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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Eine seltsame Empfehlung an einen Lehrer (1154 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 13.10.2018 um 15:37 Uhr (Zitieren)
οὔτω τί σοι δοίησαν αἰ φίλαι Μοῦσαι,
Λαμπρίσκε, τερπνὸν τῆς ζοῆς τ' ἐπαυρέσθαι,
τοῦτον κατ' ὤμου δεῖρον, ἄχρις ἠ ψυχή
αὐτοῦ ἐπὶ χειλέων μοῦνον ἠ κακὴ λειφθῆι.

Unter dem Titel ΔΙΔΑΣΚΑΛΟΣ beginnt Herodas mit diesen Worten einen Dialog zwischen Metrotime und dem Lehrer Lampriscus.
(LCL: Theophrastus: Characters, Herodas: Mimes, Sophron and Other Mime Fragments, p. 216)

Eine bemerkenswerte Schinderei, die hier anscheinend gelobt wird. Selbst für eine gymnastische Ausbildung geht das doch sehr weit.
Re: Eine seltsame Empfehlung an einen Lehrer
Φιλομαθής schrieb am 14.10.2018 um 21:01 Uhr (Zitieren)
Man denkt dabei an den Menandervers "Ὁ μὴ δαρεὶς ἄνθρωπος οὐ παιδεύεται." Auf uns wirkt es allerdings schon recht befremdlich, wenn eine Mutter dem Lehrer nicht nur gestattet, gegen ihr Kind physische Gewalt anzuwenden (schon das erschiene aus heutiger Sicht empörend), sondern ihn auffordert, dem Sohn die Seele aus dem Leib zu prügeln. (Ich möchte aber vermuten, die dargestellte Szene zeigt eher ein Zerr- als ein getreues Spiegelbild der damaligen Pädagogik.)
Re: Eine seltsame Empfehlung an einen Lehrer
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 15.10.2018 um 19:09 Uhr (Zitieren)
Natürlich ist das Bild an Drastik kaum zu überbieten, aber einer, z. B. ob der Faulheit / dem Desinteresse ihres Sprößlings, verzweifelten /verzweifelnden Mutter könnte man vielleicht nachfühlen, daß sie auf diesen "Freibrief" verfällt.

Mir kommt dazu das preußisch-husarische "bis die Schwarte kracht" in den Sinn oder die Wendung, die mein "oller" Griechischlehrer für eine solche Situation parat hatte: " bis ihm/euch das Wasser im A... kocht!" - beides sehr drastische, aber unschwer als figürlich zu erkennende Redeweisen.

Darf ich außerdem noch anmerken, daß es in Deutschland (BRD) bis 1973, in Bayern sogar bis 1980 gedauert hat, bis die Körperstrafe an Schulen abgeschafft wurde, was in der DDR bereits 1949 geschehen war.

Und das findet sich auch noch https://hpd.de/artikel/pruegelstrafe-an-schulen-erlaubt-15946 ...

All das aber entkräftet nicht den Hinweis, daß Umstände zurückliegender Zeiten nicht von der Warte heutiger Moral- oder Wertevorstellungen allein beurteilt werden dürfen.
Re: Eine seltsame Empfehlung an einen Lehrer
Γραικίσκος schrieb am 16.10.2018 um 00:22 Uhr (Zitieren)
Mein erster Gedanke, wenn ich eine solche Vorstellung von Erziehung lese, ist nichtmal, daß sie - nach unseren heutigen Maßstäben - unmoralisch, sondern daß sie dumm ist.
Ein begeisterter Schüler lernt besser als einer, der Angst haben muß, halbtot geschlagen zu werden.
Militärisch und auf Preußen bezogen, war es das, was die preußischen Reformer von den Franzosen gelernt haben. Das Spießrutenlaufen verführt dazu, bei erstbester Gelegenheit zu desertieren.
Re: Eine seltsame Empfehlung an einen Lehrer
Φιλομαθής schrieb am 16.10.2018 um 12:40 Uhr (Zitieren)
Unseren — wie man sieht, erst in jüngerer Vergangenheit gesetzlich festgeschriebenen — Maßstäben in Sachen Kindeswohl und dem, was heute aus Pädagogensicht sinnvoll erscheint, erheblich näherstehend zeigt sich Plutarch:

Κἀκεῖνό φημι, δεῖν τοὺς παῖδας ἐπὶ τὰ καλὰ τῶν ἐπιτηδευμάτων ἄγειν παραινέσεσι καὶ λόγοις, μὴ μὰ Δία πληγαῖς μηδ᾽ αἰκισμοῖς. δοκεῖ γάρ που ταῦτα τοῖς δούλοις μᾶλλον ἢ τοῖς ἐλευθέροις πρέπειν· ἀποναρκῶσι γὰρ καὶ φρίττουσι πρὸς τοὺς πόνους, τὰ μὲν διὰ τὰς ἀλγηδόνας τῶν πληγῶν, τὰ δὲ καὶ διὰ τὰς ὕβρεις. ἔπαινοι δὲ καὶ ψόγοι πάσης εἰσὶν αἰκίας ὠφελιμώτεροι τοῖς ἐλευθέροις, οἱ μὲν ἐπὶ τὰ καλὰ παρορμῶντες οἱ δ᾽ ἀπὸ τῶν αἰσχρῶν ἀνείργοντες.

De liberis educandis 12 (mor. 8 f)

Re: Eine seltsame Empfehlung an einen Lehrer
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 16.10.2018 um 23:42 Uhr (Zitieren)
Bei Plutarch spricht der Pädagoge, bei Herodas die Mutter - ich halte das für einen bedenkenswerten Umstand.

Ich kenne den Herodas-Text nicht als Ganzes, aber ich halte es auch nicht für ausgemacht, daß die inkriminierte Passage die Vorstellung/Maxime des Pädagogen formuliert; könnte sich der Autor nicht genauso gut über die verbiesterte Mama lustig machen wollen? Haben wir das nicht auch heute immer noch: wenn Eltern mit dem Nachwuchs nicht zurecht kommen, soll/muß der Lehrer "ran" und es richten? Und dann aber "mit Casalla!"
Re: Eine seltsame Empfehlung an einen Lehrer
Φιλομαθής schrieb am 17.10.2018 um 13:43 Uhr (Zitieren)
Gewiss doch: davon, dass der Mimiambos keine aus dem Leben gegriffenen, sondern stark überzeichnete Figuren vorführt, darf man wohl ausgehen. Der schwankartige Charakter des Werks wird ja schon an den zitierten Versen kenntlich, indem Metrotime zur Begrüßung den Musensegen für Lampriskos erbittet, es dann aber keineswegs auf dessen musische Qualitäten abgesehen hat. Und noch zum Ende der Szene, da Lampriskos Erbarmen mit dem Gezüchtigten zeigt, fordert sie: δεῖρον δ᾽ ἄχρις ἥλιος δὺς ᾖ (v. 88).

Anders als ich oben geschrieben habe, gilt Plutarch heute nicht mehr als Urheber der Traktats zur Kindererziehung.
Re: Eine seltsame Empfehlung an einen Lehrer
Γραικίσκος schrieb am 21.10.2018 um 16:11 Uhr (Zitieren)
In der Antike wurden offensichtlich häufiger irgendwelche Texte berühmten Autoren in die Schuhe geschoben.
Re: Eine seltsame Empfehlung an einen Lehrer
Φιλομαθής schrieb am 22.10.2018 um 21:15 Uhr (Zitieren)
Eine Buchrolle, die er als unbekannten Plutarchtext an den Mann bringen konnte, brachte dem Bibliopoles vermutlich ein paar Obolen mehr ein als das Werk eines Unbekannten.
 
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