Wulfila stand bei seiner Bibelübersetzung aus dem Griechischen ins Gotische vor dem Problem, daß es bei manchen Wörtern (z.B. dem für Sünde) in der gotischen Sprache und Kultur keine Entsprechung gab.
Zu der Art, wie dann biblisches Denken in eine andere Kultur implementiert wurde, gibt Hans-Joachim Diesner (Die Völkerwanderung. Leipzig ²1980, S. 96 f.) einige Beispiele:

- μακάριος - selig | audags (tüchtig, glückhaft)
- Versöhne dich mit deinem Bruder (Mt 5, 24) | Geh und richte ein Sippenverhältnis zu deinem Bruder
- Reich Gottes | thiudangardi (Königshof) [thiuda: Volk, thiudans: König]
- κύριος – Herr | hulths (hold)
- μυστήριον – Sakrament | runa (die Rune als etwas Heiliges, mit der Gottheit Verbundenes)
- ἁμαρτία – Sünde | frawaurhts (Verwirkung)
- κατακρίνειν – verdammen | gawargjan (jemanden zum Wolf erklären, vogelfrei machen)

Mangels eigener Gotischkenntnisse muß ich mich dabei auf Diesner verlassen.