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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Wider das Schreiben (495 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 20.05.2020 um 16:34 Uhr (Zitieren)
Sokrates: Von der Anständigkeit und Unanständigkeit des Schreibens aber, wo angewendet es gut ist und wo unschicklich, davon wäre noch übrig zu reden. Nicht wahr?

Phaidros: Ja.

Sokrates: Weißt du wohl, wie du eigentlich Gott wohlgefällig das Reden behandeln [λόγων πέρι πράττων] und davon sprechen mußt?

Phaidros: Keineswegs, du aber?

Sokrates: Eine Sage [ἀκοή] wenigstens habe ich darüber zu erzählen von den Alten, das Wahre aber [τὸ δ‘ ἀληθές] wissen nur jene selbst. Könnten wir aber dieses finden, würden wir uns dann noch irgend um menschliche Urteile kümmern?

Phaidros: Lächerliches fragst du! Aber erzähle, was du gehört zu haben behauptest.

Sokrates: Ich habe also gehört, zu Naukratis in Ägypten sei einer von den dortigen alten Göttern gewesen, dem auch der Vogel, welcher Ibis heißt, geheiligt war, er selbst aber, der Gott, habe Theuth [Θεύθ] geheißen. Dieser habe zuerst Zahl und Rechnung erfunden, dann die Meßkunst und die Sternkunde, ferner das Brett- und Würfelspiel, und so auch die Buchstaben. Als König von ganz Ägypten habe damals Thamus geherrscht in der großen Stadt des oberen Landes, welche die Hellenen das ägyptische Theben nennen, den Gott selbst aber Ammon. Zu dem sei Theuth gegangen, habe ihm seine Künste gewiesen und begehrt, sie möchten den anderen Ägyptern mitgeteilt werden. Jener fragte, was doch eine jede für Nutzen gewähre, und je nachdem ihm, was Theuth darüber vorbrachte, richtig oder unrichtig dünkte, tadelte er oder lobte. Vieles nun soll Thamus dem Theuth über jede Kunst dafür und dawider gesagt haben, was weitläufig wäre alles anzuführen. Als er aber an die Buchstaben gekommen, habe Theuth gesagt: „Diese Kunst, o König, wird die Ägypter weiser machen und gedächtnisreicher [σοφωτέρους καὶ μνημονικωτέρους], denn als ein Mittel für den Verstand und das Gedächtnis ist sie erfunden.“ Jener aber habe erwidert: „O kunstreichster Theuth, einer versteht, was zu den Künsten gehört, ans Licht zu gebären; ein anderer zu beurteilen, wieviel Schaden und Vorteil sie denen bringen, die sie gebrauchen werden. So hast auch du jetzt als Vater der Buchstaben [πατὴρ ὢν γραμμάτων] aus Liebe [δι‘ εὔνοιαν] das Gegenteil dessen gesagt, was sie bewirken. Denn diese Erfindung wird der Lernenden Seelen vielmehr Vergessenheit [λήθη] einflößen aus Vernachlässigung des Gedächtnisses, weil sie im Vertrauen auf die Schrift sich nur von außen vermittels fremder Zeichen, nicht aber innerlich sich selbst und unmittelbar erinnern werden. Nicht also für das Gedächtnis, sondern nur für die Erinnerung hast du ein Mittel erfunden [οὔκουν μνήμης, ἀλλὰ ὑπομνήσεως, φάρμακον εὗρες]. Und von der Weisheit bringst du deinen Lehrlingen nur den Schein bei, nicht die Sache selbst. Denn indem sie nun vieles gehört haben ohne Unterricht, werden sie sich auch vielwissend zu sein dünken [πολυγνώμονες εἶναι δόξουσιν], obwohl sie doch unwissend größtenteils sind und schwer zu behandeln, nachdem sie dünkelweise [δοξόσοφοι] geworden sind statt weise.“

Phaidros: O Sokrates, leicht erdichtest du uns ägyptische und was sonst für ausländische Reden [ὁποδαποὺς λόγους] du willst.“

Sokrates: Sollen doch, o Freund, in des Zeus dodonäischem Tempel einer Eiche Reden die ersten prophetischen gewesen sein. Den Damaligen nun, weil sie eben nicht so weise waren wie ihr Jüngeren, genügte es in ihrer Einfalt, auch der Eiche und dem Stein zuzuhören, wenn sie nur wahr redeten. Dir aber macht es vielleicht einen Unterschied, wer der Redende ist und von woher er kommt. Denn nicht darauf allein siehst du, ob sich so oder anders die Sache verhält [οὐ γὰρ ἐκεῖνο σκοπεῖς εἴτε οὕτως, εἴτε ἄλλως ἔχει].

Phaidros: Mit Recht hast du mich gescholten. Auch dünkt es mich mit den Buchstaben sich so zu verhalten, wie der Thebäer sagt.

Sokrates: Wer also eine Kunst [τέχνη] in Schriften hinterläßt und auch wer sie aufnimmt, in der Meinung, daß etwas Deutliches und Sicheres durch die Buchstaben kommen könne, der ist einfältig genug und weiß in Wahrheit nichts von der Weissagung des Ammon, wenn er glaubt, geschriebene Reden [λόγους γεγραμμένους] wären noch sonst etwas als nur demjenigen zur Erinnerung, der schon das weiß, worüber sie geschrieben sind.

Phaidros: Sehr richtig.

(Platon: Phaidros 274b-275d)

Die Priesterinnen im Zeusheiligtum von Dodona in Epirus entnahmen den Willen des Gottes dem Rauschen einer Eiche.

 
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