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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Die Rache an einem Sklavenhändler (497 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 26.04.2020 um 18:17 Uhr (Zitieren)
Herodot berichtet VIII 105 f.:
105. Aus diesem Pedasos also stammte Hermotimos, der meines Wissens einmal für eine Beleidigung von allen die grausamste Rache genommen hat. Als ihn Feinde gefangen hatten und als Sklaven verkauften, erwarb ihn Panionios aus Chios, der durch ein recht schändliches Gewerbe [ἀπ‘ ἔργων ἀνοσιωτάτων] seinen Lebensunterhalt verdiente. Er kaufte nämlich besonders schöne Knaben, verschnitt sie und brachte sie in Sardes und Ephesos für teures Geld auf den Markt; denn bei den Barbaren werden die Verschnittenen wegen ihrer Treue in jeder Hinsicht mehr geschätzt als wirkliche Männer. Nun hatte Panionios schon viele verschnitten, weil er davon lebte. So tat er es auch mit ihm. Hermotimos hatte noch das Glück, daß er von Sardes aus mit anderen Geschenken zum König geschickt wurde. Im Laufe der Zeit fand er bei Xerxes höheres Ansehen als alle seine anderen Eunuchen.

106. Als der König das Perserheer gegen Griechenland in Marsch setzte und in Sardes weilte, reiste Hermotimos in Ge-schäften nach Mysien in die Landschaft Atarneus, die von Chiern bewohnt wird, und stieß dort auf Panionios. Er erkannte ihn, unterhielt sich lange und freundlich mit ihm und zählte ihm zunächst die Vorteile auf, die er ihm verdanke, und versprach ihm dazu recht viel Gutes dafür. Er solle nur seine Angehörigen nach Atarneus holen und dort Wohnung nehmen.
Panionios war mit Freuden einverstanden und holte Weib und Kind. Als Hermotimos jetzt ihn und alle seine Angehörigen in Händen hatte, sprach er zu ihm: „Du Meister des schändlichsten Gewerbes, das es auf Erden gibt [Ὦ πάντων ἁνδρῶν ἤδη μάλιστα ἀπ‘ ἔργων ἀνοσιωτάτων τὸν βίον κτησάμενε], was habe ich oder einer meiner Verwandten dir oder einem der Deinen zuleide getan, daß du mich von einem Manne zu einem Nichts [τὸ μηδέν] gemacht hast? Glaubst du etwa, die Götter hätten nicht gesehen, was du damals getan hast? Sie haben dich in ihrer Gerechtigkeit [νόμῳ δικαίῳ χρεώμενοι] für deinen schändlichen Frevel in meine Hand geliefert, und du sollst dich nicht beklagen können über die Strafe, die ich dir auferlegen werde.“
Nach diesen Schmähworten ließ er seine Kinder vorführen. Panionios wurde gezwungen, seine eigenen Söhne – es waren vier – zu verschneiden; unter Zwang tat er es. Als er damit fertig war, mußten die Kinder das gleiche an dem Vater vollziehen. So kam über Panionios das göttliche Strafgericht [ἥ τε τίσις] durch die Hand des Hermotimos.

(Herodot: Historien. Herausgegeben von Josef Feix. 2 Bde. München 2. Aufl. 1977; Band 2, S. 1127-1129)
Re: Die Rache an einem Sklavenhändler
Marcella schrieb am 26.04.2020 um 18:41 Uhr (Zitieren)
Ich fühle mit Hermotimos. Das mit den Söhnen generationenübergreifend zu machen, ist sicherlich übertrieben und eine atavistische Rechtsvorstellung. Aber das Ganze ist sehr gut nachzuvollziehen.
Interessant wäre, was der Begriff "tisis" sagen will.
Re: Die Rache an einem Sklavenhändler
Γραικύλος schrieb am 27.04.2020 um 00:22 Uhr (Zitieren)
Nun, Herodot schreibt ja von der "grausamsten Rache", und wir sollten ihm nicht unterstellen, daß er selbst das, was dann geschieht, als göttliches Strafgericht ansieht. Das tut der Täter in seiner Ansprache.

Mit τίσις hat es laut Wörterbuch nicht allzuviel Göttliches auf sich: Entschädigung, Genugtuung, Strafe, Rache. Allerdings wurde sie im Plural (αἱ Τίσιες, die Rachegöttinnen) gelegentlich personifiziert.

Hier treibt jemand das ius talionis auf die Spitze: fünf für einen, und dann auch noch familienintern erzwungen.
Re: Die Rache an einem Sklavenhändler
Γραικύλος schrieb am 27.04.2020 um 00:24 Uhr (Zitieren)
Weder Zeus noch Dike stehen dahinter.
Re: Die Rache an einem Sklavenhändler
Γραικύλος schrieb am 27.04.2020 um 00:24 Uhr (Zitieren)
Weder Zeus noch Dike stehen dahinter.
Re: Die Rache an einem Sklavenhändler
Marcella schrieb am 28.04.2020 um 16:50 Uhr (Zitieren)
Ius talionis: Die Manneskraft lebte ja auch in den Söhnen weiter, das war wohl der Gedanke des Hermotimos.
Zeus und Dike sind aber auch keine verlässliche Größe, wenn man an den Ausgang des FIFA-Prozesses gestern denkt, den zur Duisburger love parade, den zum Kölner Stadtarchiv usw.
Tisiphone und Nemesis helfen auch nicht.
Der Glaube an den Rechtsstaat scheint naiv.

Re: Die Rache an einem Sklavenhändler
Γραικύλος schrieb am 01.05.2020 um 15:10 Uhr (Zitieren)
Ja, mit der irdischen Gerechtigkeit steht es nicht zum Besten. Deshalb haben sich viele Religionen ja auch eine transzendentale Abrechnung ausgedacht, die Griechen z.B. durch Rhadamanthys.
Re: Die Rache an einem Sklavenhändler
Uhg schrieb am 16.10.2021 um 11:55 Uhr (Zitieren)
Zitat von Γραικύλος am 26.4.20, 18:17Herodot berichtet VIII 105 f.:
105. Aus diesem Pedasos also stammte Hermotimos, der meines Wissens einmal für eine Beleidigung von allen die grausamste Rache genommen hat. Als ihn Feinde gefangen hatten und als Sklaven verkauften, erwarb ihn Panionios aus Chios, der durch ein recht schändliches Gewerbe [ἀπ‘ ἔργων ἀνοσιωτάτων] seinen Lebensunterhalt verdiente. Er kaufte nämlich besonders schöne Knaben, verschnitt sie und brachte sie in Sardes und Ephesos für teures Geld auf den Markt; denn bei den Barbaren werden die Verschnittenen wegen ihrer Treue in jeder Hinsicht mehr geschätzt als wirkliche Männer. Nun hatte Panionios schon viele verschnitten, weil er davon lebte. So tat er es auch mit ihm. Hermotimos hatte noch das Glück, daß er von Sardes aus mit anderen Geschenken zum König geschickt wurde. Im Laufe der Zeit fand er bei Xerxes höheres Ansehen als alle seine anderen Eunuchen.

106. Als der König das Perserheer gegen Griechenland in Marsch setzte und in Sardes weilte, reiste Hermotimos in Ge-schäften nach Mysien in die Landschaft Atarneus, die von Chiern bewohnt wird, und stieß dort auf Panionios. Er erkannte ihn, unterhielt sich lange und freundlich mit ihm und zählte ihm zunächst die Vorteile auf, die er ihm verdanke, und versprach ihm dazu recht viel Gutes dafür. Er solle nur seine Angehörigen nach Atarneus holen und dort Wohnung nehmen.
Panionios war mit Freuden einverstanden und holte Weib und Kind. Als Hermotimos jetzt ihn und alle seine Angehörigen in Händen hatte, sprach er zu ihm: „Du Meister des schändlichsten Gewerbes, das es auf Erden gibt [Ὦ πάντων ἁνδρῶν ἤδη μάλιστα ἀπ‘ ἔργων ἀνοσιωτάτων τὸν βίον κτησάμενε], was habe ich oder einer meiner Verwandten dir oder einem der Deinen zuleide getan, daß du mich von einem Manne zu einem Nichts [τὸ μηδέν] gemacht hast? Glaubst du etwa, die Götter hätten nicht gesehen, was du damals getan hast? Sie haben dich in ihrer Gerechtigkeit [νόμῳ δικαίῳ χρεώμενοι] für deinen schändlichen Frevel in meine Hand geliefert, und du sollst dich nicht beklagen können über die Strafe, die ich dir auferlegen werde.“
Nach diesen Schmähworten ließ er seine Kinder vorführen. Panionios wurde gezwungen, seine eigenen Söhne – es waren vier – zu verschneiden; unter Zwang tat er es. Als er damit fertig war, mußten die Kinder das gleiche an dem Vater vollziehen. So kam über Panionios das göttliche Strafgericht [ἥ τε τίσις] durch die Hand des Hermotimos.
(Herodot: Historien. Herausgegeben von Josef Feix. 2 Bde. München 2. Aufl. 1977; Band 2, S. 1127-1129)
 
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