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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Theater in Griechenland und in der Neuzeit (405 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 07.05.2020 um 22:54 Uhr (Zitieren)
Das Theater ist für den Mittelmeerraum und Europa eine griechische Erfindung; weder die Ägypter noch die Mesopotamier oder die Perser kannten etwas in dieser Art. Das chinesische und japanische Theater ist völlig unabhängig davon entstanden.

Ich habe mich einmal an einer Übersicht versucht, wodurch sich das neuzeitliche Theater von seinen Anfängen in Griechenland entfernt hat:

1. Die Schauspieler tragen keine Maske (τὸ πρόσωπον) mehr. Wir kennen Masken nur noch vom Karneval und von Maskenbällen, wobei man sich die Frage stellen mag, ob dieses Maskentreiben von Byzanz aus nach Venedig, das mit Byzanz intensive Handelsbeziehungen unterhielt, gekommen ist; aber meiner Wissens gab es schon in Byzanz kein Theater mehr. Dieses galt als heidnisches Unternehmen.

2. Der Chor, der ja neben einem einzigen Schauspieler sogar am Anfang des griechischen Theaters steht, kommt im neueren Theater nur noch in der Oper vor.

3. Das konstitutive musikalische Element des griechischen Theaters ist in die Oper (und die späteren Formen der Operette und des Musicals) ausgelagert worden. Im Sprechtheater fehlt es.

4. Das griechische Theater - sowohl die Tragödie als auch die Komödie - hatte einen religiös-kultischen Charakter. Das fehlt uns heute fast völlig, mit Ausnahme der Passionsspiele.

5. Die Sprache des griechischen Theaters war metrisch, während sie heute oft prosaisch ist; diese Entwicklung ist allerdings erst in der Moderne eingetreten.

6. Das griechische Theater war bestimmt durch die von Aristoteles behandelte Einheit von Raum und Zeit. Das ist heute kaum noch bzw. nicht mehr regelmäßig der Fall.

7. Theatertage in Griechenland waren Festtage: An mehreren Tagen kamen ganztags die bekannten Trilogien plus das Satyrspiel zur Aufführung, jedenfalls bei den Dramen. Bei den Komödien ist mir ein solcher innerer Zusammenhang nicht bekannt.

8. Schließlich war das griechische Theater ein ἀγών, ein Wettkampf zwischen verschiedenen Dichtern mit ersten, zweiten und dritten Plätzen.

Einiges davon ist bereits im römischen Theaterwesen verlorengegangen, etwa der religiöse Kontext und die trilogische Struktur der Dramen.
Re: Theater in Griechenland und in der Neuzeit
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 08.05.2020 um 01:02 Uhr (Zitieren)
Anmerkung zu 2.:

Stimmt in dieser Absolutheit nicht ganz, vgl. z. B. Schiller: Braut von Messina, Anouilh: Antigone, oder Frisch: Biedermann, wo bewußt Rückbezüge auf die antike Funktion des Chores hergestellt werden.
Re: Theater in Griechenland und in der Neuzeit
Γραικύλος schrieb am 08.05.2020 um 14:11 Uhr (Zitieren)
Stimmt. Man kann auch noch Woody Allens "Geliebte Aphrodite" hinzuzählen.
Ich hielt die Ausnahmen aber doch für zu selten, um sie innerhalb einer Typologie berücksichtigen zu müssen.
Man kann sogar fragen, ob es nicht für alle 8 Kriterien Ausnahmen gibt - vor allem dann, wenn man zu den geschriebenen Stücken die vielfältigen Inszenierungen hinzunimmt.
Und wer weiß, vielleicht hat auch das eine oder andere der zahlreichen Theaterfestivals einen agonalen Charakter.

Für strikte Verallgemeinerungen und um alle Ausnahmen berücksichtigen zu können, weiß ich einfach zu wenig.
 
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