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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
nin me šár-ra #4 (435 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 22.02.2020 um 14:33 Uhr (Zitieren)
Der Schluß:
Herrin! Das, was Klagen erregt hat,
nämlich dein „Schiff der Klagen“, soll im
feindlichen Gebiet zurückgelassen werden!
Oder muß ich sterben, weil ich mein schicksalsbestimmendes Lied angestimmt habe?
Was mich angeht – mein Nanna hat nicht nach mir gefragt,
als das abtrünnige Gebiet mich ganz und gar vernichtet hat.
Dilimbabbar hat ganz gewiß kein Urteil über mich gesprochen!
Ob er es gesprochen hat oder nicht – was ist nun tu tun?

Nachdem er (Lugalane) all seine Wünsche triumphierend
erreicht hat, hat er es (ein Urteil) aus dem Tempel hervorkommen lassen.
Wie eine Schwalbe hat er mich vom Fenster weggescheucht.
Nachdem er dafür gesorgt hat, daß die Leute mein Leben vertilgt haben,
läßt du (Inana) zu, daß ich nun zum Dorngestrüpp des Feindeslandes gehen muß?
Die wirkmächtige Tiara des hohepriesterlichen Amtes hat er mir entrissen,
hat mir einen Dolch gegeben und gesagt: „Das ist nun dein Schmuck!“

Einzigartige Herrin, von An geliebt,
dein schicksalsschwangeres Herz ist übermäßig (erzürnt):
Möge es sich doch beruhigen!
Gemahlin, die den Uschumgalana liebt!
Vom Fundament des Himmels bis zu seinem Zenit bist du die große Herrin;
die hohen Götter, die Anuna haben sich dir unterworfen.
Von Geburt her warst du zwar eine kleine Herrin,
doch jetzt, da du die Anuna, all die großen Götter so übertroffen hast,
da küssen sie mit ihren Lippen den Boden vor dir.

Obwohl mein eigener Prozeß noch nicht abgeschlossen ist,
umgibt mich ein fremder, feindlicher Urteilsspruch, als sei er für mich bestimmt.
Das strahlend reine Bett hatte er (Lugalane) nicht besudelt ,
die Sprüche der Ningal habe ich dem Kerl nicht offenbart.
Die strahlende en-Priesterin Nannas bin ich.
Meine Herrin, geliebt von An, möge sich dein Herz mir beruhigend abkühlen!

Es soll bekannt sein, es soll bekannt sein: Nanna
hat keinen Urteilsspruch ausgesprochen,
„Dein ist er.“ hat er gesagt!
Daß du wie der Himmel gewaltig hoch bist, soll bekannt sein!
Daß du wie die Erde unermeßlich weit bist, soll bekannt sein!
Daß du rebellierende Gebiete vernichtest, soll bekannt sein!
Daß du gegen feindliche Länder brüllst, soll bekannt sein!
Daß du die Häupter (der Rebellion) zerschlägst, soll bekannt sein!
Daß du wie ein Raubtier (ihre) Kadaver frißt, soll bekannt sein!
Daß dein Blick grausige Vernichtung bringt, soll bekannt sein!
Daß du diesen Schreckensblick zum Einsatz bringen wirst, soll bekannt sein!
Daß dein Blick überall vernichtendes Funkeln versprüht, soll bekannt sein!
Daß du unerschütterlich und unnachgiebig bist, soll bekannt sein!
Daß du alle deine Wünsche triumphierend erreichst, soll bekannt sein!
Daß Nanna keinen Urteilsspruch ausgesprochen hat, daß er
„Dein ist er.“ gesagt hat,
das hat dich noch größer gemacht, meine Herrin,
du bist die Allergewaltigste –

und deshalb, du meine Herrin, die An liebt, will ich
hiermit von all deinem unwiderstehlichen Wüten künden!
Die Kohlen habe ich aufgehäuft, die Reinigungsrituale dafür vorbereitet,
der Tempel Eschdamku steht für dich bereit: Wird sich dein Herz nicht um meinetwillen beruhigend abkühlen?
Da das Herz mir voll, da es mir übervoll geworden war,
machtvolle Herrin, habe ich dies für dich geschaffen.
Was dir zur Nacht gesagt wurde,
soll der Kultsänger dir zur Mittagszeit wiederholen:
„Nachdem wegen deines gepackten Gatten,
wegen deines gepackten Schützlings
dein Zorn groß geworden war, da hatte dein Herz keine Ruhe finden können ...!“

Die machtvolle Herrin, die Herrscherin über die
(Götter-)Versammlung,
sie hat das Ritual von ihr (Encheduana) angenommen.
Das Herz der schicksalsbestimmenden Inana hat sich
für sie zu seinem Gebiet gewendet.

Der Tag war angenehm für sie, Entzücken verbreitete sie,
überreiche Schönheit verströmte sie reichlich.
Wie das aufgegangene Mondlicht kleidete sie sich strahlend schön.
Nanna gab seiner Bewunderung tatkräftig Ausdruck,
sie (Inana) grüßte ihre Mutter Ningal,
und während die Torhüter-Gottheiten ihr (Inana) den Willkommensgruß entbieten,
ist das, was sie (Ningal) der Herrscherin zuspricht, gewaltig!

Dir, Zerstörerin aller feindlichen Länder, die von An
die göttliche Macht erhalten hat,
meiner Herrin, in Entzücken gehüllt, dir, Inana gehört dieses Preislied!

(a.a.O., S. 347-350)

Dieser Abschnit enthält den Bericht der Kränkung der Encheduana, ihre Verwünschung bzw. Verfluchung ihrer Feinde, die tröstliche Antwort der Göttin Inana und die Aussicht auf den Sieg.

Der älteste einem historischen Autor zuzuordnende Text stammt also von einer Frau, und es handelt sich um eine teils politisch, teils durch eine persönliche Kränkung motivierte Verfluchung von Feinden.
Dabei wird man diese Feinde, je nach Perspektive, als Aufständische oder als Freiheitskämpfer sehen.
Re: nin me šár-ra #4
Γραικύλος schrieb am 22.02.2020 um 15:43 Uhr (Zitieren)
Dieser Abschnit --> Diese Abschnitt
Re: nin me šár-ra #4
Γραικύλος schrieb am 22.02.2020 um 16:25 Uhr (Zitieren)
Diese Abschnitt --> Dieser Abschnitt
Re: nin me šár-ra #4
Marcella schrieb am 22.02.2020 um 19:13 Uhr (Zitieren)
Danke für diese verdienstvolle Wiedergabe des hochinteressantes Gedichtes der Encheduana.Sie, Tante des Akkaderkönigs Naramsin, appelliert - selber in höchst prekärer Situation Lebensgefahr - an die überaus kampfstarke und schreckliche Inanna (wie Ischtar Göttin der Liebe und des Krieges), die die starken Annunaki-Götter zm Auseinanderflattern "wie Fledermäuse" bringe. Mit solch einer potenten Hilfe sollte es möglich sein, den Widerstand gegen das Imperium in Ur und sonstwo zu brechen. Und auch den Widerstand im Götterhimmel: Leider steht auch der Mondgott von Ur für die falsche Partei. Da muss der Himmelsgott An helfen und eine Entscheidung herbeiführen. (Meine Weisheit habe ich auch aus der empfehlenswerten Ausgabe: Erzählungen aus dem Land Sumer, Hg. Konrad Volk, Wiesbaden 2015.)

Bemerkenswert sind die ausdrucksstarken Metaphern!
Re: nin me šár-ra #4
Γραικύλος schrieb am 23.02.2020 um 17:06 Uhr (Zitieren)
Danke für die Ergänzung meiner knappen, ebenfalls aus dem Volk-Band übernommenen Einführung.

Die Bildsprache ist in der Tat beeindruckend.

Mein früherer Griechischlehrer sagte einmal: "Wer an einen Fortschritt in der Literatur glaubt, sollte einmal Homer lesen!" Wie man sieht, kann man sogar noch - viel - weiter zurückgehen (die Literatur des Alten Ägypten übrigens eingeschlossen).
Re: nin me šár-ra #4
Marcella schrieb am 23.02.2020 um 18:51 Uhr (Zitieren)
Ich habe mich einstmals intensiver mit akkadischer Literatur beschäftigt, namentlich mit den Epen (die die Ägypter nicht haben). Fürwahr eine starke Sprache!
Wer Akkadisch macht, leidet darunter, dass in dieser ohnehin überaus komplizierten Schrift auch noch die Vokale mitgeschrieben werden. Das macht bei einer s e m i t i s c h e n Sprache die Sache noch viel sperriger. Für die Beurteilung der poetischen Klangwirkung hingegen ist es andererseits richtig schön.
 
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