διψαλέος schrieb am 20.09.2009 um 22:52 Uhr (Zitieren)
tja...
Ich kann eigentlich nichts dazu sagen,
aber!
"πάντα ῥεῖ" war das erste, was ich damals, vor fast 40 Jahren im Griechisch-Kurs gelernt habe!
Das war der Eröffnungssatz unseres Lehrers!
;-)
Das hat sich bei mir unauslöschlich eingeprägt,
mag es falsch oder richtig sein!
;-)
Ὑληβάτης schrieb am 20.09.2009 um 22:59 Uhr (Zitieren)
Kratylos; da steht es in indirekter Rede.
Dein Zitat, διψαλέος, wird auch benutzt im Vortrag "Reformtendenzen im deutschen Verkehrsrecht – erreichte und erhoffte Ziele" der sächsischen Polizei! Als Fazit. Wenn das man nichts ist!
Ὑληβάτης schrieb am 20.09.2009 um 23:17 Uhr (Zitieren)
Ich denke gerade darüber nach, inwieweit Jazz-Musik, besonders die swingende Klaviermusik von Billy Taylor, nach diesem Grundsatz funktioniert. Die Töne scheinen so leicht dahinzufließen.
Leider muss ich ins Bett, ohne den AcI noch geschafft zu haben.
καὶ ἄλλην ἡμέραν ὁ Ἥλιος ἐγείρει.
Γραικίσκος schrieb am 21.09.2009 um 21:01 Uhr (Zitieren)
Glaubt Platon bitte nicht, was er hier als Ansicht Heraklits wiedergibt. Weder seine "Zitate" noch das "πάντα ῥεῖ" entsprechen dem Tiefsinn Heraklits; außerdem sind diese Aussagen offensichtlich falsch - es kann nicht sein, daß alles sich ändert, ohne daß zumindest dies (das Gesetz ständiger Veränderung) bleibt.
Original-Heraklit: "In dieselben Flüsse steigen wir und steigen wir nicht - wir sind es und wir sind es nicht."
Platon tut gleichsam so, als ob Heraklit nur die Hälfte davon behauptet hätte, nur die eine Seite der Medaille.
Γραικίσκος schrieb am 21.09.2009 um 21:03 Uhr (Zitieren)
Heraklit war der erste Dialektiker. Und Dialektiker erkennt man daran, daß sie Widersprüche für wahr halten (so wie übrigens der späte Platon auch: in seinen Dialogen "Sophistes" und "Parmenides").
Γραικίσκος schrieb am 22.09.2009 um 11:24 Uhr (Zitieren)
Ich bitte, das nicht so zu verstehen, als ob man im dialektischen Denken sagen könne, was immer man wolle ("ex falso quodlibet"); vielmehr soll es einige Aussagen geben, die 1. widersprüchlich und 2. wahr sind. Den B ereich abzustecken, für welchen das gilt, ist eine eigene Aufgabe.
Als Beispiel habe ich oben das "echte" Heraklit-Fragment zitiert. Das l#uft darauf hinaus, daß, wer sagt, alles bleibe gleich, so wenig die Wahrheit sagt wie der, welcher sagt, alles ändere sich ständig. Erst beides zusammen - und damit der Widerspruch! - ist wahr. So bin ich etwa heute der Γραικίσκος, der vor fünfeinhalb Monaten hier eingestiegen ist, und doch bin ich anders: z.B. fünfeinhalb Monate älter.
Γραικίσκος schrieb am 22.09.2009 um 18:39 Uhr (Zitieren)
Bei Hegel werden Widersprüche in der Tat "aufgehoben" - ein vielsagendes Wort, das u.a. "bewahren" bedeutet, aber auch "hochheben" (auf eine höhere Stufe).
Das ist aber eine Spezialität von Hegel und trifft, soweit ich sehe, auf den Dialektiker Platon nicht zu. διψαλέος verallgemeinert also.
Wie gesagt, das heutige Interesse geht m.W. dahin, die Bereiche abzugrenzen, in denen Widersprüche zuzulassen sind bzw. unumgänglich sind.
Ὑληβάτης schrieb am 22.09.2009 um 20:54 Uhr (Zitieren)
Heißt das, dass man nicht versucht, einen Teil eines Widerspruchs wegzu-forsche, -argumentieren oder -ignorieren, sondern bei widersprüchlichen Tatsachen sagt: "Es gilt das eine, das andere und der Widerspruch zwischen den beiden"?
Z.B. Γραικίσκος (11:24) und Γραικίσκος 2 (18:39) sind nicht die gleichen,
aber Γραικίσκος (11:24) und Γραικίσκος 2 (18:39) sind die gleichen,
und da ist ein Widerspruch, aber das passiert halt.
Γραικίσκος schrieb am 22.09.2009 um 21:09 Uhr (Zitieren)
Γραικίσκος (11:24) und Γραικίσκος 2 (18:39) sind nicht die gleichen,
aber Γραικίσκος (11:24) und Γραικίσκος 2 (18:39) sind die gleichen,
und da ist ein Widerspruch, aber das passiert halt. ist unumgänglich so.
Was nur identisch bleibt, wandelt sich nicht: was sich nur wandelt, wäre nicht etwas, das sich wandelt. "Es ist Γραικίσκος, der sich wandelt" bedeutet eben: er ist es und er ist es nicht.
So schreibt es ja Vater Heraklit.
Mathematik und Logik sind statisch (zeitinvariant); da wo Dialektiker heute am Werke sind, geht es um die Logik von Prozessen. Außerdem auch um die Logik von selbstbezüglichen Sätzen.
Γραικίσκος schrieb am 22.09.2009 um 21:22 Uhr (Zitieren)
1. weil es um Prozesse geht und 2. weil Denken selbstrefrentiell ist (z.B. dieser Satz ist ein Gedanke über die Natur des Denkens).
Hat Platon nicht die Dialektik entdeckt (im "Sophistes"), als er über Bewegung nachdachte? (Meine Lektüre ist schon ein paar Tage her.)
Γραικίσκος schrieb am 22.09.2009 um 21:24 Uhr (Zitieren)
selbstreferentiell
Du erinnerst Dich an unseren Endlos-Thread über Paradoxien? Da waren viele bei, die durch Selbstbezüglichkeit entstehen, u.a. Russells Mengen, die sich selbst als Element enthalten.
Ὑληβάτης schrieb am 22.09.2009 um 21:28 Uhr (Zitieren)
Aha. Entstehen Widersprüche also erst im menschlichen Geist, als Nebenprodukt des Denkens?
Den "Sophistes" habe ich noch nie gelesen, aber das klingt interessant. Oje, ich bin ein philosophischer Analphabet!
Γραικίσκος schrieb am 22.09.2009 um 21:40 Uhr (Zitieren)
Die Widersprüche durch Selbstreferentialität entstehen im Denken. Nicht so klar ist das, wenn man Bewegung (Prozesse) als widersprüchlich auffaßt. Liegt das am Denken oder an der Sache selbst?
Aber Du mußt doch die Paradoxien Zenons kennen, die allesamt Bewegungsparadoxien sind!
Γραικίσκος schrieb am 22.09.2009 um 21:47 Uhr (Zitieren)
Zenons Argumentation ist ja so strukturiert:
1. Bewegung ist unlogisch (paradox).
2. Also gibt es keine Bewegung.
3. Da wir Bewegung wahrnehmen, muß Wahnehmung Täuschung sein.
In dem Film "Welt am Draht" von R. W. Fassbinder informiert jemand, der durchschaut hat, daß die handelnden Personen in einer nicht realen Welt leben, einen anderen, indem er auf ein Blatt einen gerüsteten Krieger und eine Schildkröte zeichnet.
Da der Adressat der Botschaft klassisch gebildet ist (Heil ihm!), weiß er nach kurzem Nachdenken, was die Botschaft bedeuten soll: Der Wettlauf zwischen Achilleus und der Schildkröte --> Zenon --> was wir wahrnehmen, ist nicht real.
Modernere Varianten dieses Themas ("Matrix") für den US-Markt verzichten auf klassische Anspielungen.
Γραικίσκος schrieb am 22.09.2009 um 21:51 Uhr (Zitieren)
Darauf reagiert das dialektische Denken: Kann es sein, daß Bewegung zwar widersprüchlich ist, dies aber nicht bedeutet, daß sie nicht exisitiert, weil die Realität eben widersprüchlich ist?
Γραικίσκος schrieb am 22.09.2009 um 21:54 Uhr (Zitieren)
Der ruhende Pfeil ist nicht so eindeutig ein Trugschluß. Bewegung findet nicht an einem Punkt, sondern zwischen zwei Punkten statt. Was aber, wenn zwischen den Punkten ... nur weitere Punkte sind? Die Strecke ist ja wohl so konzipiert, daß sie aus lauter Punkten besteht. An keinem dieser Punkte aber kann sich der Pfeil bewegen, denn Bewegung ... (s.o.)
Ὑληβάτης schrieb am 22.09.2009 um 21:56 Uhr (Zitieren)
Vielleicht bin ich zu sehr der Wahrnehmung verhaftet, aber schon beim ersten Hören dachte ich, dass z.B. an der Achilles-Schildkröte etwas falsch ist. Ich dachte immer, dass es sozusagen ein philosophischer Logikscherz wäre zu sagen, dass Achill die Schildkröte nie erreichen kann - weil ja jeder weiß, dass er es tut.
Zenon zerlegt doch die Abschnitte der Annäherung immer feiner - ist das nicht nur eine Möglichkeit des Denkens / der Betrachtung?
Aber das mit dem "das bedeutet nicht" habe ich erstmal verstanden.
διψαλέος schrieb am 22.09.2009 um 22:06 Uhr (Zitieren)
Die Quantenphysik ist (für uns Menschen) voller Widersprüche, Unlogischkeiten (jaja, Monsterwort) und
unerklärlichen Phänomene.
Trotzdem funktioniert sie!
:-))
Marcconi, der Erfinder des Radios,
auf die Frage:
"Meister! Eine große Erfindung! Sie sind ein Genie!
Wie funktioniert es?"
Marcconi:
"Ich weiß es nicht, ich weiß nur, daß es funktioniert."
Ebenso "funktioniert" die Erklärung der Physik durch die Mathematik.
Die mathematische Formel mag klar und logishc sein.
Trotzdem erklärt sie nicht das "wie" und "warum",
Γραικίσκος schrieb am 22.09.2009 um 22:12 Uhr (Zitieren)
Den "Achilleus" halte ich für schwächer als den "Pfeil". Aber im Prinzip ist es frag-würdig (des Fragens würdig) zu sagen: "Ich weiß doch, daß er die Schildkröte überholt." Man sieht es eben nur. Aber wie zuverlässig ist das Sehen (im Vergleich zum Denken)?
διψαλέος schrieb am 22.09.2009 um 22:20 Uhr (Zitieren)
Zenons Prämisse "Bewegung ist unlogisch" (paradox)
ist richtig und falsch"Bewegung" ist zunächst für uns Lebewesen Ortsveränderung.
Im molekularen- und Quanten-bereich ist "Bewegung" Zustand.
bei 0° K gibt es keine Bewegung mehr und das Universum ist "tot".
(Entropie!)
Γραικίσκος schrieb am 22.09.2009 um 22:24 Uhr (Zitieren)
Zumindest ist das keine (bloße) Prämisse, auch wenn es in meiner Aufzählung 1., 2., 3. so scheint. Denn zum Beweis dieser Annahme setzt er ja den "Achilleus" und den "Pfeil" ein. Was immer man von der Beweiskraft dieser Argumente halten mag - es sind Argumente mit dem Zweck der Stützung von 1.
διψαλέος schrieb am 22.09.2009 um 22:25 Uhr (Zitieren)
Leben, also Stoffwechsel, ist der verzweifelte Versuch, sich gegen die Entropie zu stemmen..
Stoffwechsel braucht Energie, die sich das lebewesen aus der Umgebung zieht und damit gleichzeitig wiederum die Entropie beschleunigt....
(ein Paradoxon des Lebens)
Ὑληβάτης schrieb am 24.09.2009 um 21:29 Uhr (Zitieren)
Ich habe nachgedacht. Allein, ob's richtig, weiß ich nicht zu sagen.
Zenons Argumentation ist ja so strukturiert:
Ich muss ehrlich sagen, dass mir die Schlussfolgerung nicht gefällt, weil doch die Wahrnehmung das einzige ist, was wir an Informationen über die Welt haben - soweit es sie außerhalb des Denkens gibt. Aber das wird ein anderes Problem sein.
Zenons Schlussfolgerung führt sich selbst ad absurdum - so sehr, dass ich gerade überlege, ob dieser Fall schon im Paradoxon-Thread aufgetaucht ist. Wenn es keine Bewegung gibt, ist der Ausgangspunkt seiner Überlegung falsch.
... Oder halt! Fällt das unter die Dialektiker-Kategorie? 1. Es gibt Bewegung. 2. Bewegung ist paradox. 3. Satz 1 und 2 widersprechen sich, sind aber wahr. Gibt es diese Kategorie dann eigentlich: "Wahr"?
Neulich habe ich eine Anekdote gelesen, die ich zitieren möchte.Zenon geht in seinem Pfeil-Paradoxon davon aus, dass der Pfeil an einem Punkt "stillsteht", aber das kann er ja gar nicht, weil er sich konstant bewegt.
- Ist das unphilosophisch, oder habe ich den wichtigsten Punkt irgendwie verpasst?
ανδρέας schrieb am 24.09.2009 um 21:38 Uhr (Zitieren)
Der wichtigste Punkt ist doch wohl, dass der Mensch sich in seiner Wahrnehmung irren kann !
Nur weil man etwas nicht versteht, bedeutet dies doch nicht, dass es nicht ist. Dann stimmt Lincolns Ansicht sehr wohl: Wortklauberei löst kein Problem. Nur , weil Zenon Bewegung für unlogisch hält, muss sie es ja nicht sein. Vielleicht ist Zenon (war) ja auch nur nicht erkenntnisbereit genug, uninformiert, oder einfach so vermessen, dass er seine Ansicht absolut setzte. Das wird einige Philosophen vielleicht ärgern, aber wenn Widersprüche entstehen, könnte dies am Philosophen liegen, nunja ...
Ὑληβάτης schrieb am 24.09.2009 um 21:46 Uhr (Zitieren)
Ja. In seiner Wahrnehmung kann man sich irren.
Aber. Letztendlich muss doch das Denken von der Wahrnehmung "abhängig" sein. Zenon nimmt zwei Beispiele, von deren Grundannahme er denkt, dass sie falsch sind. Alles löst sich also in einem Logikwölkchen auf. *puff, oder?*
ανδρέας schrieb am 24.09.2009 um 22:00 Uhr (Zitieren)
Ja, die Grundannahmen sind das Problem. Wennman die Erde für eine Flache Scheibe hält, kommt man zu seltsamen Schlussfolgerungen, die mit der Realität (empirisch ermittelt) nicht übereinstimmen. Ein Arzt stellt Diagnosen. Aber er erkennt am Verlauf der Krankheit, ob seine Vermutung nicht stimmen kann und revidiert sein Urteil (Krankeitssymptome können sich ähneln). Nach Zenon wäre nicht der Arzt im Irrtum, sondern die Krankheit, der Patient mithin gar nicht krank. Möglicherweise stirbt er völlig gesund, weil der Arzt seine Symptome für paradox hält. Es ist gar nicht so lange her, da kannte man die Ursache von Infektionen nicht. Es gab also keine Viren und Bakterien? Nein, wir haben es nur nicht gewusst - simpel. Oder es war ein Messfehler (Physiker fürchten das). Der Philosoph darf sich nicht abkoppeln und sollte im Leben stehen. Erkenntnis und Vorstellung sind nicht kongruent.
Ὑληβάτης schrieb am 24.09.2009 um 22:12 Uhr (Zitieren)
Hm. Ich sehe das ja genauso; tut das nicht auch die epikureische Philosophie?
Mir gefällt allerdings nicht, dass das so plausibel klingt. Zenon und die ganze wahrnehmungskritische Meute war ja nicht dumm. Es muss Gründe geben.
ανδρέας schrieb am 24.09.2009 um 22:13 Uhr (Zitieren)
Das Beispiel mit Lincoln entspricht Wittgensteins Kritik:Philosophie ist rein deskript. Die Beschreibung ist danach rein deskriptiv , nämlich die Beschreibung von Wörtern, aber nicht die Welterkenntnis. So tritt an die Stelle der Erklärung die Beschreibung.
Graeculus wird zürnen ...
ανδρέας schrieb am 24.09.2009 um 22:15 Uhr (Zitieren)
Irgendwie habe ich den Satz vermurkst ...
Philosophie ist danach rein deskriptiv , nämlich die Beschreibung von Wörtern, aber nicht die Welterkenntnis. So tritt an die Stelle der Erklärung die Beschreibung.
ανδρέας schrieb am 24.09.2009 um 22:25 Uhr (Zitieren)
Aber deshalb ist die Philosophie wichtig: Sie stellt Fragen. Ohne Fragen und Regeln im Denken, Kategorisierungen findet Erkenntnis wohl gar nicht erst statt. Zenon war nicht dumm. Es gibt nur dumme Antworten. Seine Fragestellung war zu der damaligen Zeit eben nocht nicht lösbar. Sonst würde man alle klugen Köpfe heute für dumm halten, weil sie in ihrer Zeit noch nicht die Voraussetzungen für weitere Antworten hatten.