3. Apollodor (104 – 22 v.u.Z.) [zugeschrieben]: Bibliotheké

Nach dem Ende des Amphion übernahm Laïos die Königsherrschaft. Er heiratete die Tochter des Menoikeus, die einige Iokaste nennen, einige aber Epikaste, und obwohl ihm der Gott da Orakel gegeben hatte, er solle kein Kind zeugen – der Sohn, den er zeuge, werde ein Vatermörder sein –, schlief er, vom Wein berauscht, mit seiner Frau. Den Neugeborenen [τὸ γεννηθέν] gab er dann einem Hirten, der ihn aussetzen sollte, nachdem er die Fersen mit Stacheln durchbohrt hatte [περόναις διατρήσας τὰ σφυρά].
Dieser setzte ihn auch auf dem Kithairon aus, doch fanden Hirten des Polybos, des Königs der Korinther, das Kind und trugen es zu seiner Frau Periboia. Diese nahm den Knaben auf, an Kindes Statt an und, nachdem sie seine Fersen geheilt hatte, nannte sie ihn Oidipus („Schwellfuß“) wegen seiner geschwollenen Füße.

(III 48 f.)

Der sog. Apollodor legt sich auf einen Neugeborenen fest, was das Motiv, einen bereits lauffähigen Knaben an der Flucht zu hindern, ausschließt.
Ob sich das Partizip διατρήσας auf den König oder auf den Hirten bezieht, ist m.E. uneindeutig. Hat der König den Akt selber ausgeführt oder dem Hirten den Befehl dazu gegeben?
Ferner handelt es sich auch hier - anders als bei Sophokles, aber so wie bei Euripides - um eine Auffindung des Kindes, nicht um eine Übergabe aus Mitleid.

Das Motiv bleibt unklar.