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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Das Bild des Tiberius (393 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 12.05.2020 um 18:23 Uhr (Zitieren)
Während bei den anderen Herrschern der Iulisch-Claudischen Dynastie zumindest die Tendenz der historischen Beurteilung klar ist, bleibt das Bild des Tiberius (14 – 37 u.Z.) auf der Grundlage der historischen Quellen eigentümlich ambivalent.

Velleius Paterculus ist der einzige Historiker, der Tiberius persönlich kannte – er war einer seiner Offiziere –, und sein Urteil fällt deutlich positiv aus. Flavius Iosephus steht ihm einigermaßen neutral gegenüber und schiebt viele der Schattenseiten seiner Herrschaft auf den Prätorianerpräfekten Seian, dem er – als einziger Historiker – eine regelrechte Verschwörung unterstellt. Sehr ungünstig auf das Gesamtbild wirken sich die Darstellungen der Klatschtante Sueton und des scharfsinnigen, psychologisch analysierenden und dem Prinzipat ge-genüber pessimistisch eingestellten Tacitus aus, schließlich auch noch die des später schreibenden Cassius Dio. Allesamt nehmen sie den Standpunkt des Senats ein, zu dem Tiberius ein gespanntes Verhältnis hatte.

Gewiß war Tiberius ein schwieriger, komplizierter Mensch; als General ein hochbegabter Defensivstratege, war er mit seiner von Augustus vorgegebenen Stellung als republikanisch verschleierter Alleinherrscher jedoch aus verschiedenen Gründen – objektiven wie subjektiven – überfordert. War er dennoch ein wohlmeinender Mensch oder vielmehr ein hinterhältiger Sadist?

Es fällt auf, daß vor allem bei Tacitus, dem Tiberius als der Gottseibeiuns des frühen Prinzipats gilt, eine ganz andere Gestalt aufleuchtet, sobald Tacitus einmal nicht in vermeintlichen psychischen Abgründen herumstochert, sondern Tatsachen berichtet oder sogar Aussprüche und Briefe des Tiberius wörtlich zitiert. Bemerkenswert ist auch der Umstand, daß Tiberius offenbar enge menschliche Bindungen eingegangen ist, die allerdings ohne sein Zutun fast durchweg tragisch endeten: die Liebe zu seinem Vater (den die mit dem Bruder Drusus hochschwangere Mutter Livia zugunsten des Augustus verlassen hat), die Liebe zu Drusus (der jung gestorben ist), die Liebe zu seiner Frau Vipsania Agrippina (von der er sich auf Befehl des Augustus scheiden lassen mußte, um die ihm verhaßte Augustus-Tochter Julia zu heiraten), die Freundschaft zu Antonia, der Grande Dame ihrer Zeit und Witwe seines Bruders Drusus, die ihm bis zu seinem Tode im Jahre 37 verbunden geblieben ist. Von ihr abgesehen wurde es, auch durch das Verhalten des Seian, zunehmend einsam um Tiberius.

Deutlich negativ ist das Verhältnis des Tiberius zu seiner Mutter Livia, die ihn einerseits in seine – nicht sonderlich geliebte – Stellung als Nachfolger des Augustus gebracht hat, der gegenüber er andererseits einigen Grund zu Distanz hatte: Ein Kind ist schockiert, wenn die schwangere Mutter den Vater verläßt, und ein Mann, ein römischer Mann zumal, schätzt es nicht, wenn die Mutter dominant ist und dies noch gegenüber dem in die Jahre gekommenen Sohn bleibt.

Allemal ist Tiberius psychologisch eine der interessantesten Gestalten der Antike.

(Literaturhinweis: Manfred Baar, Das Bild des Kaisers Tiberius bei Tacitus, Sueton und Cassius Dio. Phil. Diss. Stuttgart 1990)
Re: Das Bild des Tiberius
Γραικύλος schrieb am 12.05.2020 um 23:35 Uhr (Zitieren)
Die neueste mir bekannte Biographie des Tiberius, die von Zvi Yavetz, trägt den treffenden Titel "Der traurige Kaiser".
 
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