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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Mal was anderes als veni, vidi, vici (1065 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 18.09.2018 um 22:35 Uhr (Zitieren)
Julian der Apostat hat an die christlichen Bischöfe, anscheinend auf eine Eingabe oder Rechtfertigung von deren Seite hin, geschrieben:
ἔγνων, ἀνέγνων, κατέγνων.

(fr. 14)

Die Antwort der Bischöfe lautete: "Du hast gelesen, aber du hast nicht verstanden; denn hättest du verstanden, hättest du nicht verurteilt."

(Man findet das in Bd. III der LCL-Ausgabe, S. 302 f.)
Re: Mal was anderes als veni, vidi, vici
Φιλομαθής schrieb am 19.09.2018 um 16:58 Uhr (Zitieren)
Zitat von Γραικίσκος am 18.9.18, 22:35ἔγνων, ἀνέγνων, κατέγνων.

Da ist ein Dreher drin. Die Götter (und nicht anders der Kaiser) haben vor das Verstehen das Lesen gesetzt.
Re: Mal was anderes als veni, vidi, vici
Γραικίσκος schrieb am 19.09.2018 um 18:34 Uhr (Zitieren)
Wer hat dann den Fehler zu verantworten?
Es steht so im Text und wird übersetzt mit "I recognised, I read, I condemned". Also auch dort steht das Lesen an zweiter Stelle; offenbar wird ἔγνων anders verstanden als von Dir.
Re: Mal was anderes als veni, vidi, vici
filix schrieb am 19.09.2018 um 21:25 Uhr (Zitieren)
Die Tusculum-Ausgabe bringt das Fragment in der von Φιλομαθής erwähnten, recht verbreiteten Abfolge - https://tinyurl.com/y7fy7uno, außerdem heißt es auf S. 286 der von dir benutzten LCL-Ausgabe (Nr. 157) im letzten Satz des vermutlich gefälschten Briefes an Basilius (von Caesarea):

ἃ γὰρ ἀνέγνων, ἔγνων καὶ κατέγνων.1

For what I read, I understood and condemned.

1This last sentence was probably not in the original letter but was quoted as Julian’s by Sozomen 5. 18 and added to this letter in some MSS. It occurs separately in one MS., Ambrosianus B 4, with the title πρὸς ἐπισκόπους (Cumont, Recherches, p. 47).
Re: Mal was anderes als veni, vidi, vici
Φιλομαθής schrieb am 19.09.2018 um 21:59 Uhr (Zitieren)
Nun ja, die Loeb-Ausgaben, gerade die älteren, stehen nicht immer im Ruf allerhöchster Zuverlässigkeit. Aus der Entgegnung der Bischöfe (die bei Wright in Übersetzung zitiert wird) geht aber doch hervor, dass das Trikolon die Form ἀνέγνων, ἔγνων, κατέγνων gehabt haben sollte. Nur so entfaltet es ja auch seinen Witz: man glaubt, nachdem man die Wörter ἀνέγνων und ἔγνων gelesen hat, dass eine Klimax ähnlich dem Veni vidi vici entwickelt würde, etwa: "ich las, ich verstand, ich wurde bekehrt." Und genau dieser Erwartung wird nicht entsprochen: κατέγνων stellt die überraschende Pointe dar.

Für den Text, dem das Julian-Zitat entnommen ist, die Ecclesiastica historia von Sozomenos, kann ich im Moment nur die unkritische Edition bei Migne anführen. Auch hier: erst ἀνέγνων, dann ἔγνων. Bei Sozomenos erfährt man, dass Julian auf eine gegen ihn gerichtete Schrift Ὑπὲρ ἀληθείας des Apollinarios von Laodikeia reagiert. Autor der bischöflichen Replik "ἀνέγως, ἀλλ᾽ οὐκ ἔγνως· εἰ γὰρ ἔγνως, οὐκ ἂν κατέγνως" soll, so wird vermutet, Basileios von Kaisareia sein.
https://books.google.de/books?id=ZpdBAAAAcAAJ&hl=de&pg=PA1271#v=onepage&q&f=false

Die Reihenfolge ἀνέγνων, ἔγνων, κατέγνων findet sich übrigens auch am Ende des (Julian untergeschobenen) Briefs 75 (Hertlein, Nr. 81 in der Wright-Ausgabe, Bd. 3, S. 286) an Basileios, der im Briefkorpus des letzteren zusammen mit dessen (wohl ebenfalls fingierten) Antwort überliefert ist, worin dann auch die bei Sozomenos überlieferte Erwiderung enthalten ist.
Re: Mal was anderes als veni, vidi, vici
Φιλομαθής schrieb am 19.09.2018 um 22:07 Uhr (Zitieren)
Inhaltliche Dubletten mit filix' Beitrag waren nicht beabsichtigt.
Re: Mal was anderes als veni, vidi, vici
Γραικίσκος schrieb am 19.09.2018 um 23:47 Uhr (Zitieren)
Also ein Fehler des Herausgebers. Ich habe angenommen, daß seine Übersetzung vertretbar sei, die Reihenfolge also einen Sinn ergebe.

Mit der Tusculum-Ausgabe ist sicher die der Briefe gemeint; da kann ich nachschauen.
Re: Mal was anderes als veni, vidi, vici
filix schrieb am 20.09.2018 um 01:57 Uhr (Zitieren)
Die von dir gepostete Abfolge lässt sich wenigstens bis ins 17. Jhdt. zurückverfolgen. Justus Lipsius benutzt illud Iuliani scitum z.B. als Totschlagformel der Rezeption in einem Brief an Bonaventura Vulcanius: "De Collectaneis iudicium quaeris? [...] ἔγνων, ἀνέγνων, κατέγνων (vidi, legi, damnavi)". Vielleicht haben bei der Variante Ansprüche an die Wohlgeformtheit von Trikola (im Original nimmt die Silbenzahl zunächst ab, dann wieder zu) eine gewisse Rolle auf Kosten der Entfaltung der Pointe gespielt.
Re: Mal was anderes als veni, vidi, vici
Φιλομαθής schrieb am 20.09.2018 um 21:41 Uhr (Zitieren)
Vulcanius, das ist mal eine hübsche Latinisierung für den Namen Schmidt (resp. de Smed).

Bemerkenswert auch die Begeisterung, welche die von heiligem Ernst getragene Antwort auf Julians saloppes Verdikt nicht nur bei Sozomenos (ἄγασθαι δίκαιον ἀνδρείας καὶ παιδεύσεως τὸν γράψαντα — "Man muss den Autor für seine Tapferkeit und seine Bildung bewundern."), sondern selbst noch bei einem Konstantinos Kavafis auslöste (denn mehr als ein in einen Syllogismus gekleidetes Totschlagargument ist ja auch diese nicht):

Οὐκ ἔγνως

Γιὰ τὲς θρησκευτικές μας δοξασίες —
ὁ κοῦφος Ἰουλιανὸς εἶπεν «Ἀνέγνων, ἔγνων,
κατέγνων». Τάχατες μᾶς ἐκμηδένισε
μὲ τὸ «κατέγνων» του, ὁ γελοιωδέστατος.

Τέτοιες ξυπνάδες ὅμως πέρασι δὲν ἔχουνε σ’ ἐμᾶς
τοὺς Χριστιανούς. «Ἀνέγνως, ἀλλ’ οὐκ ἔγνως· εἰ γὰρ ἔγνως,
οὐκ ἂν κατέγνως» ἀπαντήσαμεν ἀμέσως.

(1928)


Du verstandest nicht

Über unser Glaubensbekenntnis
Sagte der hohle Julian: »Ich vernahm, ich verstand,
Ich verurteilte.« Er meinte wohl, mit seinem
›Verurteilte‹ uns zu vernichten, der Einfaltspinsel.

Solche dummen Sprüche kommen bei uns Christen nicht an.
»Du vernahmst, doch du verstandest nicht; hättest du verstanden,
So hättest du nicht verurteilt«, antworteten wir sofort.

[Übers. Robert Elsie]
 
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