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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Die Tränen des Xerxes (677 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 26.04.2020 um 17:32 Uhr (Zitieren)
Nach seiner Überquerung des Hellesponts hält der Großkönig Xerxes bei Abydos eine Heerschau ab. Herodot berichtet VII 44-46:
44. Als Xerxes in Abydos eintraf, wollte er sein gesamtes Heer besichtigen. Vorsorglich war dort für ihn bereits ein erhöhter Sitz aus weißem Stein auf einem Hügel erbaut worden; die Abydener hatten ihn nach einem früheren Auftrag des Königs errichtet. Hier also ließ er sich nieder und überschaute Fußvolk und Schiffe, indem er auf die Küste hinblickte. Bei dieser Betrachtung verlangte er auch, ein Seegefecht zu erleben. Als dies ablief und die phoinikischen Sidonier siegten, freute er sich über den Wettkampf und über sein Heer.

45. Als er den ganzen Hellespont unter seinen Schiffen verschwinden und alle Küsten und die Ebene der Abydener voll von Menschen sah, pries Xerxes sich glücklich; dann aber weinte er [μετὰ δὲ τοῦτο ἐδάκρυσε].

46. Als sein Oheim Artabanos dies bemerkte, – er hatte ja zuerst freimütig seine Meinung dargelegt, als er Xerxes den Feldzug gegen Griechenland ausreden wollte – als dieser also Xerxes weinen sah, fragte er ihn: „König [Ὦ βασιλεῦ], wie verschieden ist doch dein Verhalten jetzt und kurz vorher! Du hast dich erst glücklich gepriesen, und jetzt weinst du.“ Der König erwiderte: „Ja, mich erfaßte der Jammer, als ich bedachte, wie kurz das Menschenleben ist; denn von allen diesen vielen Leuten wird in 100 Jahren keiner mehr am Leben sein [εἰ τούτων γε ἐόντων τοσούτων οὐδεὶς ἐς ἑκατοστὸν ἔτος περιέσται].“ Da antwortete ihm Artabanos: „Es gibt noch viel Jammervolleres in unserem Leben. Denn in diesem kurzen Dasein ist keiner unter den Menschen glücklich geboren [ἐν γὰρ οὕτω βραχέϊ βίῳ οὐδεὶς οὕτως ἄνθρωπος ἐὼν εὐδαίμων πέφυκε] – und nicht nur unter diesen, sondern unter allen –, dem oftmals, nicht bloß einmal, der Gedanke gekommen wäre, lieber tot als am Leben zu sein [καὶ οὐκὶ ἅπαξ τεθνάναι βούλεσθαι μᾶλλον ἢ ζώειν]. Denn es kommen Unglücksfälle, Krankheiten beunruhigen uns und bewirken, daß dieses so kurze Leben dennoch so lang erscheint. So ist der Tod für den Menschen in seinem mühevollen Dasein eine sehr erwünschte Zuflucht [οὕτως ὁ μὲν θάνατος μοχθηρῆς ἐούσης τῆς ζόης καταφυγὴ αἱρετωτάτη τῷ ἀνθρώπῳ γέγονε]. Diese Gottheit, die uns die Süßigkeit des Lebens kosten ließ, zeigt sich darin als neidisch [ὁ δὲ θεὸς γλυκὺν γεύσας τὸν αἰῶνα φθονερὸς ἐν αὐτῷ εὑρίσκεται ἐών].“

(Herodot: Historien. Herausgeben von Josef Feix. 2 Bde. München 2. Aufl. 1977; Bd. II, S. 906-909)
 
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