Montaigne, Essais I 42:

Jeder hat eine Scheu davor, beobachtet und ausspioniert zu werden; sie [sc. die Herrscher] aber müssen es bis in ihre Gebärden und Gedanken hinein geschehen lassen, da das ganze Volk auf das Recht und den Anspruch pocht, hierüber zu urteilen. Hinzu kommt, daß Flecken um so größer erscheinen, je höher und heller die Stelle ist, an der sie sich befinden, und daß eine Warze oder ein Muttermal auf der Stirn stärker auffällt als eine Hiebwunde anderswo.

Aus diesem Grund stellen die Dichter die Liebeshändel Jupiters so dar, daß er sie in jeweils anderer Gestalt als der seinen betreibt; unter all den galanten Abenteuern, die sie ihm zuschreiben, gibt es meines Wissens nur ein einziges, wo er in seiner vollen Macht und Majestät auftritt.

(Michel de Montaigne: Essais. Übersetzt von Hans Stilett. Darmstadt 1999, S. 135 f.)

Bei der Ausnahme dürfte es sich um den Fall der Semele handeln, die auf den tückischen Ratschlag der Hera hin ihren Liebhaber Zeus bittet, ihr so zu erscheinen, wie er Hera gegenüber erscheine. Mit einem unguten Ende für Semele.