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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Karl Julius Webers Grabinschrift (701 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 29.08.2020 um 16:43 Uhr (Zitieren)
Nach seiner Empfehlung sollte man an seinem Grab eine Zigarre rauchen und einen Purzelbaum schlagen; als Grabinschrift hatte er sich gewünscht:
Hier liegen meine Gebeine, ich wollte es wären deine.

Seine Familie hat sich jedoch stattdessen für das distinguiertere Latein und einen dezenteren Inhalt entschieden:
Iocosus, non impius vixi,
Incertus morior, non perturbatus,
Humanum est nescire et errare,
Ens entium miserere mei.

Begraben ist er im schwäbischen Kupferzell.
Re: Karl Julius Webers Grabinschrift
Γραικύλος schrieb am 29.08.2020 um 16:47 Uhr (Zitieren)
Nicht schwäbisch, sondern fränkisch (hohenlohisch), aber zu Württemberg gehörend.
Re: Karl Julius Webers Grabinschrift
Γραικύλος schrieb am 02.09.2020 um 14:56 Uhr (Zitieren)
Auch die lateinische Version geht auf einen Vorschlag Webers zurück.
Re: Karl Julius Webers Grabinschrift
Andreas schrieb am 02.09.2020 um 16:45 Uhr (Zitieren)
Ens entium

= das Seiende des (alles?) Seienden

Gemeint ist damit wohl Gott.

Wörtlich übersetzt hört sich das seltsam an.
Ich würde übersetzen mit: die höchste Seiende
oder das schlechthin Seiende
Oder das korrekt?
Von Gott als Seiendem zu sprechen ist ungewöhnlich.
Der Aquinate nennt Gott das"ipsum esse per se subsistens",
also ein Sein, kein Seiendes.
Gott ist das Sein (arche ?), aus dem alles Seiende hervorging
per "creatio ex nihilo", was immer das heißen mag.
Ob man das nihil modern mit dem "prä-kreationalen" Quantenvakuum identifizieren kann?
Das absolute Nichts kann es anscheinend nicht
geben. Auch Gott, falls existent, ist ein Etwas.

Dazu eine recht interessante Diskussion:
https://www.youtube.com/watch?v=TVbuD3ihuyY
Re: Karl Julius Webers Grabinschrift
Γραικύλος schrieb am 02.09.2020 um 18:49 Uhr (Zitieren)
Auch ich kann - zumindest auf Anhieb - eine mittelalterliche Verwendung von "ens entium" für Gott nicht finden. "Esse omnium" bei Ps.-Dionysius Areopagita (im Sinne einer supersubstantia) kommt aber vor, "summa essentia" bei Anselm von Canterbury.

Ich vermute, daß Weber ein wenig Skepsis einfließen lassen wollte und deshalb das Wort "Gott/Deus" gemieden hat; er wollte nicht zu präzise werden.

Den Begriff der "henologischen negativen Theologie" finde ich noch (bezogen auf das Mittelalter) ... und finde ihn passend für das, was Weber meint.
Re: Karl Julius Webers Grabinschrift
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 02.09.2020 um 19:58 Uhr (Zitieren)
Ich kenne von Weber nichts als die hier vorgestellten Aphorismen und seine (so habe ich manches empfunden) etwas sottisenartigen Bemühungen, der Antike und ihren Figuren einen neuen, dandyhaft-spöttischen Anstrich zu geben. Daher kann ich nur mit aller gebotenen Vorsicht für mich zu dem Schluß kommen, daß 'ens entium' wohl eher nicht das Göttliche apostrophiert, sondern, hübsch materialistisch, mit einer Sublimierung des Seienden einen Gegenpol zum Numen (das er in der gewählten Formulierung ja anklingen läßt) anruft.
Re: Karl Julius Webers Grabinschrift
filix schrieb am 03.09.2020 um 12:32 Uhr (Zitieren)
An der von den Nachkommen verordneten Grabinschrift ist, in gewisser Weise konsequent, nichts wirklich originär, das Schlusswort Ens entium miserere mei entstammt offenbar mittelalterlicher scholastischer Legendenbildung, die Aristoteles im Tode in einen Protochristen zu verwandeln versucht:


Zur Überlieferung, dass Aristoteles - wie ein Christ - mit diesen Worten gestorben sei, siehe M. Grabmann Aristoteles im Werturteil des Mittelalters. MAG II, 63–102 (1936) S. 94-99. Sie finden sich in der Schrift des Kölner Thomisten Lambertus de Monte (15. Jh.) De Salute Aristotelis. Auch in einer auf ihn zurückführenden Glosse heißt es: Concludendo ergo finaliter et cum veritate dico, quod Aristoteles per Dei misericordiam (quam ex intimo cordis affectu imploravit dicens: O ens entium, miserere mei!) su sancta morte potitius translatus est ad aeternae beatitudinis solium.

G. Ebeling: Lutherstudien - Disputatio de homine, 2. Teil, S. 412


Die gesamte Grabinschrift lässt sich in Varianten bis wenigstens ins 17. Jhdt. zurückverfolgen - aus einer christlichen Leichenpredigt von 1602:


Wem soll man dann die Seel befehlen? Die Heyden haben solches nit gewußt. Daher man von einem fürnemmen Heyden liese, als derselbige sterben wölle, habe er gesagt:
Incertus vixi: dubius morior: quò vadam, nescio: O Ens entium, miserere mei.

https://books.google.de/books?id=ibBEAAAAcAAJ&pg=PP10
 
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