. harum usus in Graecia: puellae utraque aure, pueri tantum dextra gerebant.

Laut Apuleius (De Platone et eius dogmate 1, 4) hinterließ Platon an Gold nur das, was er als Knabe als Zeichen seiner edlen Abstammung im Ohr trug (auri tantum [sc. reliquit], quantum puer nobilitatis insigne in auricula gestavit). Ein Ohrring wird auch in Platons Testament bei Diogenes Laertios (3, 42) erwähnt.
Re: Antikes Piercing?
Φιλομαθής schrieb am 09.09.2018 um 13:31 Uhr (Zitieren)
Statt Knaben, Ohrringe lies: Knaben Ohrringe
Re: Antikes Piercing?
Γραικίσκος schrieb am 09.09.2018 um 14:07 Uhr (Zitieren)
Ich bin jetzt aufgrund Deiner Ausführung und der Lektüre des Kommentars in der LCL unsicher, worauf sich das "Nowhere else recorded" bezieht, auch im Hinblick auf die dort angegebene Stelle Athenaios XII 46.
Re: Antikes Piercing?
Φιλομαθής schrieb am 09.09.2018 um 20:12 Uhr (Zitieren)
Nirgendwo sonst findet sich anscheinend die Verbindung zum Apollonkult. Davon abgesehen wäre in dem Zusammenhang auch noch Xenophons Anabasis 3, 1, 31 zu betrachten, wonach der böotisch sprechende Lochage Apollonides aufgrund der Tatsache, dass seine beiden Ohren mit Ohrlöchern versehen waren, für einen Lyder gehalten und davongejagt wurde. Der Umstand, dass ausdrücklich von ἀμφότερα τὰ ὦτα gesprochen wird, lässt die Interpretation zu, er wäre mit nur einem durchlöcherten Ohr als Grieche durchgegangen.

Was Platon betrifft*, so scheint die Vorstellung, er habe (und sei es nur in seiner Jugend) Ohrring getragen, offenbar noch zu Anfang des letzten Jahrhunderts als so anstößig empfunden worden zu sein, dass man dagegen sogar anatomische Einwände vorbringen zu müssen meinte. Bei Wilamowitz heißt es:

Nur zwei silberne Trinkgefäße hat er, einen goldenen Fingerring und ein Paar Ohrringe; Benndorf macht darauf aufmerksam, daß nach den Büsten seine Ohrläppchen angewachsen waren; die Ohrringe waren doch wohl nur ein Andenken.

[Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff: Platon, Bd. 1, Berlin ²1920, S. 714.]

_____
* Eine weitere Stelle bei Sextus Empiricus (Adv. math. 1, 258): "... Πλάτων μὲν ὁ φιλόσοφος ... ἐτέτρητο τὸ οὖς ἐλλόβιον φορήσας ὅτ᾽ ἦν μειρακίσκος, ..."
Re: Antikes Piercing?
filix schrieb am 09.09.2018 um 21:39 Uhr (Zitieren)
Bei dem vermeintlichen Brauch scheint es sich um eine für die Rede adaptierte Chreia Dios, die von Stobaios überliefert wurde, zu handeln, in der es um einen missverstandenen Orakelspruch geht:

Ἀθηναίοις ἐρομένοις, ὅπως λῷον <ἂν>αὐτοῖς γίγνοιτο, ἔχρησεν ἡ
Πυθία· εἰ τὸ κάλλιστον εἰς τὸ δεξιὸν οὖς τῶν παίδων ἐντιθέναι βούλοιντο·
οἱ δὲ τρήσαντες αὐτὸ χρυσίον ἐνέβαλλον, ἀγνοήσαντες, ὅτι τὸν φιλόσοφον
λόγον ἐμήνυσε. (2.31.89 - https://archive.org/stream/joannisstobaeian01stovuoft#page/216)

The reply of the Pythia to the Athenians’ question how they might
improve their situation was: “Deposit your finest possession in the
right ear of your children.” They pierced the children’s ears and put
a piece of gold in it, not understanding that the priestess meant
philosophical discours. (Übersetzung: Denis Michael Searby)
Re: Antikes Piercing?
Φιλομαθής schrieb am 10.09.2018 um 20:22 Uhr (Zitieren)
Es ließe sich auch eine Übernahme in umgekehrter Richtung annehmen: ein Ungenannter hat in Dions Werken überlieferte Weissagungen (und andere Aussprüche) gesammelt und Stobaios hat aus dieser Sammlung zitiert. So jedenfalls vermutet Hans von Arnim:

In Stob. Ecl. II p. 316 [sic] Wachsm. ἐκ τῶν Δίωνος Χρειῶν affertur locus ex or. XXXII § 3 sumptus, verbis sane non congruus. Probabile igitur χρείας fuisse non a Dione editas, sed ἐκ τῶν αὐτοῦ κατεσκευασμένας.

https://archive.org/stream/dionisprusaensis02diocuoft#page/309/mode/1up[/quote]
Inwiefern Dion und Isidor tatsächlich einen (zumindest für eine Zeit in Athen etablierten) Brauch beschreiben, ob der missverstandene Orakelspruch mehr ist als eine aitiologische Legende, um ein nicht mehr verständliches Ritual zu erklären, in welchem Zusammenhang damit Platons Ohrring steht, bleibt freilich der Spekulation überlassen.
 
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